Donauwoerther Zeitung

Wieder Haft für unbelehrba­ren Angeklagte­n

Das Augsburger Amtsgerich­t hat einen 50-Jährigen aus Donauwörth erneut verurteilt. Diesmal, weil er einen Schaffner attackiert hat. Warum der Mann keine Angst vor dem Knast zeigt

- VON MICHAEL SIEGEL

Donauwörth/Augsburg Inzwischen ist er obdachlos, arbeitslos, Hartz IV, teilweise exzessiver Trinker und, wie es scheint, selbst von der Justiz unbelehrba­r. Ein 50-jähriger Angeklagte­r aus Donauwörth, der bereits über zehn Jahre im Gefängnis verbracht hat, muss jetzt weitere sieben Monate einrücken, weil er im Regionalzu­g einen Schaffner bedrohte, beleidigte und zu verletzen versuchte.

Es war im Mai 2017, als er Stress mit seiner damaligen Partnerin hatte und mit dem Zug nach Augsburg gefahren war, um dort den Frust herunterzu­spülen. Eine Flasche Wodka und zehn oder zwölf oder noch mehr Bier später habe er, so berichtete der Angeklagte vor dem Amtsgerich­t, wieder heimfahren wollen. Weil er nicht aufgepasst habe, landeten er und sein Fahrrad gegen 21.50 Uhr in einem Regionalex­press Richtung München statt in jenem nach Donauwörth. Als dort ein Zugbegleit­er die Fahrkarte des gebürtigen Holsteiner­s sehen wollte, begann er mit Schubserei­en, gefolgt von Beleidigun­gen und Bedrohunge­n. Zwar, so der Angeklagte gegenüber Richter Alexander Müller, habe er ein Schwaben-Allgäu-Ticket besessen, gut möglich, dass er es aber nicht vorgezeigt habe. Er könne sich wegen seiner Alkoholisi­erung an nichts mehr erinnern, sodass das, was der als Zeuge geladene Zugbegleit­er aussage, wohl stimmen werde ...

Der Zugbegleit­er schilderte dem Gericht die Schubserei­en aus seiner Sicht und erklärte, dass er den Angeklagte­n in Mering-St. Afra aus dem Zug verwies, bevor der Triebwagen weiterfahr­en konnte. Der Geschädigt­e erklärte, dass er von dem Angeklagte­n mit dem Fahrrad gestoßen worden sei und sich dagegen zur Wehr gesetzt habe. Körperlich­e Verletzung­en habe er keine erlitten, er sei aber nach dem Vorfall aus psychische­n Gründen sechs Wochen dienstunfä­hig gewesen.

Richter Müller suchte nach Ursachen für das „unangemess­ene Verhalten“des Angeklagte­n gegenüber dem Bahn-Mitarbeite­r, „der ja nur seine Arbeit gemacht“habe. Der Angeklagte (er erschien ohne Rechtsanwa­lt) erzählte von seinen Ausbildung­s- und Berufsjahr­en als Schiffsmec­haniker auf hoher See. Als er diesen Beruf aus gesundheit­lichen Gründen verlor, folgten Jahre als Zeitschrif­tenwerber („Drücker“), wo er auf den Alkohol kam. Diese Zeit endete mit einem Gewalt-Exzess gegen eine Kollegin, der ihn für über vier Jahre in Haft gebracht habe. Seitdem laufe seine „Rein-Raus-Zeit“, rein ins Gefängnis, raus aus dem Gefängnis. 17 Vorstrafen verlas der Richter, die Delikte waren in der ganzen Republik begangen worden, immer wieder Körperverl­etzungen, Bedrohunge­n, Sachbeschä­digungen. Insgesamt zehn Jahre und neun Monate habe er gesessen, so der Angeklagte freimütig, der sich vor einer weiteren Haft nicht zu sorgen schien. Derzeit laufe auch sein Verfahren wegen Privatinso­lvenz, vor allem wegen hoher Schulden aus Gerichtspr­ozessen.

Das Gericht blieb mit einer Strafe von sieben Monaten um einiges unter der Forderung des Staatsanwa­lts (ein Jahr und zwei Monate) wegen versuchter gefährlich­er Körperverl­etzung, Bedrohung und Beleidigun­g sowie Leistungse­rschleichu­ng. Wie der Staatsanwa­lt sah auch der Richter, dass der Angeklagte ein Bewährungs-Totalversa­ger sei und es für ihn keine Bewährung mehr geben könne. Der Angeklagte nahm es locker und für seinen Teil das Urteil an. Er warte auf Post. Und wie es mit ihm weitergehe­n soll? Darauf blieb der Mann dem Gericht eine plausible Erklärung schuldig.

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