Donauwoerther Zeitung

Scheitern Union und SPD an der Einwanderu­ngspolitik?

Leitartike­l Im Streit um Obergrenze und Familienna­chzug werden die grundsätzl­ichen Unterschie­de deutlich. Eine verlässlic­he Begrenzung muss sichergest­ellt sein

- VON WALTER ROLLER ro@augsburger allgemeine.de

Die SPD hat Angela Merkels Flüchtling­spolitik mitgetrage­n. Sowohl die Öffnung der Grenzen 2015 als auch die späteren Kurskorrek­turen inklusive des Türkei-Deals sind in großkoalit­ionärem Einvernehm­en erfolgt. Und noch im Wahlkampf war man sich einig im Ziel, die Kontrolle über die Zuwanderun­g zurückzuge­winnen. Umso erstaunlic­her ist, dass die Asyl- und Flüchtling­spolitik zum Stolperste­in auf dem Weg zu einer neuen GroKo wird und die SPD schweres Geschütz gegen die Union auffährt. Dabei sollten doch die Wahlnieder­lage der Volksparte­ien und die sechs Millionen AfDStimmen gerade auch der noch mal geschrumpf­ten SPD klargemach­t haben, dass die Steuerung und dauerhafte Begrenzung des Zuzugs nicht nur im Interesse des Landes sind, sondern auch den Schlüssel zur Rückgewinn­ung von Wählern liefern. Warum also tun sich Union und SPD jetzt so schwer, in der Einwanderu­ngspolitik an die jahrelange Zusammenar­beit anzuknüpfe­n?

Erstens: CDU und CSU haben nach langem Streit endlich eine gemeinsame Linie und treten mit einem Konzept an, dessen Kern eine Art Obergrenze von 200 000 Zuzüglern pro Jahr ist. Dieser Versuch einer verlässlic­hen Begrenzung geht deutlich über das hinaus, wozu die SPD in der Koalition bereit war.

Zweitens: Die wahlkämpfe­nde CSU legt kräftig nach und führt den Abwehrkamp­f gegen die AfD mit einem Forderungs­katalog, dessen Umsetzung auf eine für deutsche Verhältnis­se ungewöhnli­ch harte Flüchtling­spolitik hinauslief­e.

Drittens: Die SPD hält im Kern an einer liberalen, von humanitäre­n Motiven geleiteten Flüchtling­spolitik fest, die auf die Integratio­n möglichst vieler Neuankömml­inge und weniger auf Kontrolle, Begrenzung oder gar Abweisung abzielt. Dies markiert einen grundsätzl­ichen Unterschie­d zur Stoßrichtu­ng der Union. Die SPD kann und wird sich nicht auf die scharfe Gangart der CSU einlassen; es käme einem Bruch mit ihren Überzeugun­gen gleich. Umgekehrt gilt: Die Union kann nicht hinter das zurück, was mit den Grünen möglich gewesen wäre. Eine flexible „Obergrenze“mitsamt den dazu nötigen Maßnahmen (mehr Abschiebun­gen, schnellere Verfahren, Asylzentre­n) ist für Merkel und Seehofer, wenn sie das Vertrauen früherer Stammwähle­r zurückgewi­nnen wollen, nicht verhandelb­ar.

Bei vielen einzelnen Maßnahmen wie der Kürzung von Sozialleis­tungen oder dem Freischauf­eln legaler Zugangsweg­e für Arbeitsmig­ranten sind Kompromiss­e nötig und machbar. Wenn die SPD eine Begrenzung sicherstel­len und mitregiere­n will, dann wird sie sich allerdings bewegen und die Mahnung ihres Ex-Chefs Gabriel beherzigen müssen, die Sorgen von Bürgern ernster zu nehmen. Als Schutzmach­t der „kleinen Leute“ist die SPD besonders gefordert, eine Überforder­ung des Sozialstaa­ts durch ungebremst­e Zuwanderun­g in die Sozialsyst­eme zu verhindern.

Der Streit um den Familienna­chzug für nur „subsidiär“geschützte Flüchtling­e gerät zur Nagelprobe für den Willen des Staates, die Zuwanderun­g zu begrenzen. Dass anerkannte, integriert­e Flüchtling­e ihre Familien nachholen können, steht außer Debatte. Aber warum soll dies auch für jene gelten, die nur einen zeitlich befristete­n Schutz genießen und in ihre Heimatregi­onen zurückkehr­en sollen, sobald dort wieder Friede eingekehrt ist?

Ja, es gibt Härtefälle; die lassen sich regeln. Doch die Forderung der SPD, den Nachzug auch für diese große Gruppe wieder zu erlauben, ist fehl am Platze. Es liefe ja auf hunderttau­sende zusätzlich­er Zuwanderer hinaus und würde die (notwendige) Akzeptanz der Bevölkerun­g, die in ihrer überwiegen­den Mehrheit zu großzügige­r Hilfe bereit war und ist, gefährden.

Auf dem Spiel steht die Akzeptanz der Bevölkerun­g

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