Reise ins Unbekannte
Erkundung der Welt anhand einer alten Landkarte
Andrea Böhm ist ein politscher Mensch. Sie arbeitete als Redakteurin für und Ihre Reportagen wurden mit dem Theodor-Wolff-Preis ausgezeichnet. Als Nahost-Korrespondentin berichtet sie derzeit für aus Beirut. Das muss man wissen, bevor man ihr Buch zur Hand nimmt. Denn Böhm ist nicht auf touristischen Wegen unterwegs – auch wenn Touristen ihr Buch unbedingt lesen sollten. Sie wagt sich in Gegenden, die vom Terror des IS bedroht sind, in Landschaften der Zerstörung, wo die Menschen in Ruinen hausen. Sie reist nach Somalia und nach Somaliland, das „für den Rest der Welt nicht existiert“. Sie trifft in Mogadischu und im chinesischen Guangzhou, im Libanon, in Palästina und im Irak auf Menschen, die sie durch ihren Lebensmut und ihr Engagement beeindrucken. Und überall stößt sie auf eine Vergangenheit, die bis in die Gegenwart reicht, den zerstörerischen Kolonialismus, die Allmachtsfantasien der USA und noch weiter zurück das Erbe des Commonwealth.
Doch Böhm blickt tiefer in die Geschichte, erzählt von untergegangenen Kulturen, von frühen Völkerwanderungen, uralten Reichen und Kriegen, immer wieder Kriegen. Ein Auf und Ab der Geschichte, das uns Heutigen zu denken geben sollte und das womöglich „das Ende der westlichen Weltordnung“vorweg nimmt. Sie berichtet von Umweltkatastrophen und kleinen Lichtblicken, vom Flüchtlingselend und vom Sommer in Beirut, den schon Camus gerühmt hat und den sie als „schwitzende Ökumene am Meer“ erlebt, „die auf einen Windzug hofft“. Am Ende nimmt sie ihre Leser mit auf einen Ausflug nach Nowa Amerika, das von Künstlern erfundene Fantasieland, „in dem Oder und Neiße nicht mehr die Grenze, sondern die Lebensader, das Zentrum darstellen“– eine Utopie, die „Geschichte von der Zukunft her erzählt“. Eine Wirklichkeitskonstruktion vor der Berliner Haustür, die über die westliche Perspektive hinausreicht. Gereist ist sie anhand der Weltkarte des venezianischen Mönches Mauro aus dem 15. Jahrhundert, in dem „schon einmal alte Wahrheiten ins Wanken gerieten“. Seine Mappa Mundi musste noch ohne die Neue Welt auskommen. Und dann ist Afrika oben und Europa unten. „Vielleicht ist schon dieser Gedanke eine Überforderung“, schreibt Andrea Böhm. In ihrem Buch hat sie sich darauf eingelassen.
» Andrea Böhm: Das Ende der westli chen Weltordnung – Eine Erkundung auf vier Kontinenten. Pantheon Verlag, 271 S., 17 ¤