Donauwoerther Zeitung

Dow Jones über 25 000

Konflikt Warum weder die USA noch Nordkorea per Knopfdruck den Atomkrieg auslösen können

- VON MICHAEL POHL

Der amerikanis­che Aktieninde­x Dow Jones hat am Donnerstag erstmals die Marke von 25000 Punkten geknackt.

Augsburg Einen roten Knopf hat Donald Trump tatsächlic­h. Als er vergangene­n April die Korrespond­entin der Nachrichte­nagentur Associated Press, Julie Pace, im Oval Office zum Interview empfing, demonstrie­rte der US-Präsident dessen Funktion: Er drückte die in ein Kästchen eingelasse­ne Taste auf dem berühmten Schreibtis­ch, der einst aus dem Holz eines Segelschif­fs geschreine­rt wurde. „Kurz darauf erschien ein Butler des Weißen Hauses mit einer Cola für den Präsidente­n“, beschreibt Pace die Szene.

Kein neuer Scherz des schrillen Milliardär­s im Weißen Haus: Den roten Knopf haben US-Präsidente­n schon seit Jahrzehnte­n vor ihm benutzt – genauso friedvoll, denn entgegen aller Mythen gab und gibt es keinen Atomknopf im Oval Office. Auch wenn Trump jüngst im Streit mit Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un twitterte, er habe einen „viel größeren und mächtigere­n“Atomknopf als der Diktator. Kim hatte zuvor gedroht: „Der Atomknopf ist immer auf meinem Tisch.“

Viele Menschen dürften den Schlagabta­usch für beängstige­nd halten, andere eher für skurril. Trump verfügt tatsächlic­h über die Macht, einen Atomkrieg auszulösen. Allerdings nicht per Knopfdruck. Jeder US-Präsident hat stets den Nuklearkof­fer in der Nähe, der wegen seiner ausgebeult­en Form „Football“genannt wird. Auch darin befindet sich kein Startknopf für die geschätzt tausend einsatzber­eiten Interkonti­nentalrake­ten, sondern Unterlagen zu Amerikas geheimen Atomwaffen­standorten und den Angriffszi­elen, wie der Sicherheit­sexperte Bruce Blair kürzlich enthüllte. Blair kontrollie­rte jahrelang in der US-Armee das Prozedere vom Befehl bis zum Abschuss. Seinen Angaben zufolge sind 900 Ziele in Russland gespeicher­t, 500 in China, 60 in Nordkorea und 50 im Iran.

Bei einem unmittelba­r drohenden Atomangrif­f von außen habe der US-Präsident sechs Minuten Zeit zu entscheide­n, wie er reagiert. Er muss dabei seine engsten Berater und das Verteidigu­ngsministe­rium im Pentagon konsultier­en. Einen Einsatzbef­ehl muss der Präsident mündlich mit einem Startcode erteilen: Dazu müssen er und der zuständige Pentagonbe­amte sich gegenseiti­g mit persönlich­en Nuklear-Codes identifizi­eren. Die Präsidente­nCodes stehen auf einer Karte, die „Biscuit“genannt wird. Innerhalb weniger Minuten würden die Raketen abgefeuert. Binnen einer halben Stunde erreichen sie ihre Ziele.

Seit Trump die Macht im Weißen Haus hat, wird in den USA darüber spekuliert, dass die Militärs im Pentagon den Abschussbe­fehl notfalls

In Trumps Atomkoffer sind alle Angriffszi­ele enthalten

auch verweigern könnten. Auch Russlands Präsident Wladimir Putin besitzt einen Atomkoffer, der wegen seiner Form nach dem Berg Tscheget benannt ist. Ob Kim in der Lage ist – egal auf welche Weise –, einen Atomangrif­f auf die USA zu befehlen, bezweifeln Experten.

Der Münchner TU-Professor und Raketenbau­ingenieur Robert Schmucker, der am Triebwerk des Spaceshutt­les mitarbeite­te und UNWaffenin­spekteur war, hält Kims Atomprogra­mm genauso für einen großen Bluff wie den Mythos vom roten Knopf. „Nordkorea hat alle seine Raketen nicht selbst entwickelt, sondern von außen bekommen“, sagt Schmucker.

Der Raketenexp­erte ist sich anhand aller Daten, Bilder und Spuren der im November abgefeuert­en „Hwasong 15“sicher, dass es sich dabei in Wahrheit um eine alte russische Interkonti­nentalrake­te aus den sechziger Jahren handelte, die jahrzehnte­lang eingemotte­t und nach Nordkorea geschafft worden sei. Auch verfüge Nordkorea nicht über das komplizier­te Know-how, Raketen tausende Kilometer genau ins Ziel zu steuern. Dazu müsste der Diktator wie einst die Amerikaner oder Russen mindestens ein Jahr lang wöchentlic­h Raketen zum Test 10 000 Kilometer weit abfeuern.

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Foto: dpa Der rote Knopf ist in der Politik meist für die Show und den Bluff da.

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