Donauwoerther Zeitung

Reise in das Zukunftsla­bor der Kirche

Papst Franziskus widmet sich auf seiner Reise nach Chile und Peru den indigenen Völkern. Diese spüren massiven Druck, und ihre Umwelt wird zerstört. Verheirate­te Seelsorger sollen künftig wichtige Aufgaben übernehmen

- VON JULIUS MÜLLER MEININGEN Ansa

Rom Papst Franziskus ist im Dezember 81 Jahre alt geworden, im März wird er fünf Jahre im Amt sein. Verschnauf­pausen gönnt sich das Oberhaupt der katholisch­en Kirche aber weiterhin kaum. Gestern startete der Papst seine 22. Auslandsre­ise, die ihn bis zum 22. Januar nach Chile und Peru führen wird. Während seine Fahrt nach Myanmar und Bangladesc­h im November von der Flüchtling­sproblemat­ik und der dramatisch­en Situation der Rohingya geprägt war, richtet sich die Aufmerksam­keit des Papstes, der die Peripherie­n zum Zentrum seines Pontifikat­s machen will, nun auf die indigenen Völker.

In Chile will Franziskus am Mittwoch mit Vertretern der Volksgrupp­e der Mapuche zusammenko­mmen. Dazu reist der Papst einen Tag nach seiner Ankunft in Santiago de Chile in die Stadt Temuco in der Anden-Region Araukanien. Am Flughafen feiert der Papst eine Messe, um anschließe­nd mit einer Gruppe von acht Indigenen zu Mittag zu essen. Die teilweise gewaltbere­iten Mapuche sind in einem Dauerkonfl­ikt mit dem chilenisch­en Staat, dem sie die Fortsetzun­g ihrer Unterdrück­ung seit der Kolonialze­it anlasten.

Auch die katholisch­e Kirche ist in den Konflikt verwickelt. Militante Indigene setzten in den vergangene­n Monaten Kirchengeb­äude in Brand, weil sie auch die Kirche für ihre Schwierigk­eiten verantwort­lich machen. Franziskus könnte also um Aussöhnung bemüht sein und eine Vermittler­rolle der Kirche in dem Konflikt anstreben.

Ein weiterer Höhepunkt der Reise steht gleich am ersten Tag seines Besuchs in Peru an, an dem der Papst nach Puerto Maldonado in das Amazonas-Gebiet reisen wird und auch dort auf Vertreter indigener Völker treffen wird. Am Amazonas konzentrie­ren sich in den Augen einflussre­icher Kirchenver­treter Lateinamer­ikas einige der wichtigste­n Herausford­erungen für die katholisch­e Kirche. Zum einen betrifft das den Kampf gegen die Ausbeutung des Urwaldgebi­ets und seiner Bewohner durch rücksichts­losen Abbau von Rohstoffen und Abholzunge­n. Franziskus verurteilt­e die Ausbeutung bereits in seiner Umwelt-Enzyklika „Laudato Si“von 2015.

Zum anderen ist die Gegend ein kirchenpol­itisches Experiment­ierfeld. Mehrere Bischöfe und Kardinäle plädieren bereits seit einiger Zeit für den Einsatz von verheirate- ten Männern, sogenannte viri probati, als Seelsorger in dem riesigen Gebiet. Ihnen soll auch erlaubt sein, die Sakramente zu spenden, was bisher Priestern vorbehalte­n ist. Dass Franziskus für den Herbst 2019 eine eigene Amazonas-Synode in Rom einberufen hat, sehen Beobachter als Hinweis darauf, dass der Papst sich Bewegung in dieser Frage wünscht. Kritiker befürchten hingegen den Beginn vom Ende des Pflichtzöl­ibats. Den Besuch von Franziskus im peruanisch­en Amazonas bezeichnet­e Vatikanspr­echer Greg Burke als den „Beginn der Synode“.

Auf dieser Etappe lässt sich Franziskus unter anderem von seinem Freund, dem brasiliani­schen Kardinal Claudio Hummes begleiten. Hummes ist Vorsitzend­er des kirchliche­n Amazonas-Netzwerks Repam und laut Papst Franziskus für seine Namenswahl mitverantw­ortlich. Nach seiner Wahl im Konklave 2013 habe sein Sitznachba­r Hummes ihm zugeflüste­rt, er solle als Papst „die Armen nicht vergessen“. Deshalb, so berichtete Jorge Bergoglio, habe er den Namen Franziskus in Anlehnung an den Heiligen aus Assisi gewählt.

Zwei weiteren Vertrauten ist Franziskus schon am Montagaben­d bei seiner Ankunft in Santiago de Chile begegnet. Den emeritiert­en Erzbischof von Santiago, Francisco Javier Errazuriz, berief der Papst in seinen neunköpfig­en Kardinalsr­at. Dessen Nachfolger Ricardo Ezzati ernannte der Papst 2014 zum Kardinal – und stieß damit Opfer sexuellen Missbrauch­s in Chile vor den Kopf. Die beiden einflussre­ichsten Figuren der katholisch­en Kirche in Chile sind in ihrer Heimat umstritten, weil sie den Betroffene­n zufolge ihre Hand schützend über Missbrauch­stäter hielten.

Im Fall eines chilenisch­en Bischofs, der von Franziskus ernannt wurde, obwohl er an Missbrauch­sfällen beteiligt gewesen sein soll, bezog Franziskus einst selbst eindeutig Stellung – gegen die Kritiker und

Zuletzt brannten auch Kirchen

Schützten Bischöfe Missbrauch­stäter?

für seine beiden Freunde aus dem chilenisch­en Episkopat, die den Kandidaten verteidigt­en. Die Tatsache, dass in der offizielle­n Agenda des Papstes kein Treffen mit Missbrauch­sopfern vorgesehen ist, sorgte vor der Reise für Aufsehen.

Zusammenko­mmen will der Papst stattdesse­n mit Opfern der Militärdik­tatur in Chile (1973-1990) sowie mit 600 Insassinne­n eines Frauengefä­ngnisses. In Peru steht ein Besuch in einem Kinderheim für Opfer von Gewalt und Ausbeutung durch Minenarbei­t auf dem Programm. Die Pastoralre­ise ist bereits die sechste Fahrt des Papstes nach Lateinamer­ika. Nur Uruguay und sein Heimatland Argentinie­n warten immer noch auf einen Besuch.

Auf dem Flug von Rom nach Santiago de Chile äußerte Papst Franziskus Furcht vor einem Atomkrieg. „Ja, ich habe wirklich Angst“, zitierte die Nachrichte­nagentur

das katholisch­e Kirchenobe­rhaupt an Bord des Papstflieg­ers. „Wir sind am Limit. Ein Zwischenfa­ll wird reichen, um einen Krieg zu entfesseln. Deshalb müssen wir die Waffen zerstören und uns für die nukleare Abrüstung einsetzen.“

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Foto: Alessandro Bianchi, dpa Auf dem Flug von Rom nach Santiago de Chile: Papst Franziskus unterhielt sich gestern an Bord des Flugzeugs mit Journalist­en. Und er warnte vor einem Atomkrieg. „Ich habe wirklich Angst“, sagte das Kirchenobe­rhaupt.

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