ISS bald unter deutschem Kommando
Alexander Gerst startet erneut zum Außenposten der Menschheit. Den Astronauten erwartet dort eine Sechs-Tage-Woche
Berlin/Köln Zum ersten Mal wird ein deutscher Astronaut Kommandant der Internationalen Raumstation (ISS) sein. Anfang Juni soll Alexander Gerst mit einem russischen Sojus-Raumschiff für die Mission „Horizons“(Horizonte) zum Außenposten der Menschheit starten. Für die zweite Hälfte seines Aufenthalts bis zu seiner Rückkehr im November wird er für Crew und Station verantwortlich sein. „Ich freue mich darauf, wieder zur ISS zurückzukehren“, sagte Gerst, der 2014 bereits sechs Monate Bordingenieur auf der Raumstation war.
„Es fühlt sich an, als würde man zu einem Haus reisen, in dem man einmal viel Zeit verbracht hat“, so der 41-jährige Astronaut der Europäischen Weltraumagentur (ESA). „Ich weiß genau, in welcher Ecke welches Gerät steht und kann das Geräusch der Luken hören, wenn ich sie in Gedanken öffne.“
Als Kommandant wird Gerst ein auf engem Raum zusammenlebendes Team leiten. „Es ist wirklich ein großes Kompliment, dass die NASA mir das Vertrauen schenkt, dass ich diese Raumstation kommandieren darf.“Mit an Bord sind beim Start von Sojus MS-09 eine US-Astronautin und der russische frühere Kampfpilot Sergej Prokopjew, 42, der zum ersten Mal zur ISS fliegt.
Es ist der 55. Besuch eines Sojus-Raumschiffs an der ISS und der
161. Flug im Sojusprogramm. Jede Sojus wird neu gebaut und nur einmal verwendet. „Dieses Vehikel ist sehr sicher, es ist eines der zuverlässigsten, die je gebaut worden sind“, sagte Gerst. Vor dem Einsatz standen und stehen auch diesmal wieder gut zwei Training im Europäischen Astronauten-Zentrum EAC in Köln, im Sternenstädtchen bei Moskau und im Lyndon B. Johnson Space Center der NASA in den USA an. Schon während dieser Zeit probt Gerst seinen Einsatz als Kommandant, koordiniert Teile des CrewTrainings und sorgt dafür, dass kein Crewmitglied überlastet wird.
Prinzipiell falle alles einfacher, wenn man zum zweiten Mal fliege, erklärte Gerst. Auf der ISS lasse sich leicht erkennen, wer schon mal da war und wer neu ist: „Alte Hasen schweben vertikal, Neulinge horizontal.“Seitlich durch die Station zu schweben sei viel angenehmer als mit dem Kopf voraus, erfordere aber eben ein Umdenken. „Das ist ungefähr so, als wenn man Laufen lernt oder Fahrrad fahren. Am Anfang stellt man sich da immer ein bisschen tollpatschig an.“Bei den Einsätzen auf der ISS wird versucht, ein Erdarbeitsleben nachzustellen: Sechs Tage lang wird gearbeitet – wobei für das zweieinhalbstündige Sportprogramm und alltägliche Dinge wie Essen und Zähneputzen schon viel Zeit verloren geht. Etwa eine Stunde täglich hat ein Astronaut für sich. Zeit dafür, mit der Familie zu telefonieren, im – sehr langsamen – Internet zu surfen oder einfach mal aus dem Fenster zu gucken. Am Samstag ist Putztag auf der ISS. Die Sonntage sind – abgesehen vom täglichen Sportprogramm – frei.
Auch diesmal werden wissenschaftliche Projekte einen Teil des Arbeitsalltags ausmachen. MaterialJahre wissenschaften, Robotik und Zellforschung gehören dazu, wichtig sei zudem der Test eines neuen Lebenserhaltungssystems für künftige bemannte Weltraummissionen. „Wie können wir das so konstruieren, dass wir ohne viele Ressourcen zum Mars und zurück fliegen können?“Gerst meint aber auch nachdenklich: „Ich dachte, der Weltraum sei ein besonderer Ort.“Was er aber gelernt habe, ist, dass das All genau das Gegenteil davon ist. „Es gibt zwar viele interessante Objekte dort draußen, die es sehr wert sind, von uns gründlich erforscht zu werden. Aber der gigantische Rest des Weltraumes ist schwarz, öde und lebensfeindlich. Der wirklich, wirklich besondere Ort darin, das ist unser einzigartiger blauer Heimatplanet.“