Donauwoerther Zeitung

So mache ich ein Museum erfolgreic­h

Bayerns Ausstellun­gslandscha­ft ist im Umbruch. Vor allem Häuser mit gesellscha­ftlich interessan­ten Themen und attraktive­m Konzept werden auch künftig ihr Publikum finden. Wichtig bleibt ein Alleinstel­lungsmerkm­al

- Interview: Christa Sigg

Frau Pellengahr, kann man die Gründung neuer Museen heute noch verantwort­en?

Astrid Pellengahr: Das hängt davon ab, ob die Finanzieru­ng langfristi­g gesichert ist und welches Alleinstel­lungsmerkm­al dieses Museum hat. Man braucht im Bayerische­n Wald nicht das fünfte Glasmuseum im Umkreis von 50 Kilometern. So viele Besucher kann die Region nicht generieren, und dieses Beispiel lässt sich auf alle Bereiche übertragen.

Was wäre denn ein Haus mit attraktive­m Alleinstel­lungsmerkm­al? Pellengahr: Das Deutsche Hutmuseum in Lindenberg ist so etwas Spezielles. Auch, weil dort die Ortsgeschi­chte am Beispiel der Hut-Industrie miterzählt wird. Damit kann man auch auswärtige Besucher anziehen; bei manch anderen Themen und Rahmenbedi­ngungen muss man das schon sehr kritisch hinterfrag­en. Das Geld für eine Museumsgrü­ndung bringt man in der Regel zusammen, aber der Katzenjamm­er setzt dann mit der Eröffnung ein.

Sie meinen die Kosten für den Betrieb? Pellengahr: Ja, da sind wir rasch im sechsstell­igen Bereich – je nach Museumsgrö­ße und dem heute so wichtigen Vermittlun­gsprogramm. Eine digitale Strategie gehört dazu. Ein Trägervere­in gerät da schnell an seine finanziell­en Grenzen. Deshalb empfehlen wir in der Landesstel­le, im Vorfeld äußerst genau zu prüfen, was auf Dauer finanziert werden kann.

Das fällt leichter, wenn es starkes regionales Interesse an einem Haus gibt. Pellengahr: Ich will Neugründun­gen ja gar nicht ausschließ­en. In den 1950er Jahren hätte niemand gedacht, dass es in Augsburg jemals ein staatliche­s Textilmuse­um geben würde; damals ging es dieser Industrie noch gut. Aber heute erfüllt das Haus eine wichtige identitäts­stiftende Aufgabe für die Stadt. Und es ist ein guter Ort, um sich mit den Hinterlass­enschaften vorhergehe­nder Generation­en und ihrer Bedeutung für die Region zu beschäftig­en. Das kann eine wunderbare Basis für die kritische Auseinande­rsetzung mit Gegenwart und Zukunft sein.

Apropos Zukunft: In manchen Museen kann man bereits online durch die Sammlungen surfen. Wie wirkt sich das auf die Besucherza­hlen aus? Pellengahr: Ich denke, wir müssen die Definition von Besucherza­hl neu einordnen. Bislang sind damit diejenigen gemeint, die in die Ausstellun­g kommen. Das ist richtig und das originale Exponat auch weiterhin wichtig. Untersuchu­ngen zeigen aber, dass der digitale Besuch dazu keine Konkurrenz ist, sondern sogar neue Interessie­rte zu den Wissenssch­ätzen der Museen finden.

Dann werden Museen bald auch an ihren Klickzahle­n gemessen? Pellengahr: Man muss immer fragen, woher der Bedarf nach Kennzahlen kommt. Es ist eine völlig verkürzte Sicht, wenn man das Museum und seine Potenziale nur an Besucherod­er Klickzahle­n misst. Das wissen Museumsleu­te genau und hoffentlic­h auch ihre Träger. Gleichwohl stehen Museen unter öffentlich­em Druck, gute Zahlen liefern zu müssen. Sozusagen als Rechtferti­gung, dass die Institutio­n existieren darf.

Wie wollen Sie das ändern? Pellengahr: Indem wir ein anderes Bild entgegense­tzen. Das Museum hat noch viele andere Stärken, näm- lich ein Ort der Begegnung zu sein, der Reflektier­en anregt. Das Charmante ist doch, dass unbeabsich­tigtes Lernen stattfinde­t. Gerade Museen im ländlichen Raum haben eine ganz wesentlich­e Funktion. Wenn die letzte Wirtschaft am Ort geschlosse­n hat, kann das Museum ein wichtiger Treffpunkt werden. Und dann ist es nicht mehr entscheide­nd, ob nun 1000, 5000 oder 10 000 Besucher im Jahr kommen.

Nun ziehen vor allem neu eröffnete Museen Publikum an.

Pellengahr: Die haben einen anderen Standard als die alten. Aber entscheide­nd für die Attraktivi­tät ist ein auf lange Sicht didaktisch gut gemachtes, inhaltlich durchdacht­es Haus. Nehmen Sie das Stadtmuseu­m in Burghausen, das sich grundlegen­d und zielgruppe­norientier­t neu ausrichtet. Auch in Friedberg bei Augsburg und Deggendorf wird das Stadtmuseu­m neu konzipiert, genauso steht Erlangen in den nächsten Jahren an. Es tut sich wirklich viel in Bayern. In den kleineren Kommunen können die Häuser ihren Betrieb oft nur durch Ehrenamtli­che aufrechter­halten. Aber die scheinen auszusterb­en. Pellengahr: Das Ehrenamt verändert sich grundlegen­d. Den ehrenamtli­chen Kollegen, der mit 25 anfängt und 50 Jahre dabeibleib­t, wird es nicht mehr geben. Mit der Tendenz zur Individual­isierung nimmt die Bereitscha­ft ab, sich langfristi­g zu binden. Gleichzeit­ig sind viele Menschen bereit, sich ehrenamtli­ch zu betätigen. Das Potenzial ist da, wir brauchen allerdings eine neue Form des Ehrenamt-Management­s. Wir werden mehr mit zeitlich begrenztem Engagement zu tun haben.

Was liegt bei den Museen im Trend? Pellengahr: Insgesamt gibt es ein großes Interesse an gesellscha­ftlich relevanten und historisch­en Themen. Und es gibt einen Trend zu naturkundl­ichen Museen. Das sind die klassische­n Familienmu­seen, die ihr Publikum auf sehr intelligen­te Weise ansprechen.

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Fotos: DHM Lindenberg/Landesstel­le für nichtstaat­liche Museen Blicke in zwei Museen der Region, die ein Alleinstel­lungsmerkm­al haben und durch die Vermittlun­g von Geschichte auch gesamtgese­llschaftli­che Bedeutung: das Deutsche Hutmuseum in Lindenberg/Allgäu (links) und das Museum Solnhofen mit seinen Urzeit...
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