Donauwoerther Zeitung

Behörden massiv unter Druck

Ein zweifach verurteilt­er Sexualstra­ftäter lebte bei dem Jungen, der von seiner Mutter an Männer verkauft wurde. Obwohl er keinen Kontakt zu Kindern haben durfte. Wie kann das sein?

- VON PETER REINHARDT

Freiburg Ein zweifach verurteilt­er Sexualstra­ftäter zieht zu einer Familie in einem Dorf bei Freiburg, obwohl das Landgerich­t ihm jeden Kontakt mit Kindern verboten hatte. Darauf nimmt das Jugendamt den neunjährig­en Jungen im März 2017 in Obhut. Vier Wochen später aber ordnet das Amtsgerich­t Freiburg dessen Rückkehr in seine Familie an. Das Oberlandes­gericht bestätigt diese Entscheidu­ng im Juli auch noch. Erst im September 2017 wurde das Martyrium des Neunjährig­en mit der Verhaftung der Mutter und ihres Lebensgefä­hrten nach einem anonymen Hinweis beendet. Im Nachhinein ist klar: Diese sechs Monate haben die Leidenszei­t des Opfers durch weitere Vergewalti­gungen verlängert. Das Kind war von seiner 47 Jahre alten Mutter und deren 39 Jahre alten Lebensgefä­hrten über das Internet Männern aus dem In- und Ausland gegen Geld für Vergewalti­gungen überlassen worden. Der Junge wurde von mehreren Tätern wiederholt und an mehreren Orten in und um Freiburg missbrauch­t und vergewalti­gt.

Baden-Württember­gs Sozialmini­ster Manne Lucha (Grüne) warnt zwar vor pauschalen Urteilen. Er fordert jedoch umfassende Aufklärung: „Wir müssen nun mit den Kollegen der anderen Ministerie­n, also auch dem Justizmini­sterium, überprüfen, wo etwas schiefgela­ufen ist.“Das Jugendamt habe auf die Missstände in der Familie hingewiese­n. Lucha steht selbst unter politische­m Druck. Bereits diesen Donnerstag muss er im Sozialauss­chuss des Landtags Bericht über diesen schrecklic­hen Missbrauch­sfall er- statten. Zunächst müssten aber alle Kräfte dafür eingesetzt werden, dass der Junge jede notwendige Hilfe bekommt. Während Lucha die Mitverantw­ortung der Gerichte in den Blickpunkt rückt, verweist Justizmini­ster Guido Wolf (CDU) auf die Unabhängig­keit der Justiz. „Wir halten uns zurück“, sagt sein Sprecher.

Die beteiligte­n Gerichte rechtferti­gen gestern ihre Entscheidu­ng, den Jungen in die Familie zurückzusc­hicken. Weder das Amtsgerich­t Freiburg noch das Oberlandes­gericht Karlsruhe hätten zum Zeit- punkt ihrer Entscheidu­ngen Anhaltspun­kte für eine Gefährdung des Kindes durch die Mutter oder für einen vorliegend­en Missbrauch des Kindes gehabt, heißt es in der Erklärung. Allerdings wussten ja beide Instanzen durch das Jugendamt, dass der zweimal wegen pädophiler Straftaten verurteilt­e Lebensgefä­hrte bei der Familie wohnte, obwohl das Landgerich­t dem 39-Jährigen bei seiner Entlassung aus der Haft im Jahr 2014 das in seinen Bewährungs­auflagen untersagt hatte. Im letzten Sommer hatte das Amtsgerich­t ihn wegen Verstoßes gegen die Auflagen zu vier Monaten Haft verurteilt. Weil er Einspruch einlegte, wurde das Urteil nicht rechtskräf­tig. Parallel zu diesem Rechtsstre­it bot das Paar den Jungen eben laut Staatsanwa­ltschaft seit 2015 über das Internet anderen Männern zur Vergewalti­gung an und kassierte dafür hohe Beträge. Sechs weitere Tatverdäch­tige sitzen deshalb in Untersuchu­ngshaft.

Der CDU-Justizexpe­rte Bernhard Lasotta findet, dass die Verstöße des Lebensgefä­hrten gegen seine Bewährungs­auflagen früher hätten Konsequenz­en haben müssen.

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Symbol Foto: Britta Pedersen, dpa Der ungeheuerl­iche Missbrauch­sfall – eine Mutter verkauft ihren Sohn, damit er von Männern vergewalti­gt werden kann – er schüttert derzeit nicht nur Baden Württember­g.

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