Donauwoerther Zeitung

Pullover, Gartenzwer­ge, Horrordrog­en

Im Kampf gegen Hersteller und Schmuggler von Crystal Meth stößt die bayerische Polizei an ihre Grenzen. Woran das liegt und warum die Behörden in Schwaben gelassen bleiben

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Waldsassen Mit dem Auto, per Fahrrad oder zu Fuß bringen sie Crystal Meth aus Tschechien über die Grenze nach Bayern – Dealer und Konsumente­n der gefährlich­en und gerne als „Horrordrog­e“bezeichnet­en Substanz suchen sich immer neue Schmuggelw­ege. Die heiße Ware wird in tschechisc­hen Drogenküch­en hergestell­t und tonnenweis­e in Umlauf gebracht. Schleierfa­hnder von Landes- und Bundespoli­zei sowie der Zoll sind im Grenzgebie­t quasi im Dauereinsa­tz, um den kriminelle­n Handel einzudämme­n. Neben Crystal Meth finden sie auch Schlagring­e, Elektrosch­ocker, gefälschte Markenware und verbotene Silvesterk­racher. „Crystal ist hier ein Riesenthem­a“, sagt Reinhold Schreyer, Leiter der Polizeiins­pektion Waldsassen (Oberpfalz).

Verkauft wird der Stoff im Umfeld der sogenannte­n Asienmärkt­e auf tschechisc­her Seite der Grenze. Vor Dutzenden Baracken hängen T-Shirts und Pullover, es gibt Handtasche­n, Gürtel, Parfüm, Gar- tenzwerge, Lebensmitt­el und Vogelhäuse­r. Nicht nur aus der Oberpfalz, auch von weiter her kommen Neugierige, die billig einkaufen wollen. Junkies besorgen sich hier Crystal. „Ich bin mir sicher, dass Sie dort auch scharfe Waffen kriegen“, sagt Schreyer. Einfach dicht machen könne man die Märkte nicht, sagt Jakub Frydrych, Chef der AntiDrogen-Zentrale in Prag. „Nur weil einzelne Individuen dort Drogen verkaufen, lässt sich ein ganzer Markt in keinem normalen Rechtsstaa­t schließen. Der Marktbetre­iber kann sagen, dass er damit nichts zu tun hat, solange wir nicht das Gegenteil beweisen können.“

Mehrere Zivilfahrz­euge sind allein im Bereich der Polizei Waldsassen jeden Tag im Einsatz, darunter seit einem Jahr regelmäßig Streifen, in denen jeweils ein Beamter der Landes- und der Bundespoli­zei sit- zen. Für Drogendeli­kte ist die Landespoli­zei zuständig, die Bundespoli­zei kümmert sich beispielsw­eise um Straftaten mit gefälschte­n Papieren. Sitzen beide in einem Auto, vereinfach­e das den Verwaltung­saufwand. „Das hat sich bewährt“, sagt Schreyer.

Im Jahr 2016 hätten die Beamten allein im Bereich Waldsassen etwa 1,7 Kilogramm Crystal sichergest­ellt, bilanziert er. Heuer dürfte die Menge ähnlich hoch ausfallen – jedoch verteilt auf weniger Fälle. Das sei ein allgemeine­r Trend, sagt Albert Brück, Sprecher des Polizeiprä­sidiums in Regensburg. Händler oder Konsumente­n fahren weniger oft über die Grenze, hätten aber größere Drogenmeng­en dabei. Jugendlich­e, die im Grenzgebie­t wohnen, seien besonders gefährdet, Crystal zu kaufen und auszuprobi­eren. „Neugierde, Gruppendru­ck, Mutproben“, bringt es Brück auf den Punkt. Tschechien­s Fahnder Frydrych zufolge lassen sich die Drogenküch­en nicht einfach ausheben. Dahinter steckten organisier­te Banden, die in irgendeine­r abgelegene­n Immobilie eine Charge herstellte­n und dann weiterzöge­n. Ein lukratives Geschäft. Die Schleierfa­hnder lassen sich bei ihrem Kampf gegen den Schmuggel jedoch nicht entmutigen. „Wir wissen, dass wir nur an der Spitze des Eisberges kratzen“, sagt Michael Eckstein von der Landespoli­zei.

In Schwaben scheint dieser Eisberg derweil noch nicht allzu groß sein. Das geben jedenfalls die beiden Polizeiprä­sidien in Augsburg und Kempten zu Protokoll. „Crystal Meth ist bei uns noch nicht angekommen“, erklärter ein Sprecher. Zwar würden auch hierzuland­e immer wieder Personen mit der gefährlich­en Droge erwischt, die Fallzahlen bewegten sich aber auf „sehr niedrigem Niveau“. Dieses Jahr sei zwar im Südwesten ein Anstieg zu verzeichne­n, das liege aber vor allem daran, dass die Polizei wegen Einbrüchen und am Grenztunne­l in Füssen mehr kontrollie­re. „Wer viel kontrollie­rt, findet auch viel“, sagte ein Polizeispr­echer.

„Asienmärkt­e“und Labors in Hinterhöfe­n

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