Unruhe in der Warteschlange
Jetzt ist auch ein letztes Geheimnis menschlichen Verhaltens aufgeklärt. In Boston sind Wissenschaftler der Frage nachgegangen, weshalb Supermarktkunden vor den Kassen von einer Warteschlange zur anderen springen. Besondere Bereitschaft zu diesem Wechselspiel empfinden Menschen, die sich ganz am Ende einer Käuferschlange eingereiht haben. Sie werden von der Erfahrung unserer steinzeitlichen Vorfahren gelenkt, dass der letzte Platz gefährlich ist.
Noch immer gilt: Den Letzten beißen die Hunde. In alten Zeiten wurde der Letzte häufig von hungrigen Tieren angefallen, während die Horde unbeeindruckt weiterzog. Heute wird der letzte Kunde am Kassenband zwar nicht mehr von gefräßigen Ungeheuern, dafür aber von der Wissenschaft scharf ins Auge gefasst. Sie hat bewiesen, dass der Wechsel von einer Kassenschlange zur anderen nur selten einen Zeitgewinn bringt.
Trotzdem sollte man die Schlangenspringer nicht verspotten. Sie bringen ein wenig Freude in das freudlose Warten am Kassenband, weil sie einem Mitmenschen das Gefühl geben, nicht mehr der Letzte zu sein. So human handeln auch die Berliner Sondierer, weil sie immer die letzte Krise durch eine allerletzte ersetzen – gemäß einem Wort des Historikers und Staatsmanns Friedrich Christoph Dallmann aus dem Jahr 1845: „Wir befinden uns in einer großen Krise und es wird nicht die letzte seyn.“