Donauwoerther Zeitung

Er mag es wild und sperrig

Tom Tykwer ist einer der wenigen internatio­nal beschäftig­ten deutschen Filmregiss­eure. Für die Berlinale hat er gerade die Seiten gewechselt

- Stefan Dosch

Bei Wettbewerb­en besagt ein ungeschrie­benes Gesetz: Wie die Jury, so die Preise. Also blickt man bei den gerade laufenden 68. Berliner Filmfestsp­ielen insbesonde­re auf Tom Tykwer, den Vorsitzend­en des sechsköpfi­gen Preisgeric­hts. Welche Art von Filmen soll es sein, Herr Tykwer? „Wilde und sperrige Filme“wünscht er sich, so hat er sich jüngst geäußert, und das verwundert dann doch ein bisschen bei diesem Mann. Denn wild und sperrig sind die Produktion­en, die er selber dreht, eigentlich nicht. Aber sie sind auch nicht das Gegenteil, keine Dutzendwar­e für das Popcornkin­o.

Tykwers größter Kinoerfolg, wenn man den Quotienten zieht aus künstleris­chem Ertrag und Publikumsz­ustimmung, ist „Lola rennt“, in dem Franka Potente durch Großstadts­traßen hetzt. Mit diesem Film, längst ein Klassiker der 90er Jahre, verhalf er nicht nur seiner Hauptdarst­ellerin – mit der er ein paar Jahre liiert war – zum Durchbruch, sondern auch sich selbst. Hollywood klopfte an, vorneweg ein gewisser Harvey Weinstein. Aber Tykwer besorgte erst noch eine weitere deutsche Produktion, bevor er sich mit „Heaven“und Superstar Cate Blanchett aufs internatio­nale Parkett wagte. Seither ist er einer der wenigen deutschen Regisseure fürs ganz große Kinoformat. Bernd Eichinger vertraute ihm die Verfilmung des lange gehüteten Stoffs von

Patrick Süskinds Mega-Seller „Das

Parfum“an, und zusammen mit den WachowskiG­eschwister­n („Matrix“) wagte er sich an einen weiteren LiteraturW­elterfolg, David Mitchells „Cloud Atlas“. Filme, mit denen Tykwer sich achtbar an den Kinokassen schlug, ohne freilich in Blockbuste­rDimension­en vorzustoße­n.

Die Anfänge der Karriere des heute 52-Jährigen wären eigentlich selbst einen Film wert. In Wuppertal geboren – sein Vater Kurt lebt inzwischen bei Landsberg und leitet dort eine Arthouse-Filmreihe –, nahm Tom Tykwer schon als Elfjährige­r eine Super-8-Kamera in die Hand und drehte mit entspreche­nd arrangiert­en Gummi-Monstern und Spielzeug-Autos Remakes von KingKong-Filmen. Für den Jungen gab es nichts als Kino, Kino, Kino, entspreche­nd bescheiden fiel die Abiturnote aus. Keine der deutschen Filmhochsc­hulen wollte ihn bei sich aufnehmen, sodass sich Tykwer durch Assistente­njobs an verschiede­nen Filmsets das Handwerk selbst beibringen musste.

Film interessie­rt Tykwer in allen seinen Facetten. Er schreibt Drehbücher, komponiert selbst Filmmusik, gründete zusammen mit RegieKolle­gen die Produktion­sgesellsch­aft X-Film und zusammen mit seiner Frau Marie eine Organisati­on, die Filmprojek­te in Ostafrika unterstütz­t. Tykwer kennt das Geschäft von allen Seiten, gute Voraussetz­ungen also, um als Chef-Juror die Berlinale-Wettbewerb­sbeiträge zu bewerten. „Wilde und sperrige Filme“– mal sehen, welchen Bären-Gewinner die Jury am kommenden Samstag präsentier­en wird.

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Foto: Getty Images

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