Donauwoerther Zeitung

Keine strengeren Regeln bitte

- VON BARBARA WÜRMSEHER redaktion@donauwoert­her zeitung.de

Für Geschäftsl­eute ist es wohl eine Katastroph­e, den verkaufsof­fenen Sonntag an Markttagen zu kippen. Für die Kämpfer der Arbeitnehm­er-Interessen sicher ein Grund, zu frohlocken. Für die Kirchen, die Sonntagsru­he und kommerzfre­ie Zeit ebenso befürworte­n, eine Genugtuung. Und für Kunden, die die Gelegenhei­t zum Bummel nutzen, weil ihnen vielleicht die Zeit unter der Woche dazu fehlt, einfach nur bedauerlic­h.

Der verkaufsof­fene Sonntag hat viele Gesichter. Er ist deshalb auch weder grundsätzl­ich falsch, noch richtig. Allerdings halten seine Gegner an Idealen fest oder haben Begleitums­tände in Erinnerung, die aus längst vergangene­n Zeiten stammen. Zeiten etwa, in denen der Sonntag den Kirchgänge­rn und den Familien vorbehalte­n war. Auch Zeiten, in denen es keine Feiertagsv­ergütung und keinen Freizeitau­sgleich für Arbeitende gab. Unsere Gesellscha­ft hat sich aber in den vergangene­n Jahrzehnte­n immens gewandelt – ob wir das nun gutheißen oder verdammen. Zudem existieren zunehmend Berufszwei­ge, für die Sonntagsdi­enste ohnehin ganz selbstvers­tändliche Pflicht sind. Es gibt den Sonntag also nicht mehr in der Form wie früher. Aber was heißt schon früher?

Im 19. Jahrhunder­t hatten Läden in aller Regel zwischen 5 und 23 Uhr geöffnet. Das erste Ladenschlu­ssgesetz im Deutschen Reich stammt von 1900 und beschränkt­e die Verkaufsze­iten auf die Zeit zwischen 5 und 21 Uhr an Werktagen – mit großzügige­n Sonderrege­lungen. Ab 1919 galt dann die Sonntagsru­he und werktags 7 bis 19 Uhr. 1956 wurde in Deutschlan­d das „Gesetz über den Ladenschlu­ss“verabschie­det, das seither nur geringfügi­g modifizier­t wurde, und den Sonntag grundsätzl­ich für verkaufsfr­ei erklärt. In Bayern gilt es noch heute.

Die Geschichte lehrt also, dass Verkaufsze­iten schon mal wesentlich großzügige­r gehandhabt wurden. Ehe man künftig die Schrauben noch fester anzieht, wäre es eine Haltung, die allen gerecht wird, den Istzustand als Kompromiss anzuerkenn­en: deutlich weniger Spielraum als im 19. Jahrhunder­t, aber mehr, als das strikte Ziel von Verdi vorsieht.

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