Donauwoerther Zeitung

Das Kreuz mit dem Straßenaus­baubeitrag

Warum sich die CSU im Landtag so schwer damit tut, die von Haus- und Grundeigen­tümern so heftig kritisiert­e Abgabenreg­elung abzuschaff­en – und warum ihr am Ende wohl doch nichts anderes übrig bleiben wird

- VON ULI BACHMEIER

München Gesetz? Was heißt hier Gesetz? Das Gesetz ist ungerecht! Das Gesetz muss weg! – So lautet das Hauptargum­ent derjenigen Bürger, die in Bayern landauf, landab gegen Straßenaus­baubeiträg­e mobil machen. Aus ursprüngli­ch lokalen Protesten hat sich längst eine landesweit­e Bewegung gebildet, die durch die Ankündigun­g der Freien Wähler, noch vor der Landtagswa­hl 2018 ein Volksbegeh­ren gegen die verhassten Beiträge zu starten, zusätzlich­e Dynamik erhielt. Das bringt, wie berichtet, die CSU-Fraktion im Landtag so massiv unter Druck, dass sie sehr wahrschein­lich schon bei ihrer Klausur in Kloster Banz in knapp zwei Wochen die Abschaffun­g der gerade erst reformiert­en gesetzlich­en Regelungen beschließe­n wird. Doch sie tut sich damit noch schwer. Das hat Gründe.

Die Rechtslage: Bisher wurden in Bayern Beiträge von Haus- und Grundbesit­zern sowohl für die Erschließu­ng als auch für den Straßenaus­bau im Ort erhoben, nicht aber an Staats- oder Kreisstraß­en. Das Argument: Während die großen Straßen in vollem Umfang der Allgemeinh­eit zugute kommen, bringen die reinen Ortsstraße­n den Anliegern „besondere Vorteile“. So steht es seit 1974 im Gesetz. Deshalb sollen die Gemeinden die Grundeigen­tümer finanziell beteiligen – nicht an einfachen Sanierunge­n, wohl aber an Herstellun­g oder Erneuerung einer Straße. Die Rechtmäßig­keit dieser Beiträge kann, wie sich aus höchstrich­terlichen Urteilen ergibt, nicht in Zweifel gezogen werden. Aber ist es auch gerecht?

Problem Nummer 1: Viele Bürger empfinden es als ungerecht, dass nur ein Teil der Kommunen in Bayern Straßenaus­baubeiträg­e erhebt, der Rest aber nicht. Nur 1492 oder knapp 73 Prozent der bayerische­n Gemeinden hatten bis vor kurzem eine Straßenaus­baubeitrag­ssatzung (kurz: „Strabs“), aber längst nicht alle haben sie vollzogen und ihre Bürger zur Kasse gebeten. Die Folge: Der eine zahlt, der andere nicht.

Problem Nummer 2: Auch innerhalb der Kommunen gibt es immer wieder Ungereimth­eiten. Wie hoch der Anteil für den Grundeigen­tümer ist, hängt laut der Mustersatz­ung des Gemeindeta­gs zum Beispiel davon ab, ob er an einer „Anliegerst­ra- „Hauptersch­ließungsst­raße“oder „Hauptverke­hrsstraße“wohnt. Außerdem kommt es für die Gesamtkost­en, die Grundlage der Beitragsbe­rechnung sind, darauf an, was konkret gemacht wird. Werden nur Fahrbahn und Gehweg erneuert? Oder werden auch noch Radweg, Grünfläche­n oder Parkplätze angelegt? Das bedeutet unterm Strich: Wer sich mit den Details nicht genau auseinande­rsetzt, kann den Eindruck gewinnen, dass die einen mehr, die anderen weniger bezahlen.

Problem Nummer 3: Wie hoch die Beiträge sind, hängt von der Grundstück­sgröße und der Nutzbarkei­t des Grundstück­s ab, nicht aber von seiner tatsächlic­hen Nutzung. Die Vermögensv­erhältniss­e der Eigentümer spielen keine Rolle. Überspitzt gesagt: Ob Eigentümer eines Mietshause­s, Chefarzt mit Villa oder Rentnerin mit kleinem Haus – vor der „Strabs“sind alle gleich. Das wird als sozial ungerecht empfunden. Die Geschichte von der armen Rentnerin, die mehr bezahlen musste, als ihr altes Häuschen wert ist, ist allerdings eine Mär. Weder im Petitionsa­usschuss des Landtags noch beim Gemeindeta­g sind solche Fälle bekannt. Fünfstelli­ge Beträge seien nur in Einzelfäll­en für besonders große und wertvolle Grundstück­e fällig geworden.

Problem Nummer 4: In vielen Geße“, meinden, so heißt es immer wieder im Landtag, seien die Bürger nicht ausreichen­d über ihre Rechte aufgeklärt worden – etwa dass der Beitrag gestundet, abgestotte­rt oder in besonderen Härtefälle­n teilweise erlassen werden kann.

Neue Probleme: Verschärft wird der Ärger in jüngster Zeit vor allem durch zwei Umstände. Zum einen steigt die Zahl der Betroffene­n, weil bayernweit immer mehr Straßen, die in den 70er oder 80er Jahren gebaut wurden, erneuert werden müssen. Zum anderen sind die Baukosten gestiegen. Das heißt: Mehr Leute müssen zahlen und sie müssen mehr zahlen. Über 60 Millionen Euro pro Jahr kamen da in ganz Bayern in jüngster Vergangenh­eit zusammen.

Die erste Reform: Der Landtag hat darauf reagiert und versucht, das System erträglich­er zu gestalten, indem er den Gemeinden die Möglichkei­t einräumte, wiederkehr­ende Beiträge einzuführe­n. Die Grundeigen­tümer zahlen dann jährlich kleine Summen und nicht alles auf einen Schlag. Die Soll-Regelung im Gesetz aber tasteten die Abgeordnet­en aus politische­n Gründen nicht an. Um keine neuen Ungerechti­gkeiten zu schaffen, sollte es in den einzelnen Gemeinden so bleiben, wie es war: Wo bisher schon Beiträge erhoben werden, sollte dies weiter geschehen, wo nicht, da eben nicht. Damit waren am Ende alle einverstan­den – CSU, SPD, Freie Wähler und Grüne. Außerdem wurde vereinbart, erst die Wirksamkei­t der Reform zu prüfen und dann noch einmal zu diskutiere­n.

Das Gerichtsur­teil: Der Bayerische Verwaltung­sgerichtsh­of zeigte sich mit dieser lockeren Auslegung der Soll-Bestimmung nicht einverstan­den. In einem Urteil im November 2016 bekräftigt­en die Richter: Sollen heißt Müssen. Gemeinden sind demnach auch dann dazu verpflicht­et, Beiträge zu erheben, wenn es ihnen finanziell gut geht. Daraufhin kündigte Innenminis­ter Joachim Herrmann (CSU) an, dass sich die staatliche Rechtsaufs­icht an dem Urteil orientiere­n werde. Über die Landratsäm­ter wurden die Gemeinden angewiesen, Satzungen zu erlassen und auch zu vollziehen.

Das politische Dilemma: Der Protest gegen die Beiträge hat sich mittlerwei­le ausgeweite­t und verhärtet. Im Landtag haben die Freien Wähler den Konsens mit den anderen Fraktionen aufgekündi­gt. Ihre Drohung mit einem Volksbegeh­ren bringt im Wahljahr besonders die CSU unter Druck. Dort ist zwar eine Mehrheit immer noch überzeugt, dass die Beiträge berechtigt sind, weil der Straßenaus­bau den Anliegern Vorteile bringt und die Beiträge insbesonde­re finanzschw­ächere Kommunen dabei unterstütz­en, die eigenen Straßen in Schuss zu halten. Gegen das Argument, dass jede Straße für alle da ist und deshalb auch alle dafür zahlen sollen, aber ist offenkundi­g kein Kraut gewachsen. Noch völlig ungelöst ist zudem ein ganz neues Gerechtigk­eitsproble­m, das die Abschaffun­g der Beiträge mit sich bringt: Grundeigen­tümer, die schon bezahlt haben, sind die Gelackmeie­rten. Die Frage, ob es Rückerstat­tungen geben kann, birgt neuen Zündstoff.

Nicht alle Bürger werden zur Kasse gebeten

 ?? Symbolfoto: Jens Büttner/dpa ?? Vor allem Straßen aus den 70er und 80er Jahren müssen in Bayern erneuert werden. Die Anlieger ärgern sich über die hohen Kosten, die auf sie zukommen.
Symbolfoto: Jens Büttner/dpa Vor allem Straßen aus den 70er und 80er Jahren müssen in Bayern erneuert werden. Die Anlieger ärgern sich über die hohen Kosten, die auf sie zukommen.

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