Sie hat die Heimat zu ihrem Beruf gemacht
Die Donauwörtherin Simone Egger lehrt sogar eigens an der Universität zu diesem Thema. Was es ausmacht
Die Donauwörtherin Simone Egger lehrt an Universitäten zum Heimatbegriff. Wir sprachen mit ihr – in der Heimatstadt.
Donauwörth Über „Heimat“lässt sich viel sagen. Ganze Bücher kann dieser Begriff füllen – und doch hat man den Eindruck, es sei noch nicht alles ausgesprochen. Simone Egger treibt das Thema seit Jahren um. Die 1979 geborene Kulturwissenschaftlerin kommt ursprünglich aus Donauwörth und hat vor einigen Jahren ein viel beachtetes Buch geschrieben: „Heimat – wie wir unseren Sehnsuchtsort immer wieder neu erfinden“. Grund genug, sich mit der Wissenschaftlerin intensiv zu unterhalten – natürlich in ihrem alten Heimatort Donauwörth. Keine Selbstverständlichkeit, denn ihr Forschungsschwerpunkt hat sie viel herumkommen lassen. Derzeit lehrt Egger in Klagenfurt am Wörthersee.
Momentan sind sie als Heimat-Expertin in ihrer Heimatstadt zu Gast. Ist es ein anderes Gefühl, hier zu sein als anderswo?
Egger: Donauwörth ist meine „erste Heimat“. Der Ort, an dem ich aufgewachsen bin, der mich als Kind prägte – und damit eine wichtige Phase im Leben. Es ist eine Welt, die ich nicht hinterfragen muss, sie erscheint mir vertraut und sicher. Das ist für alle Menschen etwas Besonderes.
Heimat wird oftmals ganz verschieden definiert. Stadt, Land, Region – oder ist es doch etwas ganz anderes? Egger: Ich würde auf einer anderen Ebene ansetzen. Es ist immer eine ganz persönliche Sache. Wissenschaftlich kann man feststellen: Grundlegend sind Sicherheit und Vertrauen. Ich würde Geborgenheit hinzufügen – wo dies alles erfahren wird, das ist wiederum unterschiedlich. Heimat hat aber auch zu tun mit dem Aktivwerden und mit der Zugehörigkeit, etwa zu einer Gruppe, zu einer Gemeinschaft. Das betrifft alle Menschen.
Hat Heimat denn nicht auch immer zu tun mit Herkunft, Kultur, Identität und Religion – oder ist diese Ansicht Ihrer Meinung nach zu traditionell? Egger: Nein, so traditionell ist sie eigentlich gar nicht. Es ist mitunter das ausschlaggebend, wie man ge- prägt und sozialisiert ist. Die Vertrautheit spielt eine wichtige Rolle. Heimat muss nichts Abgeschlossenes sein – es kann im Laufe eines Lebens etwas dazukommen. Es ist ein beweglicher Begriff. Sehen Sie: Vor 200 Jahren kannten die Christen das Lied „Stille Nacht“noch gar nicht – heute gehört es für viele zum Heimatbegriff.
Die Sehnsucht nach Heimat ist in die- ser globalisierten und für viele Menschen unübersichtlichen Welt wieder größer geworden, so scheint es. Gibt es ein neues Bedürfnis nach Heimat? Egger: Es gibt ein Bedürfnis nach Heimat – einige Wissenschaftler meinen, vor allem dann, wenn der Verlust droht. Diese Sichtweise ist mir etwas zu negativ. Ich denke, das Bedürfnis nach Geborgenheit als heimatliches Gefühl, das will man immer haben. Was die Globalisierung angeht: Man hat in den vergangenen Jahren den Wert des Regionalen wieder entdeckt. Das Bewusstsein für die Lebensmittel, für eine verträgliche, regionale Landwirtschaft sind Zeichen dafür.
Sie schreiben in Ihrem Buch, dass das Heimatrecht die Vorstellung des Begriffs ebenfalls stark geprägt hat ... Egger: In früheren Jahrhunderten – und bis hinein in das 20. Jahrhundert, war es mitunter so, dass man, wenn man in einen Ort zuzog, erst nach zehn Jahren ein unbegrenztes Aufenthaltsrecht bekam. Das hatte auch einen Fürsorge-Aspekt: Erst dann war die Gemeinde bei Problemen verpflichtet zur Unterstützung. Nach diesen zehn Jahren gehörte man also auch rechtlich enger dazu. Das hat auch etwas mit Ein- und Ausschluss zu tun. Das Heimatrecht hatte den Sinn und Wert, dass die Leute versorgt werden. Auch das hat eben wiederum viel mit Sicherheit zu tun. Der eine hatte sie, der andere nicht.
Aber Heimat hat doch eher etwas Romantisches in unserer Vorstellung ... Egger: Das steht zum einen nach wie vor in Zusammenhang mit einem romantisierenden Oberbayern-Bild, zum anderen hat es historische Gründe. Als mehr Menschen im 19. Jahrhundert in die Städte zogen, stieg das Bedürfnis nach dem Land. Auch die Brüder Grimm prägten das Bild – und die zeitgleiche Idee der deutschen Nation. Die Einheits-Bewegung hat den Heimatbegriff aufgenommen, ebenso wie der im 19. Jahrhundert aufkommende Fremdenverkehr. Die Regionen wollten ja auch Werbung für sich machen.
Gibt es etwas, was den Heimatort Donauwörth für Sie speziell macht? Egger: Es gibt hier Orte, mit denen Erinnerungen verbunden sind, wo Verbindungen bestehen, Orte, an denen man aktiv werden konnte – auch das Freibad oder das Juze.