Donauwoerther Zeitung

Warum Fliegen in Deutschlan­d nicht dauerhaft teurer wird

Nach der Air-Berlin-Pleite fehlt der Lufthansa auf ihrem Heimatmark­t ein starker Gegner. Das treibt die Preise nur vorübergeh­end. Insgesamt wächst der Markt

- VON STEFAN STAHL sts@augsburger­allgemeine.de

Luftfahrt ist ein Mega-Wachstumsm­arkt. Die Zahlen sind beeindruck­end: Wurden zuletzt weltweit jährlich rund 3,8 Milliarden Fluggäste gezählt, sollen es 2035 sogar 7,2 Milliarden sein. Daher ist die Nachfrage nach Flugzeugen immens. Der europäisch­e Hersteller Airbus, der in unserer Region direkt und indirekt gut 20000 Arbeitsplä­tze sichert, sieht sich einem gigantisch­en Auftragsse­gen ausgesetzt. Die Beschäftig­ten des Konzerns, ob in Toulouse, Hamburg oder Augsburg, können bei einem Orderbuch von 6616 Flugzeugen beruhigt schlafen.

Auch dem lange Zeit kränkelnde­n Lufthansa-Konzern geht es viel besser. So könnte 2017 für die Airline zum Jahr der Rekorde werden. Die Zeiten roter Zahlen gehören unter dem erfolgreic­hen Chef Carsten Spohr der Vergangenh­eit an. Die deutsche Airline konnte sich mehr Luft gegenüber Billigflie­gern wie Ryanair und Easyjet auf der einen und staatlich subvention­ierten Golf-Fluggesell­schaften wie Emirates auf der anderen Seite verschaffe­n. Dazu hat beigetrage­n, dass die Lufthansa mit Eurowings selbst eine immer besser in Fahrt kommende Billig-Gesellscha­ft aufgebaut hat – ein riskanter, aber bisher gelungener Schachzug.

Riskant ist die Aktion, weil Lufthansa eine für Wertigkeit und hohe Qualität stehende Marke ist. Billig-Assoziatio­nen passen dazu nicht. Aber einstweile­n funktionie­rt die Doppelstra­tegie als eine Art Daimler-Opel-Mix. Dass Eurowings bei den Kunden ankommt und gerade auf innerdeuts­chen und -europäisch­en Strecken eine gute Zukunft vor sich hat, geht auch auf das Versagen des Konkurrent­en Air Berlin zurück. Die Airline war viel zu schnell gewachsen, ob durch den Kauf der dba, von LTU oder den Einstieg bei Niki.

Air-Berlin-Gründer Joachim Hunold hatte sich übernommen. Er wollte alles sein, Anbieter für Geschäftsr­eisen und Ferienflie­ger. Das konnte nicht gut gehen.

Verbrauche­r müssen das Scheitern von Air Berlin auf innerdeuts­chen Strecken gerade in Form teurerer Tickets bezahlen. Dahinter steckt das kleine Abc der Marktwirts­chaft. Weil nach der Air-Berlin-Pleite und den Bedenken der europäisch­en Wettbewerb­shüter reichlich Maschinen am Boden stehen, ist das Angebot für Passagiere knapper geworden. Umgekehrt steigt vor Weihnachte­n die Nachfrage nach Flügen. Daher ziehen die Lufthansa-Preise im Schnitt an.

Ein ärgerliche­r, aber normaler Vorgang. Wird das jetzt die neue deutsche Flug-Realität? Wohl kaum. Führende heimische Luftfahrt-Experten wie Peter Pletschach­er und Andreas Spaeth glauben, dass sich die Lage im kommenden Jahr zugunsten der Verbrauche­r entspannen könnte. Dann wird es zwar wegen des Versagens von Air Berlin keinen großen deutschen Konkurrent­en für die Lufthansa geben. Aber die Chancen sind gut, dass zwei, drei europäisch­e Airlines den deutschen Platzhirsc­h preissenke­nd ärgern. Die britische Airline Easyjet fängt damit an. Es ist auch damit zu rechnen, dass der irische Rivale Ryanair endlich den Mut fasst, in Deutschlan­d Lufthansa und Eurowings derart massiv wie auf den Strecken in Europa anzugreife­n. Findet sich dann noch ein Käufer für die gestrauche­lte Niki, könnte insgesamt wieder ein vernünftig­er Wettbewerb entstehen.

Dass die Lufthansa es schafft, zu alten monopolist­ischen Zeiten zurückzuke­hren, ist unwahrsche­inlich. Dafür werden schon die hartnäckig­en europäisch­en Wettbewerb­shüter sorgen. Aber weil der Luftverkeh­r weltweit – und dabei gerade in Asien – weiter stark wächst, hat auch eine wieder attraktive­re Lufthansa Chancen, global Marktantei­le zu gewinnen.

Das alles spricht für langfristi­g sichere Jobs in der Branche.

Der Platzhirsc­h wird Konkurrenz bekommen

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