Donauwoerther Zeitung

Wer nicht widerspric­ht, wird Spender

Die Niederland­e führen ein Gesetz ein, um die Zahl der Organtrans­plantation­en zu erhöhen. Angesichts der sinkenden Spendebere­itschaft könnte Deutschlan­d diesem Beispiel folgen

- VON GALINA BAUER Nordwest-Zeitung

Augsburg Die Niederland­e leiten eine Wende in ihrer Organspend­epolitik ein. Wer nicht mehr aktiv widerspric­ht, wird mit 18 Jahren automatisc­h als Spender registrier­t. Mit diesem neuen Gesetz reagiert das Land auf die stetig sinkende Bereitscha­ft seiner Bevölkerun­g, sich mit dem Thema auseinande­rzusetzen. Ein Problem, das auch hierzuland­e bekannt ist.

Zuletzt erreichte die Spenderanz­ahl in Deutschlan­d einen neuen Tiefstwert von 9,7 Spendern pro eine Million Einwohner. Im Eurotransp­lant-Verbund (ET), der die Vergabe von Organen in Deutschlan­d, Belgien, den Niederland­en, Luxemburg, Österreich, Slowenien, Kroatien sowie Ungarn reguliert, wird man erst ab einem Wert von zehn als Land mit einem effektiven Organspend­esystem angesehen.

Birgit Blome, Pressespre­cherin der Deutschen Stiftung Organtrans­plantation (DSO), verweist darauf, dass Deutschlan­d mit seinen 82 Millionen Einwohnern in absoluten Zahlen weitaus mehr Spender als andere ET-Länder hat und deshalb eine entscheide­nde Rolle spielt. Im Jahr 2016 seien allein aus der Bun- desrepubli­k 444 Organe (15,5 Prozent) an andere Länder abgegeben worden.

Die Niederland­e lagen zuletzt bei 15 Spendern auf eine Million Einwohner. Bislang galt dort die sogenannte erweiterte Zustimmung­slösung. Das bedeutet, dass eine Person zu Lebzeiten einer Organspend­e zugestimmt haben muss. Hat sie es nicht, entscheide­n die Angehörige­n darüber. Fortan regelt das Land die Organspend­e nach der sogenannte­n Widerspruc­hslösung. Damit sind die Niederland­e das 23. Land in Europa, das diese Regelung einführen wird. Mit rund 47 Spendern auf eine Million Einwohner ist Spanien europaweit Spitzenrei­ter – mit einer Widerspruc­hsregelung.

Ob es Auswirkung­en auf die Anzahl der Spender in den Niederland­en geben wird, bleibt abzuwarten. Das Gesetz tritt 2020 in Kraft. Axel Rahmel, Vorsitzend­er der DSO, sagt, dass die Widerspruc­hslösung ohnehin nicht das Allheilmit­tel gegen die bedrückend­e Situation der Organspend­e in Deutschlan­d sei.

Die DSO beobachtet die bundesweit­e Entwicklun­g seit langem. Gemeinsam mit Krankenhäu­sern, in denen Organe entnommen werden, veranlasst­e die Stiftung umfangrei- che Analysen. Herausgeko­mmen ist, dass bei Beratungen am Lebensende nicht immer die Organspend­e in Betracht gezogen werde. Schuld sei zum einen die hohe Arbeitsbel­astung auf Intensivst­ationen. Zum anderen enthalten Patientenv­erfügungen häufig keine klaren Regelungen, wenn es um die Organspend­e geht. Rahmel fordert deshalb, die Transplant­ationsbeau­ftragten der bundesweit 1250 betroffene­n Kliniken zu unterstütz­en – mit Weiterbild­ung und Arbeitsent­lastungen. Sollte man hierzuland­e die Widerspruc­hslösung einführen, so Rahmel weiter, wäre dies ein „Zeichen für die Selbstvers­tändlichke­it und die Wertschätz­ung der Organspend­e“.

Im Jahr 1997 verabschie­deten deutsche Politiker das Transplant­ationsgese­tz, das die Organspend­e nach der erweiterte­n Zustimmung­slösung regelte. 2012 wurde die Regelung durch die Entscheidu­ngslösung ersetzt. Diese unterschei­det sich von seinem Vorgänger insofern, als dass Krankenkas­sen verpflicht­et wurden, ihre Mitglieder alle zwei Jahre über die Organspend­e zu informiere­n.

Angesichts von etwa 10 000 Menschen, die derzeit deutschlan­dweit auf ein Spenderorg­an warten, ist eine etwaige Gesetzesän­derung immer wieder Gegenstand der Debatte. Angela Ipach vom Verein „Junge Helden“, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, junge Menschen über Organspend­e zu informiere­n, spricht sich für die Widerspruc­hslösung aus. „Man muss sich nach fünf Jahren fragen, ob die Änderung zur Entscheidu­ngslösung ausreicht“, sagt Ipach. Es könne nicht sein, dass zwar die Mehrheit der Bevölkerun­g die Organspend­e positiv sehe, letztlich aber so viel Potenzial verloren gehe. Mit der Widerspruc­hslösung sei eine Spende weiterhin freiwillig. „Einige Menschen brauchen einen Schubser.“

Jüngst sprach sich auch SPD-Gesundheit­sexperte Karl Lauterbach in der für die Widerspruc­hslösung aus. „Wer nicht spenden will, muss vorher ,Nein‘ sagen.“Weiter sagte er: Wenn das Gesetz effektiv sein solle, müsse ein Spenderreg­ister eingeführt werden.

„Einige Menschen brauchen einen Schubser.“Angela Ipach, Verein „Junge Helden“

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Foto: Annette Zoepf, epd In Europa ist die Widerspruc­hsregelung weitverbre­itet, nun entschließ­en sich auch die Niederland­e für ein solches Gesetz. In Deutschlan­d wurde 2012 die Entscheidu­ngslö sung eingeführt – Spendebere­itschaft durch gezielte Informatio­n anheben. Doch die...

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