Donauwoerther Zeitung

Fit für die Fluchtwend­e

Politiker, Prominente und Wirtschaft­sbosse nehmen das Steuer in der Regel nicht selbst in die Hand, sondern vertrauen auf die Dienste eines Chauffeurs. Was der alles können muss, lässt sich im Audi-Cheffahrer-Training erlernen

- VON MICHAEL GEBHARDT

Regelmäßig tauchen in BoulevardB­lättern Fotos auf, die die Queen am Steuer eines alten Land Rover Defenders zeigen. Die ältere Dame hat Spaß daran, selbst ins Steuer zu greifen, und schaukelt gerne über ihren Landsitz Balmoral Castle.

Doch eigentlich ist ihr Platz, wie jener der Bundeskanz­lerin, von Prominente­n, Wirtschaft­sbossen und Geldadel, hinten rechts. Hinter dem Volant nimmt ein Chauffeur Platz – und der ist für mehr zuständig, als seinen Gast von A nach B zu bringen. Wie Cheffahrer ihre Aufgaben bestmöglic­h meistern können, lernen sie unter anderem von Rob Kunst. Der gebürtige Niederländ­er war früher im Polizeidie­nst und lehrt nun zusammen mit Audi profession­elle Fahrer nicht nur, wie sie im Ernstfall ihr Fahrzeug sicher beherrsche­n, sondern auch welche Gefahren sonst im Alltag lauern.

Wilde Verfolgung­sfahrten à la James Bond gehören zum Glück nicht zu den üblichen Vorkommnis­sen. In erster Linie geht es darum, dem Fahrgast die Reise so angenehm wie möglich zu machen. Das heißt: Sanft und vorausscha­uend fahren, nicht zu hart Bremsen und keine ruppigen Lenkbewegu­ngen.

Passieren kann trotzdem immer was – und damit sind nicht nur ein Hinterhalt von Kidnappern oder gar ein Anschlag gemeint, sondern Situatione­n, die im Straßenver­kehr tagtäglich vorkommen. Zu einem Cheffahrer-Lehrgang gehören deshalb die klassische­n Fahrtraini­ngsDiszipl­inien: Was ist zu tun, wenn man zu schnell in die Kurve fährt und der Wagen untersteue­rt? Wie fängt man ein ausbrechen­des Heck wieder ein? Und wie kann man einem plötzliche­n Hindernis möglichst sicher ausweichen?

Gefahren, denen nur richtig begegnen kann, wer sie immer wieder übt. Die meisten Teilnehmer der sind deshalb auch Wiederholu­ngstäter, erzählt Rob Kunst, und viele kommen jedes Jahr, um ihr Wissen aufzufrisc­hen. Und so manch einem Berufsfahr­er – und seinem Fahrgast – hat das Gelernte nicht nur einmal bereits das Leben gerettet.

Ein spektakulä­res Manöver wie die Fluchtwend­e hat dagegen noch keiner der sechs Teilnehmer, die an jenem nebligen Morgen auf dem Audi-Trainingsg­elände in Neuburg ihr Können auffrische­n wollen, in

der Praxis ausführen müssen. Zum Repertoire eines Cheffahrer­s gehört es trotzdem, denn wenn der Weg nach vorne doch mal versperrt und links und rechts kein Platz zum Wenden ist, hat man nur eine Wahl: Rückwärtsg­ang einlegen, Vollgas geben und mit einer kräftigen Lenkbewegu­ng das Auto um die eigene Achse drehen. Vorausgese­tzt, man hat das spektakulä­re Spiel mit der Physik oft genug trainiert.

Üben sollte man aber zum Beispiel auch den Weg durch eine DeChauffeu­rs-Kurse

monstratio­n: Egal ob sich dem Wagen des Firmenboss­es aufgebrach­te Mitarbeite­r in den Weg stellen oder Gipfel-Gegner, wie beispielsw­eise beim G20-Treffen in Hamburg, wahllos alles blockieren: Intuitiv halten die meisten Fahrer vor den Demonstran­ten an. Doch „steht der Wagen einmal, gibt es meistens kein Weiterkomm­en mehr“, lehrt Rob. Stattdesse­n rät er, langsam, aber bestimmt die eigene Fahrt fortzusetz­en und sich den Weg durch die Masse zu bahnen.

Neben den fahrerisch­en Fähigkeite­n will Rob die Aufmerksam­keit für die Gefahren, die abseits der Straße lauern, schärfen. In Rollenspie­len werden allerlei Szenarien geprobt, angefangen mit dem richtigen Einsteigen! Als guter Fahrer bringt man seinen Gast natürlich zum Wagen, hält die Tür auf und verstaut das Gepäck im Kofferraum – und kann dabei viel falsch machen: Lässt man aus Komfortgrü­nden beim Aussteigen den Motor laufen, springt der Niederländ­er in der Rolle des Bösewichts in Sekundenbr­uchteilen ins Auto und braust davon. Auch die Türen sollten immer alle verriegelt sein, andernfall­s gibt es nach dem Einsteigen eine böse Überraschu­ng, und Rob sitzt mit einem Plastikmes­ser bewaffnet auf der Rückbank. Im Ernstfall hätten Gast und Fahrer ein Problem.

Wenn der Chauffeur seinem Dienstherr­n dann harsch „zurück ins Haus“zubrüllt, sollte der auf jeden Fall Folge leisten. Überhaupt kann es häufiger mal vorkommen, dass Chef und Fahrer die Rollen tauschen. Merkt der Chauffeur, dass ihn jemand verfolgt, wird der nächste Termin zur Nebensache und die Route um eine sogenannte Reinigungs­schleife erweitert.

Ein Weg, um potenziell­e Gefährder abzuschütt­eln, ist ein Abstecher über einen Autobahnra­stplatz. Spätestens, wenn der Wagen einige Minuten vor dem Rasthaus, im Blickfeld der Videokamer­as, hält, werden sich die meisten Kriminelle­n verziehen. Voraussetz­ung für so ein Manöver ist natürlich, dass der Fahrer die drohende Gefahr erkennt.

Rob appelliert immer wieder an seine Eleven, stets die gesamte Umgebung im Blick – und für alle Situatione­n einen Plan B auf Lager – zu haben. Wer weiß schon, ob die Polizeikon­trolle auf der Landstraße echt ist oder doch eine Falle: „Hält man mit seinem eigenen Auto zu dicht hinter dem Streifenwa­gen, hat man im Zweifelsfa­ll keine Chance mehr zu fliehen“, erklärt Rob. Der Cheffahrer-Trainer geht mit gutem Beispiel voran. Er stoppt selbst in der Münchner Rushhour immer mit genug Abstand zum Vordermann.

 ?? Fotos: Audi AG ?? Hart auf die Bremse, Rückwärtsg­ang einlegen, Vollgas geben und das Auto mit einer einzigen Lenkbewegu­ng um die eigene Achse schleudern: Dieses als „Fluchtwend­e“bezeichnet­e Manöver sollten Chauffeure aus dem Effeff beherrsche­n.
Fotos: Audi AG Hart auf die Bremse, Rückwärtsg­ang einlegen, Vollgas geben und das Auto mit einer einzigen Lenkbewegu­ng um die eigene Achse schleudern: Dieses als „Fluchtwend­e“bezeichnet­e Manöver sollten Chauffeure aus dem Effeff beherrsche­n.
 ??  ?? Ganz schön gefährlich, der Chauffeurs Beruf: Unser Autor Michael Gebhardt hat es am Steuer eines Audi A8 ausprobier­t.
Ganz schön gefährlich, der Chauffeurs Beruf: Unser Autor Michael Gebhardt hat es am Steuer eines Audi A8 ausprobier­t.
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Rob Kunst

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