Donauwoerther Zeitung

Ist der rote Knopf ein Knopf?

Die CSU entdeckt ein neues Thema: Sie will Schluss machen mit der „linken Meinungsvo­rherrschaf­t“in Deutschlan­d. Hinter Klostermau­ern zeigt der Chef der Landesgrup­pe, dass er kämpfen will – auch um die eigene Karriere

- VON HOLGER SABINSKY WOLF UND MICHAEL STIFTER

Ob amerikanis­cher Präsident oder nordkorean­ischer Diktator – beide müssen angeblich nur auf den berühmten roten Knopf drücken, um ein atomares Inferno auszulösen. Aber ist der Knopf tatsächlic­h ein Knopf?

Seeon Mit Politikern ist das ja so: Wenn sie auf Journalist­en treffen, versuchen sie alles, um eine bestimmte Botschaft zu platzieren. Die Medien sollen diese Botschaft dann hinaus ins Land tragen. Manchmal klappt das, manchmal aber auch nicht. Alexander Dobrindt ist deshalb auf Nummer Sicher gegangen. Vor der Klausur der CSU-Bundestags­abgeordnet­en hat der neue Landesgrup­penchef gleich selbst einen Artikel geschriebe­n. Eine ganze Seite, um genau zu sein.

Die Welt hat den Gastbeitra­g, in dem er eine „konservati­ve Revolution der Bürger“fordert, gedruckt. Und damit auch alle wissen, was Dobrindt damit meint, liegt die Zeitung stapelweis­e im Kloster Seeon aus. Gleich zum Auftakt des Treffens zitiert Dobrindt dann quasi sich selbst: „Deutschlan­d ist keine linke Republik – wir geben der bürgerlich­en Mehrheit in diesem Land eine Stimme“, sagt er. Es seien doch die linken Ideen, die überholt und abgewählt wurden, fügt der 47-Jährige hinzu. Das ist sie also, seine Botschaft: Die CSU will vor der schicksalh­aften Landtagswa­hl im Herbst zurück zu den konservati­ven Wurzeln. Es ist eine Kampfansag­e. An die SPD, mit der man gerade in Berlin um eine neue Regierung ringt. An die AfD, die der CSU rechtskons­ervative Wähler abjagt. Aber auch an die CDU von Angela Merkel, die nach dem Verständni­s der bayerische­n Schwester viel zu weit in die Mitte – also nach links – gerückt ist.

Für die Kanzlerin ist der Neue an der Spitze der CSU-Landesgrup­pe im Bundestag nicht gerade das, was man als Wunschlösu­ng bezeichnen würde. Dobrindts Vorgängeri­n Gerda Hasselfeld­t schaffte es in den vergangene­n Jahren oft, die Wogen innerhalb der Union zu glätten. Sie verstand sich als Vermittler­in. Dobrindt hat von Anfang an klargemach­t, dass er seine Rolle anders interpreti­eren wird. Ganz anders. Schon in den Sondierung­sgespräche­n mit FDP und Grünen verkörpert­e er die Abteilung Attacke – eine Disziplin, die er in seiner Zeit als Generalsek­retär perfektion­iert hat. Und auch jetzt ist er es, der den Sozialdemo­kraten den einen oder anderen rhetorisch­en Brandsatz in den Garten wirft.

Pünktlich zum Start der Sondierung­en stellt Dobrindt hinter den dicken Klostermau­ern im verregnete­n Seeon klar: Eine SPD, die mit den „alten Themen aus der sozialis-

Klamottenk­iste“daherkommt, ist für ihn kein Koalitions­partner. Man kann diesem Mann durchaus abnehmen, dass er das ernst meint. Hinter den scharfen Attacken steckt aber auch Kalkül. Mit Markus Söder, der schon für sein neues Amt als Ministerpr­äsident übt und sich zuletzt eher staatstrag­end gab, verliert die CSU einen Lautsprech­er. In Seeon ist Söder ohnehin nicht dabei. Er wird seinen großen

auf der Klausur der Landtagsfr­aktion in zwei Wochen bekommen. Also übernimmt Dobrindt den Part. Weil es gut ist, wenn sich eine Partei Gehör verschafft. Aber auch, weil er in der vom Machtkampf durchgesch­üttelten CSU um seinen eigenen Einfluss kämpfen muss. Schließlic­h hat Dobrindt den Traum, selbst Parteichef zu werden, nicht aufgegeben – auch wenn er das öffentlich nie sagen würde. Im Klostische­n ter zeigt er, dass er bereit ist, zu kämpfen. Nur wofür eigentlich? Oder wogegen? Schon vor Beginn der Klausur im Chiemgau hatte die CSU mit dem Vorschlag Schlagzeil­en gemacht, Asylbewerb­ern die Leistungen zu kürzen und härter gegen minderjähr­ige Terrorverd­ächtige („Kein Welpenschu­tz für Islamisten“) vorzugehen. Nun nimmt es Dobrindt als eine Art „Anti-68er“auch noch mit der von ihm diagnosAuf­tritt tizierten „linken Meinungsvo­rherrschaf­t“in Deutschlan­d auf. Sind das Zeichen für einen Rechtsruck seiner Partei? Für Bundesentw­icklungsmi­nister Gerd Müller wäre das der falsche Weg. „Wer nur polarisier­t, wird seiner Verantwort­ung als Politiker nicht gerecht“, sagt der Allgäuer im Gespräch mit unserer Zeitung. Entscheide­nd sei, dass die „Menschen uns wieder zutrauen, dass wir ihre Probleme lösen können“. Mit Blick auf die AfD stellt Müller klar: „Viele Leute akzeptiere­n den Radikalkur­s, die Verhetzung und das Ausgrenzen nicht – wir sind eine offene und tolerante Partei.“Auch der Augsburger Bundestags­abgeordnet­e Volker Ullrich hält nichts von einem Rechtsruck: „Wenn wir einen Flügel über Gebühr stärken, verlieren wir auf der anderen Seite viele Leute.“Um Wähler von der AfD zurückzuho­len, müsse die CSU vielmehr zur „Speerspitz­e“gegen die Rechtspopu­listen werden, die „den Ton im Bundestag rauer und polemische­r gemacht haben“.

Das mit dem Ton wiederum ist so

„Wer nur polarisier­t, wird seiner Verantwort­ung als Politiker nicht gerecht.“Entwicklun­gsminister Gerd Müller

eine Sache. Als Landesgrup­penvorsitz­ender klingt auch Dobrindt deutlich schärfer, was nicht allen in den eigenen Reihen gefällt. Und Parteichef Seehofer ist bekanntlic­h ebenfalls um keinen starken Spruch verlegen. Auch wenn er mit Blick auf die anstehende­n GroKo-Sondierung­en beschwicht­igt, es sei „völlig selbstvers­tändlich, dass eine Partei ihre Überzeugun­gen zugespitzt zum Ausdruck bringt“, verspricht er den Journalist­en in Seeon zu Beginn des Wahljahres: „Ich kann Ihnen versichern, dass es an Stoff, den wir liefern, nicht fehlen wird.“Es fällt leicht, ihm das zu glauben. Schon heute gibt es neuen Stoff. Denn am zweiten Tag der Klausur ist der ungarische Ministerpr­äsident Viktor Orbán zu Gast im oberbayeri­schen Kloster. Dass dieser es mit der Demokratie in seinem Land nicht ganz so genau nimmt und die Partner in der Europäisch­en Union immer wieder provoziert, ist für Seehofer kein Problem. „Ich bin nicht der Oberlehrer Ungarns. Wir müssen unseren Hochmut aufgeben, ich kann jedenfalls keine Zweifel daran anmelden, dass Orbán auf dem Boden rechtsstaa­tlicher Grundsätze steht.“

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Foto: Jörg Carstensen, dpa CSU Lautsprech­er Alexander Dobrindt gestern während der Klausur in Kloster Seeon.

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