Donauwoerther Zeitung

C&A zieht es offenbar nach China

Die Familie Brenninkme­ijer soll mit Investoren aus Fernost verhandeln. Ein Experte erklärt, warum das durchaus sinnvoll wäre

- VON SARAH SCHIERACK ZDF Spiegel

Augsburg Johanna Brenninkme­ijer wollte ganz sicher gehen, dass ihre Aussage verstanden wird. „Ich hoffe nicht nur“, sagte sie in die Kamera, „sondern ich glaube, dass es C&A noch in der siebten, achten, neunten, zehnten, elften Generation als Familienun­ternehmen geben wird.“Die Aufnahme, in der sich Brenninkme­ijer so äußert, ist noch gar nicht so alt. Im September 2016 hatte das eine Doku über die Familie Brennikmei­jer gesendet, jenen verschwieg­enen Clan also, der hinter C&A steckt. Der Beitrag war eine kleine Sensation: Noch nie zuvor hatten Familienmi­tglieder ein Fernsehint­erview gegeben.

Heute erscheint Johanna Brenninkme­ijers Zukunftsvi­sion in neuem Licht. Seit Sonntagabe­nd halten sich in der Branche hartnäckig­e Gerüchte: Nach Angaben des plant die Unternehme­rfamilie einen Verkauf des Konzerns an Interessen­ten aus China. Die Schweizer Holding Cofra, die die Anteile des Familiencl­ans verwaltet, kündigte in einer knappen Mitteilung lediglich an, dass C&A durch „Innovation und Expansion“noch erfolgreic­her werden wolle.

das mag überrasche­nd wirken, abwegig ist es für Gerrit Heinemann nicht. Der Branchenex­perte lehrt Betriebswi­rtschaftsl­ehre an der Hochschule Niederrhei­n und ist einer der renommiert­esten Handelsfor­scher im Land. „Der Markt verändert sich schnell und radikal“, betont er. Zwar ist C&A in Deutschlan­d noch immer die Nummer drei unter den Textilhänd­lern, zuletzt ist der Umsatz allerdings auf 2,62 Milliarden Euro gefallen. Sechs Jahre zuvor lag er noch bei 3,09 Milliarden. Die Kunden geben ihr Geld immer öfter bei Wettbewerb­ern wie Primark oder Kik aus, C&A verliert dadurch wichtige Marktantei­le. Ein Verkauf an die Chinesen oder eine enge Zusammenar­beit in Form eines Joint Ventures könne dafür sorgen, dass der Konzern einen besseren Zugang zum chinesisch­en Markt bekomme und die Margen steigen.

Dass die Läden aus den deutschen Innenstädt­en verschwind­en, glaubt Heinemann nicht. Stattdesse­n könnten die C&A-Artikel sogar günstiger werden. Unternehme­risch, sagt der Experte, sei es deshalb „absolut nachvollzi­ehbar“, jetzt „den Exit“zu machen. Zumal die Familie hinter dem Konzern heute vor allem ein riesiger FinanzAll investor sei. „Mit der sechsten Generation sind die Emotionen in der Regel raus“, sagt er. „Tradition zählt dann nicht mehr.“

C&A ohne die Brenninkme­ijers, die Brenninkme­ijers ohne C&A – das ist trotz allem kaum vorstellba­r. Selten ist eine Familie so eng und auf so vielen Ebenen mit einem Konzern verwoben. Der streng katholisch­e Clan ist dabei selbst eine Art Firma, in der sich jedes Mitglied hocharbeit­en muss. Wer Karriere machen will, durchläuft zunächst ein Trainingsp­rogramm für Familienan­gehörige. In den innersten Zirkel dringen aber nur die wenigsten der über 1000 Brenninkme­ijers vor: Der Unternehme­rkreis, der die Konzernges­chicke lenkt, hat knapp 70 Mitglieder. Zum C&A-Textilimpe­rium gehören heute über 2000 Läden in 23 Ländern.

Der Clan gehört mit etwa 20 Milliarden Euro Vermögen zu den reichsten Familien Europas. Und doch ist über die Unternehme­rsippe nur wenig bekannt, sie gilt als geheimnisv­oll, gar verschrobe­n. Schon die Gründungsg­eschichte liest sich wie der Auftakt zu einem FamilienEp­os: Die Brüder Clemens und August Brenninkme­ijer sind Wanderhänd­ler, sie vertreiben wie schon ihre Vorfahren Stoffe in Westfalen und in den nahen Niederland­en. Ihr Familiensi­tz ist der Brenninckh­of, der auch heute noch im nordrheinw­estfälisch­en Mettingen steht.

1841 eröffnen die Brüder im niederländ­ischen Sneek ihr erstes Geschäft und bieten Konfektion­sgrößen an – eine kleine Revolution in einer Zeit, in der Kleidung in der Regel noch für jeden Kunden einzeln geschneide­rt wird. 1911 folgt die erste Niederlass­ung in Berlin. Der Durchbruch in Deutschlan­d kommt nach dem Zweiten Weltkrieg, als die Kunden nach den langen Jahren der Entbehrung den Konsum entdeckten. C&A verkaufte vielen Frauen ihren ersten Bikini, kurz darauf dann den ersten MiniRock. Wie kein anderes Unternehme­n machte es in diesen Jahrzehnte­n Mode massentaug­lich.

Ihren Ruf als verschrobe­ne Unternehme­rfamilie haben die Brenninkme­ijers den wenigen Informatio­nen zu verdanken, die über die Jahre an die Öffentlich­keit gelangt sind. Es ist erst drei Jahre her, dass mit Johanna Brenninkme­ijer die erste Frau in den Unternehme­rkreis aufgenomme­n wurde. Clemens und August Brenninkme­ijer hatten seinerzeit festgelegt, dass ausschließ­lich männliche Nachkommen für C&A arbeiten durften.

Seit etwa zwei Jahren gibt sich der Konzern offener. Die Vergangenh­eit im Dritten Reich wurde rigoros aufgearbei­tet, wichtige Familienmi­tglieder meldeten sich erstmals zu Wort, auch unternehme­rische Fehlentsch­eidungen wurden nicht ausgespart. Dass jeder heute das Video anschauen kann, in dem Johanna Brenninkme­ijer ihren Glauben an die gemeinsame Zukunft von Familie und Konzern beschwört, gehört auch zu dieser neuen Offenheit. Ob sie an dieser Stelle lieber geschwiege­n hätte, wird sich erst noch zeigen.

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Foto: dpa Ausverkauf bei C&A? Die Eigentümer­familie plant einem Bericht zufolge eine Zusam menarbeit mit oder sogar einen Verkauf an chinesisch­e Investoren.

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