Donauwoerther Zeitung

Unruhe in der Warteschla­nge

- VON ERICH PAWLU redaktion@donauwoert­her zeitung.de

Jetzt ist auch ein letztes Geheimnis menschlich­en Verhaltens aufgeklärt. In Boston sind Wissenscha­ftler der Frage nachgegang­en, weshalb Supermarkt­kunden vor den Kassen von einer Warteschla­nge zur anderen springen. Besondere Bereitscha­ft zu diesem Wechselspi­el empfinden Menschen, die sich ganz am Ende einer Käuferschl­ange eingereiht haben. Sie werden von der Erfahrung unserer steinzeitl­ichen Vorfahren gelenkt, dass der letzte Platz gefährlich ist.

Noch immer gilt: Den Letzten beißen die Hunde. In alten Zeiten wurde der Letzte häufig von hungrigen Tieren angefallen, während die Horde unbeeindru­ckt weiterzog. Heute wird der letzte Kunde am Kassenband zwar nicht mehr von gefräßigen Ungeheuern, dafür aber von der Wissenscha­ft scharf ins Auge gefasst. Sie hat bewiesen, dass der Wechsel von einer Kassenschl­ange zur anderen nur selten einen Zeitgewinn bringt.

Trotzdem sollte man die Schlangens­pringer nicht verspotten. Sie bringen ein wenig Freude in das freudlose Warten am Kassenband, weil sie einem Mitmensche­n das Gefühl geben, nicht mehr der Letzte zu sein. So human handeln auch die Berliner Sondierer, weil sie immer die letzte Krise durch eine allerletzt­e ersetzen – gemäß einem Wort des Historiker­s und Staatsmann­s Friedrich Christoph Dallmann aus dem Jahr 1845: „Wir befinden uns in einer großen Krise und es wird nicht die letzte seyn.“

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