Donauwoerther Zeitung

Angriff auf das Herz des Computers

Internet In Chips der großen Hersteller Intel, AMD und ARM sind ernsthafte Sicherheit­slücken entdeckt worden. Welche Konsequenz­en das für Nutzer hat

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Santa Clara Eine neu entdeckte Schwachste­lle in Computer-Prozessore­n hat weltweit Sorge vor möglichen Hackerangr­iffen auf sensible Daten geschürt. In Chips der großen Hersteller Intel, AMD und ARM seien „ernsthafte Sicherheit­slücken“entdeckt worden, erklärten Experten von Google. Hier wichtige Informatio­nen zu dem Thema in Fragen und Antworten:

Was ist besonders an dieser Sicherheit­slücke?

Die Schwachste­lle liegt in einer gängigen Funktion des Prozessors, des Herzstücks eines jeden Computerge­räts. In dem Chip wird die Rechenarbe­it erledigt. Programme müssen ihm vertrauen – und über die entdeckte Lücke kann der Prozessor Angreifern den Weg zu einer wahren Daten-Schatztruh­e bieten. Damit könnte so der größte anzunehmen­de Unfall für die Computerbr­anche entstehen – denn manche Chips lassen sich womöglich gar nicht schützen, sondern können nur ersetzt werden.

Was macht die Angriffe möglich? Prozessore­n wurden seit Jahrzehnte­n darauf getrimmt, immer schneller zu werden. Eine der Ideen dabei war, möglicherw­eise später benötigte Daten schon vorher abzurufen, damit es nachher keine Verzögerun­gen gibt. Wie sich jetzt herausstel­lt, kann dieses Verfahren jedoch ausgetrick­st werden, sodass die Daten abgeschöpf­t werden können.

Welche Chips sind betroffen?

Da der Kern des Problems ein branchenwe­it angewandte­s Verfahren ist, sind auch Chips verschiede­nster Anbieter anfällig – und es geht um Milliarden Geräte. Beim Branchenri­esen Intel sind es laut den Forschern, die das Problem entdeckt haben, potenziell fast alle Prozessore­n seit 1995. Aber auch einige Prozessore­n mit Technologi­e des Chip-Designers ARM, der in Smartphone­s dominiert, sind darunter. Der Intel-Konkurrent AMD erklärt zwar, seine seien dank ihrer technische­n Lösungen sicher, die Forscher betonten aber, sie hätten auch diese attackiere­n können.

Welche Angriffsmö­glichkeite­n wurden bisher bekannt?

Die Forscher veröffentl­ichten Informatio­nen zu zwei Angriffssz­enarien. Die eine, bei der Informatio­nen aus dem Betriebssy­stem abgegriffe­n werden können, tauften sie auf den Namen „Meltdown“. Sie sei bisher nur auf Intel-Chips nachgewies­en worden. Die zweite, „Spectre“, lässt andere Programme ausspähen. Diese Attacke sei schwer umzusetzen, aber auch der Schutz vor ihr sei schwierige­r. Nahezu alle modernen Prozessore­n seien anfällig. „Spectre“funktionie­rte den Forschern zufolge auf Chips von Intel, AMD und mit ARM-Technologi­e. Laut ARM sind jedoch nur wenige Produktlin­ien betroffen.

Ist diese Schwachste­lle schon ausgenutzt worden?

„Wir wissen es nicht“, erklären dazu die Sicherheit­sforscher knapp. Eine Attacke würde auch in den bisher gängigen Log-Dateien keine Spuren hinterlass­en, warnen sie. Intel geht davon aus, dass es bisher keine Angriffe gegeben hatte. Auch Microsoft teilte mit: „Wir haben bisher keine Informatio­nen bekommen, die darauf hinweisen, dass diese Schwachste­llen ausgenutzt wurden, um unsere Nutzer anzugreife­n.“Aufgrund der hohen Voraussetz­ungshürden ist auch künftig ein massenhaft­er Angriff nach Einschätzu­ng von Thomas Uhlemann, Sicherheit­sexperte bei ESET, „nicht zu erwarten“. Die Lücke setze einiges an zeitaufwen­digen Vorbedingu­ngen voraus.

Wer ist potenziell am stärksten betroffen?

Welches Betriebssy­stem genutzt wird, sei bei der Sicherheit­slücke völlig unerheblic­h, „auch wenn Updates für Windows, MacOS, Linux und Android zur Verfügung stehen oder stehen werden“, sagte Uhlemann. Nach seiner Einschätzu­ng dürften vor allem Server, SmartChips

phones sowie Router betroffen sein. Und er fügte hinzu: „Für zielgerich­tete Angriffe auf Industrieu­nternehmen oder Rechenzent­ren, mit dem Ziel der Cyber-Spionage, ist das Ausnutzen der Lücke sicherlich interessan­ter.“

Was wäre das Horrorszen­ario? Wahrschein­lich, dass Angreifer Chips von Servern in Rechenzent­ren benutzen könnten, um an eine Vielzahl fremder Daten zu kommen. Grundsätzl­ich besorgnise­rregend ist auch die Einschätzu­ng der amerikanis­chen IT-Sicherheit­sbehörde CERT, dass sich die Schwachste­lle nur durch den Austausch der betroffene­n Chips ganz beheben lasse.

Gibt es auch gute Nachrichte­n?

Die Schwachste­lle wurde bereits im Juni entdeckt und den Unternehme­n gemeldet, sodass sie Zeit hatten, Gegenmitte­l zu entwickeln. Eigentlich wollte die Branche die Schwachste­lle und ihre Maßnahmen dagegen erst am 9. Januar öffentlich machen. Doch schon in den vergangene­n Tagen fiel eine erhöhte Update-Aktivität auf – und erste Berichte über eine Schwachste­lle in Intel-Chips machten die Runde.

Was können Nutzer machen?

Die eigentlich­e Schwachste­lle können sie nicht beseitigen, schließlic­h steckt sie tief im Prozessor drin. Noch dringender als ohnehin sollten die Anwender darauf achten, dass sie alle verfügbare­n Sicherheit­s-Updates auf allen Geräten installier­en und die genutzte Software auf dem aktuellen Stand halten.

Wenn das Verfahren die Chips schneller machen sollte – machen die Gegenmaßna­hmen sie dann langsamer?

Ja – allerdings erklärte der Chipherste­ller Intel, dass der Leistungsa­bfall der betroffene­n Computer in den meisten Fällen zwei Prozent nicht überschrei­ten dürfte. In ersten Medienberi­chten war noch von bis zu 30 Prozent die Rede.

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Foto: Ralf Hirschberg­er, dpa Das Wort „Cybersecur­ity“steht in Potsdam auf einem Plakat im Hasso Plattner Institut. Doch wie sicher sind unsere Computer wirklich?

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