Kuschelfaktor
Wer in diesen kalten finsteren Tagen seine Mitmenschen vermisst, sollte bei der Suche nicht verzweifeln. Sie stecken vermutlich in einer Kuschelecke unter einer Decke – einer Kuscheldecke natürlich. Und hören seufzend Kuschelrock dazu (Volume 1 – 31 gibt es inzwischen unter diesem Namen – da werden selbst die härtesten Ohren butterweich). Was kratzt und juckt uns die Welt?
In der Werbung spinnen sie in diesen Wochen aus dem Kuschelkram einen ganzen Kokon, der uns kuschelweich einlullt. Kuschelkissen, Kuschelsocken, Kuschelpantoffel, Kuschelanzug, Kuschelteppich, Kuschelfell, Kuscheltiere. Hauptsache anschmiegsam, geschmeidig, kuschelig. Als wären wir alle verloren, unbehaust, fröstelnd und allein. Flucht ins Fleece. Deshalb begegnet uns die Kuscheldecke auch als „Wohndecke“, als eine Art flauschiges Dach über dem weichgespülten kühlen Kopf. Im Prinzip sind wir alle wie der kleine Linus van Pelt von den Peanuts, der ohne seine Schmusedecke, seine „security blanket“, nicht sein kann. Die Kuscheldecke ist eine Art Banner der Regression – viele kommen davon nicht los. Das schlaue Internetlexikon Wikipedia philosophiert: Die Kuscheldecke, Schnuffeldecke oder Schmusedecke stellt ein gängiges und sehr verbreitetes Übergangsobjekt (engl. Transitional Object) dar. Es hilft dem Säugling oder Kleinkind, die Abwesenheit der Bezugsperson zu akzeptieren, und ist ein stark mit Gefühlen belegtes Objekt. (…) In Konfliktsituationen kann ein Übergangsobjekt beruhigend wirken. Eine Kuscheldecke kann diese Bedeutung auch für Erwachsene beibehalten und in persönlichen Krisen Geborgenheit und Gemütlichkeit bieten.
Wer jetzt keine Kuscheldecke hat, der … kann jederzeit noch eine kaufen. Schon von den Begleittexten wird einem warm. „So werden kalte Tage zum Genuss.“„Kaum etwas anderes vermittelt ein Gefühl von so viel Wärme und Geborgenheit.“Lieblingsausdruck 2017: „Hoher Kuschelfaktor“. Deutschland sehnt sich nach Mikrofasern, Daunen und Kuschelfaktoren. Jamaika wäre einer gewesen, vielleicht. Das ZDF wahrscheinlich auch. Weihnachten ist einer, ganz sicher. Kuschelfaktor 10: Schnee, Kerzenschein, Helene Fischers Weihnachtsalbum, Sondierungspause. Wer da nicht in die Schnuffeldecke schnäuzt, ist unterkühlt und hat ein Herz aus Steinwolle.