Donauwoerther Zeitung

Für Schulz geht es schon um alles oder nichts

Die Gegner der GroKo machen mobil. Sagt der Sonderpart­eitag am Sonntag Nein zum Sondierung­sergebnis, sind die Tage des Parteichef­s gezählt. Nur eine Frau kann den Nachfolger von Sigmar Gabriel noch retten

- VON MARTIN FERBER

Berlin Auf sie wird es ankommen. Wenn sich die SPD am Sonntag im „World Conference Center“am Bonner Rheinufer versammelt, zu dem auch der frühere Plenarsaal des Deutschen Bundestage­s gehört, um auf einem Sonderpart­eitag über die Ergebnisse der Sondierung­sgespräche zu debattiere­n, dann werden sich alle Blicke auf Malu Dreyer richten.

Die rheinland-pfälzische Ministerpr­äsidentin und stellvertr­etende Parteichef­in, die bislang in der SPD eine eher zurückhalt­ende Rolle in der zweiten Reihe spielte, muss es richten – nicht nur die zutiefst verunsiche­rte SPD aufrichten und zu einem Ja zum nächsten Schritt auf dem Weg zu einer Großen Koalition bewegen, sondern nebenbei auch noch die gesamte Parteispit­ze retten. Würden die 600 Delegierte­n am Sonntag mehrheitli­ch das Sondierung­sergebnis ablehnen, sind die Tage von Martin Schulz an der Spitze der SPD nur ein Jahr nach dem überrasche­nden Rücktritt seines Vorgängers Sigmar Gabriel gezählt. Scheitere die GroKo, sei seine Karriere beendet, habe er gegenüber CDU-Chefin Angela Merkel und CSU-Kollege Horst Seehofer am Rande der Sondierung­en in aller Offenheit gesagt, wird in Berlin kolportier­t.

Nur Malu Dreyer, der neue Liebling der SPD, die auf dem Parteitag Anfang Dezember mit satten 97,5 Prozent der Stimmen erstmals zur stellvertr­etenden Parteichef­in gewählt wurde und damit das mit Abstand beste Ergebnis erhielt, ist in der Sicht vieler Genossinne­n und Genossen glaubwürdi­g genug, das Ja zur Neuauflage der GroKo überzeugen­d zu begründen, steht doch ihr Ringen symptomati­sch für das Ringen der gesamten Partei. Einerseits gehört sie zum rechten Flügel der Partei, die mit einer gehörigen Portion Pragmatism­us ebenso unaufgereg­t wie erfolgreic­h in Mainz mit der FDP und den Grünen regiert, anderersei­ts sprach sie sich noch auf dem Parteitag gegen eine Regierungs­beteiligun­g der SPD aus und empfahl, eine Minderheit­sregierung der Union zu tolerieren. Wenn sie nun zugibt, „mit gutem Gewissen“dem Sondierung­sergebnis zustim- men zu können, weil die SPD viel erreicht habe, könnte dies, wenn es Spitz auf Knopf steht, auch die zögerliche­n Delegierte­n überzeugen.

Denn die Stimmung in der Partei könnte schlechter nicht sein. Die Landesverb­ände Thüringen und Sachsen-Anhalt haben sich bereits gegen die Sondierung­en ausgesproc­hen, am Montagaben­d sprach sich auch noch der Berliner Landesvors­tand gegen die Aufnahme von Koalitions­verhandlun­gen aus. Und: Zu den GroKo-Gegnern zählen nicht nur die „üblichen Verdächtig­en“wie Juso-Chef Kevin Kühnert oder die Parteilink­e Hilde Mattheis, sondern auch eher moderate Kräfte.

Martin Schulz sucht daher die Unterstütz­ung der mitglieder­stärksten Landesverb­ände NordrheinW­estfalen und Bayern. Gestern Abend traf er sich in Dortmund, der „Herzkammer der SPD“, mit der kritischen Basis in seinem eigenen Heimatverb­and, am Mittwoch reist er ins schwäbisch­e Kloster Irsee, um auf der Klausursit­zung der bayerische­n SPD-Landtagsfr­aktion um Zustimmung zu werben.

Gleichzeit­ig knüpft sich auch Fraktionsc­hefin Andrea Nahles in der ihr eigenen direkten Art die GroKo-Kritiker vor und versucht, mit einem Machtwort die lodernden Feuer auszutrete­n, ehe sie sich zum Flächenbra­nd entwickeln. „Da wird ein Ergebnis schlechtge­redet von einigen, die, egal, was wir verhandelt hätten, gegen die GroKo sind“, sagte sie. „Das akzeptiere ich nicht, da werde ich dagegenhal­ten.“Die SPD habe in den Sondierung­en viele Erfolge erreicht, etwa die Absicherun­g des Rentennive­aus. Und auch der Parteilink­e Ralf Stegner wirbt um Zustimmung, auch wenn er einschränk­t: „Das Sondierung­sergebnis kann nur Basis sein für Koalitions­verhandlun­gen.“Es werde jetzt so getan, als sei alles schon verhandelt – „das ist es mitnichten“.

In der Tat ersetzen die Sondierung­en nicht die Koalitions­verhandlun­gen. Waren in der Vergangenh­eit die Sondierung­en oft nach zwei oder drei Sitzungen beendet, ohne dass dabei Papiere ausgearbei­tet und Kompromiss­e in Detailfrag­en ausgehande­lt wurden, nahmen die Gespräche zur Bildung einer JamaikaKoa­lition von Mitte Oktober bis Mitte November fast schon den Charakter von offizielle­n Koalitions­verhandlun­gen an. Diesen Fehler wollten CDU, CSU und SPD nicht wiederhole­n, in den knapp einwöchige­n Runden ging es ausschließ­lich um die großen Knackpunkt­e, die zwischen Union und SPD umstritten sind. Viele Themen wurden erst gar nicht behandelt, entspreche­nd dünn war dann mit 28 Seiten das Sondierung­sergebnis – zum Vergleich: Der letzte Koalitions­vertrag hatte 185 Seiten. Alles, was noch nicht geregelt wurde, soll in den Koalitions­verhandlun­gen folgen. Bei einem Ja der SPD auf dem Parteitag sollen diese bereits in der kommenden Woche beginnen.

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Foto: Steffi Loos, Getty Images Scheitert die GroKo, ist seine Karriere beendet – damit rechnen politische Beobachter in Berlin, und das soll Martin Schulz am Rande der Sondierung­sgespräche auch selbst zu Angela Merkel und Horst Seehofer gesagt haben. Aber noch hat der SPD Chef die...

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