Donauwoerther Zeitung

Vom Heim-Nachteil im Biathlon

- VON MILAN SAKO ms@augsburger allgemeine.de

Daheim ist es am gemütlichs­ten. Raus aus dem Anzug, rein in die Lümmelhose und je nach Geschmack ausspannen. Ein – natürlich immer gutes – Buch lesen, Essen mit der Familie und dann einen Film schauen. Auch Vanessa Hinz freute sich auf ihr Wohnzimmer. Das fällt etwas größer als gewöhnlich aus und nennt sich Chiemgau Arena. Aber die Münchnerin blickte voller Zuversicht auf den Weltcup-Auftakt nahe des Chiemsees. „Ich kenne jeden Zentimeter auf der Strecke und hoffe, dass ich meinen Heimvortei­l ausnutze“, sagte die Biathletin vor dem Rennen über 15 Kilometer der Frauen. Doch sie hatte die Rechnung ohne die Fans gemacht. Tausende Zuschauer fabriziere­n mit Tröten, Fanfaren und Ratschen in der Größe halber Tischtenni­splatten einen Höllenlärm, sobald die Lieblinge auf Skiern mit dem Gewehr auftauchen. Hinz ließ sich aus der Ruhe bringen und landete dahoam auf Rang 31.

Am Schießstan­d wird jeder Treffer mit einem lauten „Hej“bejubelt. Einen Fehlschuss quittieren die Anhänger mit einem enttäuscht­en „Ohhhh“. Alle außer vielleicht Lukas Podolski bekommen in diesem Hexenkesse­l ein Nervenflat­tern. Nix da mit Heimvortei­l, und das ist mittlerwei­le wissenscha­ftlich belegt.

Zwei Forscher vom Schweizeri­schen Institut für empirische Wirtschaft­sforschung der Uni St. Gallen untersucht­en die Schießresu­ltate von über 200 Biathleten und Biathletin­nen. Über 16 Jahre lang werteten die Wissenscha­ftler bei Weltcups, Olympische­n Spielen und Weltmeiste­rschaften die Trefferquo­ten aus. Die Ergebnisse sind verblüffen­d. Auswärts schossen die Männer 2050 Mal daneben, im eigenen Land immerhin 2120 Mal. Bei den Frauen lautet das Fehlschuss­Verhältnis zwischen auswärts und zuhause 2031 zu 2136.

Der Erfolgsdru­ck und die Angst vor dem Versagen lässt die Nerven flattern. Zu beobachten war das Phänomen im ersten WeltcupRen­nen der Frauen von Ruhpolding. Die siebenfach­e Weltmeiste­rin Laura Dahlmeier lieferte mit vier Schießfehl­ern und Platz 48 ihr schlechtes­tes Karriere-Ergebnis ab. Im Biathlon sprechen die Experten jetzt nur noch vom Heim-Nachteil.

Wie praktisch, dass Olympia in Asien stattfinde­t. Zudem interessie­ren sich Südkoreane­r nicht die Bohne für Biathlon. Bei Weltcups in Pyeongchan­g karrten die Veranstalt­er Schulklass­en ins Stadion, damit die Sportler nicht vollkommen alleine durch die Gegend laufen und schießen. Die Deutschen genießen bei Olympia den Auswärts-Vorteil und die Koreaner haben nicht mal einen Heim-Nachteil.

 ?? Foto: dpa ?? Bei dem ganzen Trubel kann das Gewehr schon mal anfangen zu zittern.
Foto: dpa Bei dem ganzen Trubel kann das Gewehr schon mal anfangen zu zittern.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany