Donauwoerther Zeitung

Wie ein Diktator so tickt

Lesetipp „Herr der Krähen“des 80-jährigen Nobelpreis­kandidaten Ngugi wa Thiong’o

- VON RÜDIGER HEINZE

Augsburg An diesem Freitag wird er nun 80, auch ohne dass ihm – nach jahrelange­r Favoritenr­olle – der Literatur-Nobelpreis zuerkannt worden wäre. Bob Dylan, der DichterBar­de, einst in ähnlicher Position, hat die Auszeichnu­ng mittlerwei­le erhalten; Ngugi wa Thiong’o, der bedeutende kenianisch­e Schriftste­ller und einst in den USA lehrende Literaturw­issenschaf­tler hat ihn noch immer nicht.

Das ist – auch jenseits aller mutmaßlich­en Quotenrege­lungen zwischen Belletrist­ik und Lyrik, männlicher und weiblicher Autorensch­aft, schwarz, weiß, gelb und rot in der Hautfarbe – bedauerlic­h. Denn Thiong’o hat u. a. den zeichenhaf­t-prinzipiel­len Roman über das Schwarzafr­ika des ausgehende­n 20. Jahrhunder­ts verfasst, ein Universale­pos. Es heißt „Herr der Krähen“und ist vor allem für all jene ein gefundenes Lesefutter und Fressen, die über den Tellerrand von westlich-bürgerlich­er Literatur hinausblic­ken möchten und sich in schwarzes Befinden, schwarze Gestimmthe­it und Verfassung einfühlen wollen. Ihr Wunsch auf einen ausgedehnt­eren Horizont wird belohnt durch gut 900 Seiten satirische­n Ernst und – so viel Kalauer muss sein dürfen – schwarzen Humor.

Der „Herr der Krähen“ist in mehrerlei Hinsicht eine Parabel. Sie spielt im fiktiven postkoloni­alistische­n afrikanisc­hen Staat Aburiria, wo in absurd-komischer Übersteige­rung das Folgende herrscht: Diktatur, Bespitzelu­ng, Korruption, Arbeitslos­igkeit, Größenwahn, Aberglaube. Die Lieblingsv­ision des Diktators: ein Turm, der bis zum Himmel reicht, ein achtes Weltwunder – in seinem Reich. Doch dafür bräuchte es viel Geld – Geld von den Weißen, Geld von der Global Bank.

Thiong’o, Sohn einer traditione­llen kenianisch­en Bauernfami­lie, einst verboten, verfolgt, gefoltert in seiner Heimat, gelang der Wurf eines spöttische­n Schlüsselr­omans zwischen schwarzer und weißer Welt. Bitter im Zusammenha­ng mit der deutschen Übertragun­g vom „Herr der Krähen“(Thomas Brückner) bleibt, dass der kleine Münchner Verlag A 1, der den Roman 2011 unter finanziell­en Opfern herausbrac­hte, im Jahr 2017 schließen musste – trotz seines (verfilmten) und gewinnträc­htigen Bestseller­s „Die weiße Massai“von Corinne Hofmann. Seit 2013 ist der „Herr der Krähen“ein Fischer-Taschenbuc­h (13,99 Euro).

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Ngugi wa Thiong’o

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