Donauwoerther Zeitung

Geht der Papst als Reformer oder Gescheiter­ter in die Geschichte ein?

Franziskus befindet sich in der wichtigste­n Phase seiner Amtszeit. Jetzt entscheide­t sich, ob und wie er den Kurs der katholisch­en Kirche prägen wird

- VON DANIEL WIRSCHING wida@augsburger allgemeine.de

Eine Auslandsre­ise des Papstes – wie seine 22. nach Chile und Peru – ist immer eine gute Gelegenhei­t für eine Zwischenbi­lanz. Noch dazu ist Franziskus bald fünf Jahre im Amt. Zeit also für Antworten. Und zwar darauf: Wie genau will er die katholisch­e Kirche reformiere­n – und kann ihm eine Reform überhaupt gelingen?

Papst Franziskus befindet sich in der entscheide­nden Phase seines Pontifikat­s. Jetzt entscheide­t sich, ob er als großer Reformer oder als großer Gescheiter­ter in die Geschichte eingehen wird. Deutlich wird das daran: Sowohl die Kritik an ihm als auch die Zweifel an seiner Durchsetzu­ngsfähigke­it haben sich zuletzt massiv verschärft. So sehr, dass der Wiener Theologe Paul Zulehner und der Prager Religionsp­hilosoph Tomásˇ Halík die Initiative „Pro Pope Francis“ins Leben riefen. Sie ermutigen das Kirchenobe­rhaupt, vom „eingeschla­genen Weg nicht abzuweiche­n“. Jenen Weg, der Seelsorge und Barmherzig­keit in den Vordergrun­d rückt. Sie haben 68000 Unterstütz­er.

Scheitert Franziskus, ist die Chance auf eine tatsächlic­he Reform der schwerfäll­igen Kurie, des päpstliche­n Verwaltung­sapparates, erst einmal vertan. Wie vermutlich ebenso die Neuausrich­tung auf eine den Menschen zugewandte­re katholisch­e Kirche. Es geht um Grundsätzl­iches: Was macht die Kirche und ihre Lehre in ihrem Kern aus – und wie kann sie erneuert werden? Dass Franziskus die Kirche verändert, ist weder zu übersehen noch zu überhören.

Das zeigt schon die Lautstärke, in der ihn seine Gegner kritisiere­n. Spätestens seitdem er in seinem Schreiben „Amoris laetitia“wiederverh­eirateten Geschieden­en die Möglichkei­t zur Kommunion eröffnete, ist Franziskus bekannten Kardinälen und vermeintli­ch „Papst-Treuen“nicht mehr päpstlich genug. Sie sehen in ihm eine Gefahr, sozusagen einen obersten Zertrümmer­er der Tradition. Seine Zwischenbi­lanz kann sich trotz aller Widerständ­e sehen lassen. Wenn man (an-)erkennt, dass seine Reform der Kirche nicht in handstreic­hartigen Umwälzunge­n besteht. Sondern in einer Verschiebu­ng der Perspektiv­e.

Die Kirche soll in erster Linie als nahbar erscheinen, nicht als ausschließ­end; soll Menschen begleiten und nicht Vorschrift­en machen; soll weg von „Patentreze­pten“(Kardinal Walter Kasper) hin zur Würdigung von Einzelfäll­en.

„Amoris laetitia“bewirkte etwa, dass die Vorbereitu­ng von Paaren auf die Ehe und ihre Begleitung in der Ehe eine größere Rolle spielen. Oder dass der Osnabrücke­r Bischof Franz-Josef Bode jüngst einen sensatione­llen Vorstoß wagte. Die Kirche müsse über eine Segnung gleichgesc­hlechtlich­er Paare nachdenken, sagte er. Schweigen und Tabuisiere­n führten nicht weiter.

Während seiner Reise nach Chile und Peru wird es – neben diplomatis­chen Gesten und politische­n Positionie­rungen des Papstes – wohl um ein weiteres Dauer-Debattenth­ema gehen. Und damit um eine mögliche erneute Öffnung der Kirche: für die Priesterwe­ihe als vorbildlic­h angesehene­r verheirate­ter Männer, der „viri probati“. Das Amazonas-Gebiet als Testfeld für Ortskirche­n in aller Welt? Ortskirche­n, die in Absprache mit dem Vatikan eigenständ­ige Wege einschlage­n? Das ist ganz im Sinne des Papstes. Und so schreitet er in einem Tempo voran, das Kritiker schwindeli­g werden lässt. Heißt es gut, wenn andere ebenfalls voranschre­iten. Schafft Fakten.

Der einflussre­iche Wiener Kardinal Christoph Schönborn, den der Papst überaus schätzt, sagte: „Franziskus geht wirklich zum Teil sehr alleine voran. Aber er geht voran, das ist das Entscheide­nde.“Für die Kirche wäre es wünschensw­ert, wenn sie in der Zeit nach diesem Papst die Richtung nicht ändert.

Er schreitet voran und schafft Fakten

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