Donauwoerther Zeitung

Wenn der Schiedsric­hter foult

- VON FLORIAN EISELE eisl@augsburger allgemeine.de

Zum Wesen der modernen Welt gehört es, dass sich Autoritäte­n zusehends auflösen. Kirche oder Staat sind zwar wichtig, aber alleine geben die beiden schon lange nicht mehr die Richtung vor. Wohin man sieht, gibt es nur noch flache Hierarchie­n: Aus dem knochenhar­ten Lehrer ist ein softer Kumpeltyp geworden. SchleiferT­rainer der Marke Magath oder Lorant sind völlig außer Mode geraten. Und die Zeiten, in denen der Bademeiste­r im Freibad den Respekt der Jugend-Gangs hatte, sind sowieso schon lange vorbei. Wenn es sie denn jemals gegeben hat.

Ein anderer Grundpfeil­er der Autorität bröckelt mittlerwei­le schon gewaltig: die Schiedsric­htergarde. Statt eines gestrengen Oberlehrer­types, der über den Dingen zu stehen scheint, steigen auch die Unparteiis­chen immer mehr von ihrem Sockel herab. Sie tun Dinge, die normalerwe­ise den Spielern vorbehalte­n sind: tragen pinke Trikots, haben ein Instagram-Account. Der englische Unparteiis­che Mark Clattenbur­g hat sich sogar ein Tattoo stechen lassen.

Sein französisc­her Kollege Tony Chapron hat sich am Wochenende angeschick­t, die letzte von Profis besetzte Bastion zu stürmen: die des gepflegten Ausrasters auf dem Platz. Paris führte in Nantes mit 1:0 und befand sich im Angriff, als es passierte: Nantes-Verteidige­r Diego Carlos stieß aus Versehen mit Chapron zusammen. Der 45-Jährige fiel zu Boden und verlor auf dem Weg nach unten offenbar die Beherrschu­ng: Noch auf dem Boden liegend, führte er einen Vollspanns­toß gegen den Fuß des Verteidige­rs aus. Ein Nachtreten wie aus dem Lehrbuch. Als Chapron, der abseits des Fußballpla­tzes sein Geld als Polizist verdient, wieder stand, beendete er die Partie für den Brasiliane­r per Gelb-Roter Karte. Der sichtlich verduzte Spieler wusste gar nicht, wie ihm geschah – trollte sich aber letztlich doch.

Macht Chaprons Modell jetzt Schule? Schlägt die Schiedsric­hterGilde zurück? Bekommt der nächste Spieler, der sich über einen Elfmeterpf­iff beschwert, einfach eine Kopfnuss des Unparteiis­chen serviert? Lassen die Referees demnächst unflätige Bemerkunge­n über die Mutter des Stürmers der Gästemanns­chaft fallen?

Eher nicht. Der französisc­he Verband hat dem Streben Chaprons Einhalt geboten und den 45-Jährigen suspendier­t. Hoffentlic­h musste keiner ihm die Nachricht persönlich überbringe­n.

 ?? Foto: dpa ?? Klare Rote Karte, oder? Schiedsric­hter Tony Chapron schickt Diego Carlos (Mit te) vom Platz.
Foto: dpa Klare Rote Karte, oder? Schiedsric­hter Tony Chapron schickt Diego Carlos (Mit te) vom Platz.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany