Ein Bach Experte gibt sich die Ehre
Der australische Pianist Daniel Herscovitch stellt Johann Sebastian Bachs großes Werk „Die Kunst der Fuge“dem Mertinger Publikum vor
Mertingen Ein Konzertabend mit Musik von Johann Sebastian Bach ist eigentlich nichts Ungewöhnliches. Ungewöhnlich hingegen ist das Programm: sein selten im Konzert gespieltes Monumentalwerk „Die Kunst der Fuge“. Ein Lebenswerk, nicht vollendet, bis heute Ursache vielfältiger musikalischer Forschung. Ein Zyklus von 14 drei- und vierstimmigen Fugen (hier „Contrapunctus“genannt), davon zwei Spiegelfugen, und vier zweistimmige Kanons. Eine Sammlung von Kompositionen über ein Thema, das aus zwei Grundpfeilern der tonalen Musik besteht: einem Dreiklang und einer Tonleiter und dessen Möglichkeiten, systematisch erforscht zu werden.
Es war ein Konzertabend in Mertingen, der sowohl an den Interpreten wie an die Zuhörer allerhöchste Anforderungen stellt. Der Pianist: Daniel Herscovitch, geboren in Melbourne, Australien, wohnhaft in Sydney – der in München studierte, eine Professur in Sydney innehat, auf Europatournee. In Oslo, Leeds wie in Mertingen „seinen“Bach, die „Kunst der Fuge“spielt – wie vorgehend in Australien, den USA oder Asien. Ein Experte in Sachen Bach – deutlich vernehmbar an diesem exzeptionellen Abend. Der so spielte, dass jeder Ton, jede Melodielinie in diesem ohne Pause gespielten Werk auch beim Zuhörer ankam. Dem es durch sehr genaues Spiel, Präzision, und immer wieder aufleuchtende Leidenschaft gelang, Bachs Musik zu einem überzeugenden Hörerlebnis zu machen. Dessen Konzentration und Begeisterung für das Werk sich den Zuhörern mitteilte, denn: Die „Kunst der Fuge“verkörpere die reinste Erscheinung barocker Kunst. Dieses Werk sei ein philosophisches Brevier, das mit jedem Takt zu nachdenklicher Besinnung anrege.
So zog die Musik alle mit – auch die anwesenden Kinder, in 80 Minuten gebanntes Zuhören. So gespielt war die „ Kunst der Fuge“kein nur intellektuelles (anstrengendes) Hör-Vergnügen, dem musikalischen Kompositionsprinzip polyfoner Mehrstimmigkeit, in dem ein musikalisches Thema in verschiedenen Stimmen zeitlich versetzt, moduliert, wiederholt wird, zu lauschen. So dargeboten, war die in diesem Werk verewigte Kompositionskunst überwältigend. Bach verwendet ja in der „Kunst der Fuge“nicht nur verschiedene Fugenarten sowie deren herkömmliche Verarbeitungsformen – Umkehrung, Vergrößerung und Verkleinerung – sondern zusätzlich weitere, allgemeinere musikalische Gestaltungsmittel, und auch das Fugenthema selber ist Veränderungen unterworfen, die über herkömmliche Verarbeitungsformen der Fuge hinausgehen: Bach erreicht so eine unendliche Ausdrucksvielfalt – von tiefstem Ernst zur heiterer, tänzerischer Grazie – ganz besonders in Fuge Nr. 13, die wie eine Gigue klingt.
Herscovitch, der klug die Kanons zwischen die Fugen platzierte, spielte überzeugend farbig auch den letzten, unvollendeten Contrapunctus, in dem der Komponist das BACH-Motiv als drittes Thema verwendet, in einer Ergänzung, die der britische Cembalist Davitt Moroney vorgenommen hat und die begeisterten Zuhörer wussten in ihrem reichen Beifall dem strahlenden Pianisten volles Lob zu zollen – und einem Abend, an dem in der „Kunst der Fuge“die unendliche Tiefe der Musik des großen Johann Sebastian Bach herauszuarbeiten gelang.