Donauwoerther Zeitung

Heizen mit zwei Stäbchen

- VON THOMAS WEISS weiss@azv.de

Vom 14. Stock unseres MedienHoch­hauses in Gangneung sieht es jeden Morgen richtig gut aus. Wir sehen die orangefarb­ene Sonne auf den Gegenhang Richtung Pyeongchan­g scheinen. Die Windräder oben am Grat des Gebirges wirken von hier aus monumental und ruhig. Dahinter spitzeln ein paar weiße Gipfel durch. Wäre man hier im Urlaub, man würde diesen Rosenmonta­g dazu nutzen, die Bretter ins Auto zu packen, sich noch schnell Sonnenbril­le und Sonnencrem­e zu schnappen und in Vorfreude auf Pulverschn­ee und Apres-Bar die Autobahn ins Winterspor­t-Glück hinaufzura­sen.

Doch hier ist’s irgendwie anders. Gerade noch sagt einer der beiden WG-Kollegen aus Stuttgart beim Blick aus dem Fenster: „Heut’ schaut’s abr deudlich bessr aus“, da klingeln schon im Dreiklang unsere Handys und belehren uns eines Besseren: Auch der Riesenslal­om der Frauen wird verschoben – wegen zu starken Windes. Wir jubilieren innerlich, dass wir in Ruhe in der Tiefgarage frühstücke­n und uns mal um die Wäsche kümmern können. Sogar einen Mittagschl­af ziehen wir in Erwägung, weil uns das Frauen-Skispringe­n an der Alpensia-Schanze, wenn’s denn stattfinde­t, bis weit nach Mitternach­t nicht nur den Schlaf, sondern auch die Körperwärm­e rauben wird. „Stellt’s Euch id so aaaaa“, mimt der Kollege den Büttenredn­er, „mir sind numol Windrschbo­rdschornal­ischda“. Schnell kommt der Einwand: „Nehmt Euch nicht so wichtig. Wie mag es erst den Sportlern gehen?“Betretene Stille. Und doch ein Dementi: „Di wered abr nachts um zwoi au id vom volla Busfahrer, äh Bus, an dr Schdrooos schdande glassa.“So geht das noch ein „Viertlschd­ündle“, ehe wir zur nächsten Polar-Wanderung ins Pressezent­rum aufbrechen. Es soll Kollegen geben, die suchen sich ihre Sportarten nicht nach Medaillenc­hancen, sondern der Anzahl der aufgestell­ten Heizstrahl­er aus. Diese Auswahl hat der Reporter aus dem Allgäu nicht. Er ist als Berichters­tatter von Skisprung und Kombinatio­n gebunden – ans zugigste Loch der Spiele. Zwischen Schanzenan­lage und LanglaufLo­ipen pfeift der Wind nicht, hier peitscht er. Und der dünne Holzboden des Pressezelt­s entfaltet eine Wirkung wie eine Sandale im Schnee. Doch seit gestern steuern wir dagegen – mit dem wertvollst­en, das wir aus dem Allgäu mitgebrach­t haben: einem strombetri­ebenen Schuhtrock­ner namens Happy. Diese am Kabel hängenden Wärmespend­er klemmen wir zwischen kalten Plastikstu­hl und Oberschenk­el. Klar ernten wir dafür seltsame Blicke der asiatische­n Kollegen am Nebentisch. Aber auch da können wir kontern: Mögt ihr euch über unsere Messer und Gabeltechn­ik beim Frühstück auch noch so wundern. Wir essen nicht mit Stäbchen, wir heizen damit...

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Foto: Franck Fife, afp Wenn die deutsche Fahne weht, ist Laura Dahlmeier nicht weit. Die 24 jährige Garmischer­in kämpfte sich gestern wieder erfolg reich durch Kälte und Wind zu ihrem zweiten Olympia Gold.
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Foto: Weiß Wichtigste­s Mitbringse­l aus dem Allgäu gegen die koreanisch­e Kälte: ein strom betriebene­r Schuhtrock­ner.
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