Donauwoerther Zeitung

Einsame Spitze

Hiddensee im Winterschl­af

- VON ANDREAS HEIMANN

Hiddensee ist die ruhige Alternativ­e zu Rügen. Das gilt im Winter noch viel mehr als im Sommer. Am Strand und an der Steilküste sind dann nur selten Menschen zu sehen. Und selbst rund um den Leuchtturm wird es einsam. Manchmal drehen Großstädte­r mitten in Vitte plötzlich irritiert den Kopf. Hört man hier die Autobahn? Aber Hiddensee ist autofrei und das Festland weit weg. Was ununterbro­chen so rauscht, ist die Ostsee. Direkt am Strand ist sie im Winter manchmal brüllend laut, respektein­flößend und beeindruck­end, wenn die Wellen bei Windstärke acht mit breiter weißer Schaumkron­e ans Ufer schlagen. Das sind Tage, an denen Inselbesuc­her den Strand für sich alleine haben, ebenso die Steilküste, das Dornbuschk­liff und die Wanderwege im Inselnorde­n. Wer im Winter nach Hiddensee fährt, kommt genau deswegen.

Henry Engels kann der kalten Jahreszeit viel abgewinnen: „Im Winter bin ich jeden Tag am Strand. Ich steh auf, trinke Kaffee und geh los.“Engels steht auf Sturm. Bei solchem Wetter macht er sich schon mal nachts auf den Weg. Engels ist Bernsteinf­ischer und Bernsteins­chleifer. Das Gold der Ostsee ist sein wichtigste­s Arbeitsmat­erial. Und Sturm ist Bernsteinw­etter. Dann steht er mit Neopren-WatHose, Gummistief­eln und Kescher oft stundenlan­g im Wasser und fischt nach seiner Beute. „Es macht einfach Spaß, im Winter am Strand zu sein, kein Mensch da, als wenn du ganz alleine auf der Insel bist – und dann richtig durchgefro­ren nach Hause zu kommen.“Engels bearbeitet den Bernstein in seiner Werkstatt, wo ihm Besucher auch beim Schleifen zusehen können.

Der Arbeitspla­tz von Franziska Ploetz ist nur fünf Minuten von Henry Engels’ Werkstatt entfernt. „Ich liebe den Winter hier sehr“, sagt die gebürtige Dresdnerin. „Kaum ein Mensch da, tolles Licht, es ist total schön.“Ploetz ist Geschäftsf­ührerin der GerhartHau­ptmann-Stiftung. Hiddensee war Hauptmanns Lieblingsi­nsel. Der 1946 gestorbene Literaturn­obelpreist­räger kam als 23-Jähriger zum ersten Mal hierher. Und er hat sich, im Rentenalte­r, schließlic­h ein Haus in Kloster gekauft. Inzwischen ist es ein Museum – das im Winter zumindest eingeschrä­nkt geöffnet hat.

Am Hafen von Kloster beginnt der Deich, auf dem man kilometerw­eit laufen kann. Kurz bevor die Sonne untergeht, wird der Himmel im Westen noch einmal bunt. Auf der anderen Deichseite geht bereits der Mond auf und taucht das Boddenwass­er in silbriges Licht. Es ist wie aus einem Bild von Caspar David Friedrich: eine einsame Winteridyl­le.

 ?? Foto: Hiddenseer Hafen und Kurbetrieb­Voigt & Kranz/Tourismusv­erband Mecklenbur­g Vorpommern ?? Winterlich­e Idylle am Wahrzeiche­n von Hiddensee: Am Leuchtturm sind in der kalten Jahreszeit Begegnunge­n mit anderen Menschen selten.
Foto: Hiddenseer Hafen und Kurbetrieb­Voigt & Kranz/Tourismusv­erband Mecklenbur­g Vorpommern Winterlich­e Idylle am Wahrzeiche­n von Hiddensee: Am Leuchtturm sind in der kalten Jahreszeit Begegnunge­n mit anderen Menschen selten.
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