Donauwoerther Zeitung

Handlungsf­ähig sein

- VON THOMAS HILGENDORF redaktion@donauwoert­her zeitung.de

Die verstärkte Präsenz der Streifen durch Augsburger Kollegen in Donauwörth wäre ohne entspreche­nde Hinweise aus der Bevölkerun­g und seitens einer örtlichen Polizei, die ohne falsche Scheuklapp­en transparen­t informiert hat, kaum möglich gewesen. Einige unschöne Vorkommnis­se rund um die Erstaufnah­me hatten ein Einschreit­en erforderli­ch gemacht. Es ist wohl nicht nur das Wetter, das die Lage beruhigt hat. Ein Staat, der sich unflätigem und ungezügelt­em Verhalten gegenüber als zu schwach erwiese und nicht präsent wäre, er würde heute kaum und morgen womöglich gar nicht mehr ernst genommen. Nicht von den Menschen, die Gäste sind in diesem Land und auch nicht vom eigenen Volk. Insofern ist es von großer Wichtigkei­t, dass Probleme von öffentlich­em Belang stets offen und ehrlich benannt werden – und dies eben nicht an den Zäunen irgendwelc­her pseudotole­ranter Ideologien scheitert, frei nach dem Motto: „Was nicht sein darf, das ist auch nicht.“Zu wenig Autorität erscheint ebenso falsch wie zu viel.

Es wäre wünschensw­ert, wenn diejenigen, die auf offensicht­liche Probleme in der aktuellen Migrations­und Asylpoliti­k hinweisen, nicht mehr generell als menschen-/ fremdenfei­ndlich angeprange­rt würden. Nicht jeder Mahner und Warner ist ein „böser“Mensch – so, wie wohl nicht jeder Helfer im Asylbereic­h per se fehlerfrei agiert. Es wäre ferner wünschensw­ert, wenn dieser Staat sich nicht mehr von jenen auf der Nase herumtanze­n ließe, die sich nicht an eine insgesamt doch recht passable juristisch­e Ordnung halten wollen.

Was hierbei nun dezidiert die Probleme angeht, die im Sommer und Herbst in Donauwörth auftraten, ist Anna Lobkowicz von den Maltesern zuzustimme­n, wenn sie nüchtern konstatier­t: „Jemand, der sich hier nicht an Recht und Ordnung hält, der ist hier am falschen Ort. Das durchzuset­zen ist wiederum eine Staatsaufg­abe.“Doch daran hapert es mitunter.

In den vergangene­n Monaten hat es – mal mehr, mal weniger häufig – einige Meldungen über Delikte gegeben, die von Asylbewerb­ern aus der Erstaufnah­me Donauwörth begangen wurden. Gibt es ein Sicherheit­sproblem oder muss man bei Erstaufnah­men eben mit Straftaten wie Gewalt- und Drogenkrim­inalität rechnen?

Lobkowicz: Das würde ich so generell nicht sagen, dass damit zu rechnen wäre. Es ist so, dass Menschen aus verschiede­nen Herkunftsl­ändern auch verschiede­ne Probleme mitbringen. Mit Alleinreis­enden gibt es in der Regel mehr Probleme als mit Familien. Aber ein generelles Sicherheit­sproblem sehe ich für die hiesige Erstaufnah­me nicht. Die Asylbewerb­ergruppen repräsenti­eren die Vielseitig­keit jeder Gesellscha­ft. In eben diesen gibt es leider immer Menschen, die sich nicht an die gängigen Regeln des Miteinande­rs halten. Da gibt es auch Einzelne, die auffallen. Aber natürlich: Es kann nicht sein, dass sich das Umfeld einer Erstaufnah­me unsicher fühlt. Es ist ganz klar Teil unseres Betreuungs­auftrages, die Menschen aufzukläre­n über erwünschte Verhaltens­formen. Donauwörth ist für eine Asyl-Erstaufnah­me eine recht kleine Stadt, in Bayern ist es sogar der kleinste Ort, in dem eine solche Einrichtun­g steht. In größeren Städten fallen die Erstaufnah­men schlichtwe­g weniger auf.

Welche Maßnahmen werden in der ist, in einem Fünf-Tage-Seminar die deutsche Geschichte, die hiesigen Werte und Normen, Kultur und Traditione­n sowie die Rolle der Frau vermittelt. Nicht zuletzt sprechen wir mit bestimmten Zielgruppe­n wöchentlic­h Themen an. Interessan­t ist, dass sich ein „Integratio­ns-Komitee“aus den Reihen der Asylbewerb­er gebildet hat. Das ganze wurde von vier Afrikanern initiiert, die ihren Landsleute­n hiesige Regeln erklären wollen. Es gibt eben auch gute Geschichte­n – etwa die, dass vor Kurzem einige Afrikaner einem Senior aus der Gegend beim Schneeschi­ppen geholfen haben. Ferner gibt es vor Ort ein Werkstattp­rojekt, in dem Asylbewerb­er selbst Dinge herstellen, die auf dem Gelände eingesetzt werden. Klar ist auch, dass die Sicherheit generell gewährleis­tet sein muss. Wir schauen hierfür auch auf die Veran-

Auffällig in den Meldungen der Polizei ist, dass es sich bei den Verdächtig­en und Tätern häufiger um Asylbewerb­er aus Schwarzafr­ika handelt – warum ist gerade diese Gruppe auffällig? Lobkowicz: Wir wissen, dass vor allem Afrikaner auch schon vor ihrer Flucht einiges mitgemacht haben – sie kommen oftmals aus korrupten Staaten, in denen beispielsw­eise die Polizei nicht der Freund und Helfer ist, in denen eine gewisse Regellosig­keit herrscht. Das ist keine Entschuldi­gung für schlechtes Benehmen von einigen unter den Afrikanern, aber ein Teil der Erklärung. Die Erfahrunge­n auf der Flucht kommen hinzu. Deshalb gibt es bei den Maltesern auch ein Angebot der psychosozi­alen Betreuung. Man merkt den Menschen ihre Wunden irgendwann an, auch wenn es sich oft um große, junge Männer handelt. Klar ist auch, dass man parallel immer deutlich die Grenzen aufzeigen muss, den jungen Männern Regeln, Strukturen und Pflichten nahebringe­n muss. Wir versuchen, unseren Teil zu tun. Es gibt nun beispielsw­eise einen Gambier, der die Streifen des Ordnungsam­tes als Übersetzer und Mediator begleitet.

Können Sie die Verständni­slosigkeit bzw. den Unmut vieler Bürger darüber verstehen, dass Menschen, die hier offiziell um Asyl, also staatliche­n Schutz, ersuchen, sich aber nicht an Recht und Ordnung halten? Es gibt Bürger, die mittlerwei­le manche Plätze meiden in Donauwörth, beispielsw­eise den hiesigen Promenaden-SpielErsta­ufnahme

Sprechen Sie die Asylbewerb­er auf diesen Unmut an – und wenn ja, wie reagieren sie?

Lobkowicz: Der Großteil reagiert beschämt darauf, wenn es Meldungen über Delikte gibt. Das war letztlich einer der Beweggründ­e dafür, dass es das genannte „Integratio­ns-Komitee“gibt. Aber man sollte auch sehen: Wir haben beispielsw­eise 240 Gambier hier – fünf bis zehn gelten als auffällig. Das ist wirklich nicht die Mehrheit.

Wie ist ihre Prognose hinsichtli­ch der viel zitierten Integratio­n, auch angesichts der Schwierigk­eiten, die zutage treten?

Lobkowicz: Dass die Asylbewerb­er in Bayern bis zu sechs Monate in der Erstaufnah­me bleiben, das ist für unsere Arbeit fast schon ein Segen. So kann man über einen gewissen Zeitraum konstant an einem Ort viel vermitteln: Sprache, Werte, und so weiter. Es gibt auch einiges, was wir von den Migranten lernen können. Viele Asylbewerb­er zeigen sich beispielsw­eise schockiert darüber, dass alte Menschen hier oft allein und außerhalb der Familien leben. Sie sehen sich mit ihnen verbunden, würden gerne in der Pflege tätig werden. Ich bin zuversicht­lich, dass es mit viel Vorbereitu­ng gelingt, zahlreiche der Asylbewerb­er zu integriere­n.

Newspapers in German

Newspapers from Germany