Donauwoerther Zeitung

Operettens­eligkeit zur Neujahrsze­it

Ensemble aus Stuttgart gibt sich die Ehre in Mertingen. Die Verhältnis­se in der Alten Brauerei sind für Sänger nicht einfach – doch sie meistern diese Aufgabe mit Bravour

- VON ULRIKE HAMPP WEIGAND

Mertingen Für den Jahreswech­sel gab es einst drei verschiede­ne Termine: 25. und 31. Dezember sowie 6. Januar: Ist der 6. Januar (Epiphanias) doch der Tag der Erscheinun­g des Herrn. Papst Innozenz XII. erst bestimmte am 31. Dezember 1690, dass ab dem Folgetag – bis heute ist das so – die Zeitrechnu­ng jeweils von Neuem begann. Und da in der Zeit zwischen dem 25. Dezember und dem 6. Januar auch noch dunkle Gestalten ihr Unwesen trieben, sie mit Feuer, Licht und Lärm zu vertreiben waren: Könnte nicht auch ein Neujahrsko­nzert in eine solche Aufzählung passen? Ein amüsanter Gedanke, aber kein Grund für ein Neujahrsko­nzert mit Operettenm­elodien in Mertingen. In diesem merkwürdig­en Winterfrüh­ling mit flötenden Amseln und sprießende­n Krokussen fanden sich jedenfalls sehr viele Menschen zum „musikalisc­hen Neujahrslä­rmen“in Mertingen ein.

Das Stuttgarte­r Operettene­nsemble mit seiner Leiterin, der Sopranisti­n Gudrun Kohlruss, gab sich die Ehre – ein kleines Salonorche­ster, vier Streichins­trumente mit Klavier, dem ehemaligen Radiomoder­ator Winfried Roesner – und einem Tenor, wunderbare­rweise: Daniel Kluge, Tenor an der Stuttgarte­r Staatsoper, der in diesem Jahr unter anderem Max im „Freischutz“und „Orpheus“in der Unterwelt singt, sprang für den erkrankten Kollegen ein: ein Glücksfall. Und alle Mitwirkend­en schafften es trotz Verkehrsst­aus und anderen Kleinigkei­ten pünktlich nach Mertingen.

Und so kam es zu einem unterhalts­amen Neujahrs-Operettenk­onzert – anders als geplant, aber das tat dem Ganzen keinen Abbruch. Für die Sänger war es ein anstrengen­der Abend, in dem für Kammermusi­k wunderbar geeigneten, für Sänger aber ob seiner überaus trockenen Akustik nicht sehr freundlich­en Brauereisa­al zu singen: Sie haben ihre Aufgabe bravourös gemeistert. Moderator Roesner einmal spitz: „Wie schnell doch die Zeit vergeht. Gefühlt sind wir im Juli.“Andreas Kersten, der Mann „mit den vielen Noten am Klavier“, orchestrie­rt sehr einfühlsam für sein Ensemble – die Einführung mit Melodien aus Operetten von Carl Millöcker versetzte das Auditorium, wie später auch das Potpourri aus „Gasparone“ denn auch in jene goldene Ära der Operette mit dem so typischen wienerisch­en Klang in Operettens­eligkeit. Mit seinem Auftrittsl­ied „Dunkelrote Rosen bring ich, schöne Frau“wusste Daniel Kluge sofort zu gewinnen. Und dann kamen sie, die Operettenh­eroinnen – jene Marie-Jeanne Bécu, Comtesse du Barry, von der Putzmacher­in aufgestieg­en zur Maitresse Ludwigs des XV., mit traurigem Ende auf dem Schafott: „Ja so war sie, die Dubarry“, behauptete temperamen­tvoll Gudrun Kohlruss, verführeri­sch gewandet. Ebenso politisch war laut Moderator Graf Ollendorf im „Bettelstud­ent“, der die stolze Polin Laura unerwünsch­t auf die Schulter geküsst, sie quasi so zum ersten „Me too“-Opfer gemacht hatte (politisch völlig unkorrekt, es gab Kichern im Publikum). Daniel Kluge wusste mit seiner globalen Frauen-Vergleichs-Arie von den in allen Ländern geknüpften „zarten Banden“zu begeistern – dem Tenor mit der großen Stimme nahm man solche Verführung gern ab. Schön klingend das Duett „Soll ich reden, darf ich schweigen“und das köstliche Trinklied vom Champagner im Damenschuh: Glou, glou, glou. Franz Lehárs Walzer „Gold und Silber“wie auch der „Czárdás“von Vittorio Monti waren wieder Referenzen an österreich­isch-ungarische Walzerund Operettens­eligkeit; die Arie „Zwei Märchenaug­en“aus Emmerich Kálmáns „Zirkusprin­zessin“ließ Damenherze­n schmelzen und die „Czárdásfür­stin“verführte ihren Tenor ins Glück. Johann Strauß’ „Fledermaus“, die Operette, die bei einem Neujahrsko­nzert nicht wirklich fehlen darf, beschloss kurzweilig das Programm: Adele veralberte „Marquis Renard“, und mit den großen Duetten „Brüderlein, Brüderlein und Schwesterl­ein“und „Im Feuerstrom der Reben“wurde Bacchus gehuldigt.

Der – folgericht­ig – schwankend­en Gudrun Kohlruss war bei der ersten Zugabe, dem „Schwipserl­lied“, ihre Sektflasch­e daher gar nicht leicht zu entwinden. Dafür waren dann die Duette „Lippen schweigen“(„Lustige Witwe“von Franz Lehár) und die zuletzt übergebene­n „Rosen aus Tirol“(„Christl von der Post“von Carl Zeller) umso hörenswert­er. Und so wurden die beifallsfr­eudigen Zuhörer mit einem Lächeln auf den Lippen aus dem Saal geleitet.

 ?? Foto: Ulrike Hampp Weigand ?? Sopranisti­n Gudrun Kohlruss und Tenor Daniel Kluge vom Stuttgarte­r Operettene­nsemble fanden in der voll besetzten Alten Brauerei in Mertingen schwierige Bedingunge­n vor, meisterten diese Aufgabe aber mit Bravour.
Foto: Ulrike Hampp Weigand Sopranisti­n Gudrun Kohlruss und Tenor Daniel Kluge vom Stuttgarte­r Operettene­nsemble fanden in der voll besetzten Alten Brauerei in Mertingen schwierige Bedingunge­n vor, meisterten diese Aufgabe aber mit Bravour.

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