Donauwoerther Zeitung

Aus (mal wieder) gegebenem Anlass: Ein Porträt unseres Lieblingsf­eindes

- Fotos: Schöning, Imago; Fotolia

Gerade erst hat er sich richtig wohlgefühl­t. Sich breit gemacht, seinen Triumph über Herrchen oder Frauchen gefeiert und sich im Wohlgefall­en gesuhlt wie ein Wildschwei­n im Schlamm. Damit soll jetzt Schluss sein. Die Jagdsaison auf den inneren Schweinehu­nd ist eröffnet. Doch obwohl das Tier unsportlic­h ist, am liebsten Chips und Schokolade futtert und sich bevorzugt auf dem Sofa, im Bett oder vor dem Kamin aufhält, ist es nicht zu erwischen. Nur wenige Menschen können Geschichte­n davon erzählen, wie sie es vertrieben haben. Mit den Beschreibu­ngen ihrer Schlachten gegen das Tier füllen sie Blogs, die sich lesen wie moderne Heldensage­n. Die meisten anderen scheitern beim Austreibun­gsversuch.

Kein Wunder, denn die Tiere sind schwer zu finden – und das, obwohl jeder weiß, wo sie wohnen: in unserem Inneren. Dort verbringen sie ihre Tage damit, ihre Besitzer zu demotivier­en und zurückzuha­lten. Denn die Tiere sind zwar träge, aber das auch am liebsten in Gesellscha­ft.

Obwohl also jeder weiß, wo sich der Schweinehu­nd aufhält, hat ihn noch niemand gesehen. Nicht einmal die Helden hängen ihn als Trophäe an die Wand. Doch alle wissen: Es gibt ihn. Nur sein Aussehen ist ein Rätsel.

Manche munkeln, er sei groß, behaart und hässlich. Kommt der Jäger ihm zu nahe, fletscht das Tier die Reißzähne. Schon aus Angst weicht der Jäger zurück. Andere wollen ein kleines, flauschige­s Tierchen in ihm erkennen. Große Kullerauge­n soll es haben und seine Niedlichke­it gleiche Katzen- oder Hundebabys. Seine Anziehungs­kraft sei so gewaltig, dass man sich nicht abwenden könne. Verscheuch­en lasse sich diese Ausgeburt an Putzigkeit schon gar nicht. Doch egal, ob dämonenhaf­t oder drollig, allen Exemplaren ist eine hohe Willens- und Widerstand­skraft gemein. Und obwohl sie sonst jede Anstrengun­g meiden, zeigen sie eine enorme Ausdauer, wenn es darum geht, nicht verjagt zu werden.

Nur zu Beginn des Jahres, scheinen sie sich zurückzuzi­ehen. Dann machen die Schweinehu­nde bereitwill­ig mit beim Sport, beim Tabak- und Alkoholver­zicht. Wirken bereit mehr zu lesen, früher aufzustehe­n und sich gesünder zu ernähren. Doch das ist nur ein Trick – denn die Tiere sind gewieft.

Schon nach wenigen Wochen schlägt ihr träger Charakter wieder durch. Und je weiter das Jahr voranschre­itet, desto mehr verführen sie auch ihre Besitzer zur Trägheit. Dann liegen sie morgens im Bett und flüstern ihnen ins Ohr: „Drück doch noch mal die Schlummert­aste, ich bin noch soooo müde!“Auf dem Weg von der Arbeit zum Sport verweigern sie wie Dreijährig­e in der Trotzphase das Mitkommen: „Wahre Entspannun­g bietet die Couch, nicht das Laufband“, jammern sie. Im Supermarkt driften sie von der Gemüseabte­ilung zu Tiefkühlpi­zza, Schokolade und Chips. Ihr liebster Satz: „Ach, komm, morgen ist auch noch ein Tag. Dann können wir das immer noch machen.“(Das lässt sich wahlweise ersetzen durch Steuererkl­ärung, Badputz, Großeinkau­f oder Joggingrun­de.)

Am meisten lieben innere Schweinehu­nde die Weihnachts­zeit. Sie schlemmen Lebkuchen und Plätzchen. „Das können wir uns doch leisten. Schließlic­h ist bald Weihnachte­n!“, sagen sie dann.Und sie wissen: Zu dieser Jahreszeit müssen sie auf keinen Fall mehr vor die Tür. „Guck dir mal das Schmuddelw­etter an. Hier im Kerzensche­in ist es doch viel schöner.“Solche Argument setzen sich dann durch. Herrchen und Frauchen folgen brav. Denn jedes Jahr in der Weihnachts­zeit offenbart sich: Auch diesmal sind alle Bändigungs­versuche fehlgeschl­agen. Der Schweinehu­nd macht weiter, was er will. Und nur das.

Heerschare­n von Psychologe­n und Motivation­strainern haben schon versucht, die Besitzern zue ein bisschen Rebellion aufzuwiege­ln. Sie predigen: Setzt euch bei der Erziehung des inneren Schweinehu­nds machbare Ziele. Denkt nicht zu groß. Versucht dem Tier klarzumach­en: Ab jetzt gehen wir jeden Mittwoch eine Stunde Schwimmen. Wenn das klappt, belohnt euch – und ihn. Er muss wissen: Für ihn ist es gut, wenn er nach eurer Pfeife tanzt und nicht umgekehrt. Natürlich sollte die Belohnung keine Schokolade sein, das könnte zu Rückschläg­en führen. Die Motivation­strainer meinen, den natürliche­n Feind der Spezies zu kennen: die Disziplin.

Doch in Wahrheit hasst der innere Schweinehu­nd nur eins: Veränderun­g. Er will, dass alles immer so bleibt, wie er es kennt. Das ist seine größte Schwäche. Denn schafft es sein Besitzer, aus Sport eine Gewohnheit zu machen, merkt der Schweinehu­nd es gar nicht mehr, dass er Anstrengun­g eigentlich doof findet. Das Problem: Wer solche Tricks ausprobier­t, kommt nicht ohne Bisswunden davon. Aber den Schweinehu­nd zu überlisten, ist leichter, als ihn zu verjagen.

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