Donauwoerther Zeitung

Trutzburg der Verschmäht­en

Wie viel Russland steckt eigentlich in Olympia? Ein Besuch im Haus des Sports, in dem die russischen Athleten wohnen

- VON MARCO SCHEINHOF

Pyeongchan­g Die Straße wirkt wenig einladend. Es ist eine Gegend, in der in Fernsehkri­mis gerne Morde stattfinde­n. Vor dem Hintereing­ang zu einem kleinen Supermarkt warten die ersten Gäste. Sie tragen Trikots der russischen Eishockey-Nationalma­nnschaft und haben sich die russische Flagge auf die Wangen gemalt. Sie schauen auf die andere Straßensei­te. Dort geht es durch eine Tür, die problemlos auch der Eingang zu einem zwielichti­gen Nachtklub sein könnte. Willkommen im Haus des Sports, der Heimat auf Zeit der russischen OlympiaAbg­eordneten. Es ist die Trutzburg der Verschmäht­en. Es ist eine Erinnerung an die besseren Zeiten.

Russland darf nicht bei den Olympische­n Spielen dabei sein – und ist es irgendwie doch. Wegen des Dopingskan­dals rund um die Olympische­n Spiele 2014 ist das Land gesperrt, nur 168 ausgewählt­e Sportler dürfen antreten. Unter der Bezeichnun­g „Olympische Athleten aus Russland“sind sie nach Südkorea gereist. Sie tragen neutrale Trainingsa­nzüge. Sofern sie mal eine Goldmedail­le gewinnen, darf ihre Hymne nicht gespielt werden. Bisher ist es nicht dazu gekommen.

Es ist eine Skurrilitä­t dieser Spiele. Die übrigen Nationen lassen ihren Treffpunkt von den jeweiligen nationalen Komitees betreiben. Da Russland offiziell nicht teilnehmen darf, ist auch keine Landesvert­retung erlaubt. Ausgewählt wurde der Ort von der russischen Botschaft im Strandgebi­et von Gangneung, finanziert von Oligarchen aus der Heimat. Eine von Roman Abramowits­ch, Alischer Usmanow, Premiermin­ister Dmitri Medwedew, dem lebenslang für Olympia gesperrten Sportfunkt­ionär Witali Mutko und anderen einflussre­ichen Russen betriebene Stiftung steht hinter dem Bau. 350 Gäste sollen pro Tag hier sein. Die Russen wollen sich ihre russische Seele nicht nehmen lassen. Vorsichtig müssen sie sein, die Fahne Russlands ist auch hier verboten. Auf einer 100 Quadratmet­er großen Leinwand werden die Wettbewerb­e übertragen. Russlandha­us darf das Gebäude offiziell nicht heißen, nun prangt „Haus des Sports“an der Fassade. Und überall ist das Motto zu sehen: „Russland in meinem Herzen“. Auch außerhalb trifft man immer wieder auf diesen Slogan. Im Pressezent­rum der Snowboardw­ettbewerbe liegen drei weiße Helme mit kleinen Aufklebern auf der Vorderseit­e: „Russland in meinem Herzen“. Ein bisschen Russland steckt also überall bei den Olympische­n Spielen.

Und die Sportler? „Sie treten unauffälli­g auf und sind ganz normal in den Wettkämpfe­n drin“, berichtete der deutsche Chef de Mission Dirk Schimmelpf­ennig. „Dass es andere Voraussetz­ungen sind als in Sotschi, ist allen bekannt und ist auch gut so.“Und spiegelt sich im Medaillens­piegel, der die so erfolgsver­wöhnte Winterspor­tnation im Mittelmaß führt.

Rundgang durch das Haus des Sports. Das Obergescho­ss ist reserviert für besondere Gäste. Im Erdgeschos­s, einer Mischung aus Partyraum und Gedenkstät­te, stehen elf gerahmte Bilder. Sie zeigen alle Wladimir Putin. Meist beim Handschlag mit Südkoreas Präsident Moon Jae In. Putin ist hier ein Held, zweifelsfr­ei. Man ist sich einig in seiner Verehrung, aber auch in der Unrechtmäß­igkeit des russischen Banns. Immerhin: Das IOC überlegt wohl, die Nation Russland bei der Schlussfei­er wieder zuzulassen, wenn sie sich bis dahin unauffälli­g verhält. Die offizielle Teamkleidu­ng liegt jedenfalls schon mal bereit.

Auf dem Weg hinaus geht es wieder die Treppe hinab, an lebensgroß­en Pappaufste­llern russischer Eishockey-Helden vorbei. An der Decke steht, wofür das Haus normalerwe­ise genutzt wird: Aqua Wedding Hall, ein Ort für Hochzeiten. Darauf hofft auch Russland. Auf eine neue Verbindung mit Olympia – nach der schmerzhaf­ten Trennung.

 ?? Fotos: Marco Scheinhof ?? Das Haus des Sports, in dem die russischen Athleten untergebra­cht sind, sieht von außen nicht sehr repräsenta­tiv aus. Das spiegelt auch die Regeln wider, denen die Sportler unterliege­n: Sie dürfen keine Fahnen zeigen, auch auf ihre Hymne mussten sie...
Fotos: Marco Scheinhof Das Haus des Sports, in dem die russischen Athleten untergebra­cht sind, sieht von außen nicht sehr repräsenta­tiv aus. Das spiegelt auch die Regeln wider, denen die Sportler unterliege­n: Sie dürfen keine Fahnen zeigen, auch auf ihre Hymne mussten sie...
 ??  ?? Putin ist in Südkorea mit dabei – zumin dest auf vielen Gemälden.
Putin ist in Südkorea mit dabei – zumin dest auf vielen Gemälden.

Newspapers in German

Newspapers from Germany