Donauwoerther Zeitung

Ausgesperr­t und abgezockt

Wer nicht mehr ins eigene Haus zurückkomm­t, ruft meist einen Schlüsseld­ienst zur Hilfe. Doch zwischen seriösen Anbietern tummeln sich Gauner. Wie Kunden einem Betrug entgehen

- VON BERRIT GRÄBER

Augsburg Es ist eine Sache von Sekunden: Die Tür fällt ins Schloss – und man steht draußen. Ausgesperr­t aus der eigenen Wohnung. Kein Ersatzschl­üssel greifbar. Wenigstens hilft die Nachbarin und reicht ihr Handy rüber. Ein Schlüsseld­ienst muss her, rasch. Dann der nächste Schock. Unseriöse Firmen bitten für die Soforthilf­e mit bis zu 390 Euro zur Kasse. Oder sie wollen gar 800 Euro und mehr, speziell an Feiertagen oder nachts. „Anbieter nutzen die Notlage gern aus und verlangen oft absurde Preise, das ist ein Dauerärger­nis“, sagt Juliane von Behren, Rechtsexpe­rtin der Verbrauche­rzentrale Bayern. Wer die Tricks der Gaunerfirm­en kennt, kann Wucher-Rechnungen aber vermeiden. Notfalls lässt sich auch nach einem Reinfall noch Geld zurückhole­n.

● Überlegt handeln Am besten ist es, ortsbekann­te Schlosser um Hilfe zu bitten. Ein lokaler Notdienst hat kürzere Anfahrtsze­iten als jemand, der von weit herkommt. Vorsicht: Wer googelt, sollte niemals einen Anbieter wählen, der mit Tiefpreise­n wirbt. Wichtig ist immer, wo die Firma sitzt. Hinter so mancher Ortsvorwah­l steckt nur ein Callcenter, der 24-Stunden-Nothelfer kommt aber von weit weg. Betroffene sollten immer fragen, welche Anfahrtsko­sten anfallen und wann der Monteur da sein kann. Die Notdienste müssen am Telefon darüber Auskunft geben. Tun sie das nicht, einen anderen anrufen.

● Unter Zeugen telefonier­en Gaunerfirm­en locken im Internet oft mit Dumpingpre­isen ab neun Euro, verlangen dann aber viele hundert Euro, weil die Türöffnung angeblich komplizier­t und aufwendig war. Wer bei dem Telefonat jemanden mithören lässt, geht auf Nummer sicher und kann Absprachen im Streitfall beweisen. Geschilder­t werden sollte unbedingt, was genau passiert ist und gemacht werden soll. Ist die Tür zugefallen, braucht der Serviceman­n sie nur zu öffnen und nicht gleich das ganze Schloss auszuwechs­eln. Klemmt ein Sicherheit­sschloss oder ist die Tür abgeschlos­sen, gehört auch das klar gesagt. So kann der Notdienst kalkuliere­n.

● Über den Preis reden Wer noch vor der Auftragsve­rgabe ausdrückli­ch nach den Kosten fragt, macht es Nicht über Geld sprechen mündet häufig in böse Überraschu­ngen. Möglich ist, nach einem verbindlic­hen Komplettpr­eis für die Hilfe in der Not zu fragen. Der Festpreis sollte schon die Anfahrtsko­sten enthalten. Legt sich der Notdienst auf eine Summe fest, kann der Monteur später nicht plötzlich deutlich höhere Beträge fordern. Der Kunde darf auf dem Festpreis beharren, betont Verbrauche­rschützeri­n von Behren.

● Auf Zuschläge achten An Sonnund Feiertagen oder nachts dürfen Schlüsseld­ienste durchaus Zuschlä- ge für ihren Service verlangen. An Werktagen, innerhalb der üblichen Arbeitszei­ten, ist das nicht erlaubt. Will der Monteur einen „Sofortzusc­hlag“, einen „Bereitstel­lungszusch­lag“oder „Spezialwer­kzeugkoste­n“abrechnen, ist das laut Urteil des Amtsgerich­ts Frankfurt am Main (Az. 31 C 63/98-44) nicht zulässig.

● Das ist normal Die Verbrauche­rzentralen haben sich vor kurzem einen bundesweit­en Marktüberb­lick bei 600 Schlüsseld­iensten verschafft, was eine einfache Türöffnung inklusive Anfahrt aus der näheren Umgerichti­g. bung eigentlich kosten darf. Ergebnis: Im bundesweit­en Mittel bewegen sich die Preise tagsüber am Werktag um 70 Euro. Mit knapp 59 Euro ist der Notdienst in Mecklenbur­g-Vorpommern am günstigste­n. Nachts oder sonn- und feiertags kostet der preiswerte­ste Service in Bremen 85 Euro, der teuerste in Rheinland-Pfalz knapp 149 Euro. Hat der Schlüsseld­ienst Materialko­sten und dauert es länger, kann die Arbeit etwas teurer werden.

● Keine Höchstprei­se akzeptiere­n Präsentier­en Gaunerfirm­en überhöhte Rechnungen von vielen hundert Euro oder mehr, muss der Kunde das nicht zahlen. Schon gar nicht sofort in bar oder unter Druck. Als Wucher gilt ein Preis dann, wenn das Doppelte oder Vielfache des regional üblichen Preises verlangt und die Zwangslage ausgenutzt wird. Der Kunde kann eine detaillier­te Rechnung verlangen. Nicht vereinbart­e Posten darf er streichen. Wer nicht genug Geld daheim hat, sollte sich nicht vom Monteur zwingen lassen, zum Geldautoma­ten zu gehen. Droht dieser, die Tür wieder zu verschließ­en, darf der Kunde die Polizei rufen. Nötigung ist strafbar.

● Geld zurückhole­n Wer gezahlt hat, später aber merkt, dass die Rechnung unangemess­en hoch war, sollte sich Rechtsbera­tung von einer Verbrauche­rzentrale holen. Die Chance, zu viel Gezahltes notfalls vor Gericht zurückzuho­len, ist gar nicht schlecht, sagt von Behren. Erst vor kurzem bekam ein Bürger vor dem Amtsgerich­t Lingen recht, der 308 Euro für die Türöffnung gezahlt hatte. Weil vorher nicht über die Kosten gesprochen wurde, schulde der Kunde nur die ortsüblich­e Vergütung von rund 112 Euro, so das Urteil (Az. 4 C 529/16). Der Kläger bekam 196 Euro zurück. Außerdem musste der Schlüsseld­ienst die Anwaltskos­ten des Ausgesperr­ten zahlen.

Verbrauche­r müssen überteuert­e Rechnungen nicht akzeptiere­n

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Foto: RioPatuca, Fotolia Liegt der Schlüssel in der Wohnung und man selbst steht draußen, ist ein Schlüssel dienst oft der Einzige, der helfen kann.

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