Immer mehr Dieselfahrer verklagen VW
Auch bei den Gerichten in der Region türmen sich die Fälle. Bald verjähren die ersten
Augsburg/Kempten Bei den bayerischen Landgerichten stapeln sich die Klagen frustrierter Dieselfahrer gegen den Volkswagen-Konzern, seine Händler und andere Hersteller. 150 sind es inzwischen allein in Augsburg – und jede Woche kommen neue hinzu. In Ingolstadt laufen derzeit rund 140 Verfahren, beim Landgericht Kempten sind bisher rund 80 Klagen eingegangen, in Memmingen mehr als 50. Jenseits der Landesgrenze, beim Landgericht Ulm, sitzen die Richter über 80 Verfahren gegen Volkswagen. „Jeder Kollege bei uns im Haus“, sagt eine Gerichtssprecherin dort, „hat Dieselfälle zu verhandeln.“
Der Münchner Anwalt Henning Leitz vertritt Mandanten, die Schadenersatz verlangen, weil ihre Autos mit einer unerlaubten Software ausgerüstet worden sind, die die Abgaswerte künstlich schönt. Bundesweit vertritt seine Kanzlei rund 800 Dieselfahrer. Leitz rät Betroffenen, sich bald zu entscheiden, ob sie klagen wollen, und weist auf die dreijährige Verjährungsfrist hin, die in dem Moment beginnt, in dem ein Kunde von der Pflichtverletzung erfährt. In diesem Fall also ab Bekanntwerden des Diesel-Skandals 2015. Im Regelfall tritt die Verjährung damit spätestens mit Ablauf dieses Jahres ein.
Die Urteile fallen sehr verschieden aus, weil auch die Ausgangslage von Fall zu Fall sehr unterschiedlich ist. Nach einem Verfahren in Ingolstadt zum Beispiel musste VW den Kaufpreis für ein Dieselfahrzeug abzüglich einer Nutzungsentschädigung zurückzahlen. In einem anderen Fall forderte ein Kunde einen neuen VW Tiguan von Volkswagen. Tatsächlich musste der Konzern ihm nach einem Urteil des Landgerichts Kempten aber lediglich rund 3700 Euro bezahlen.
Nach Auskunft von Anwalt Leitz entscheiden die Gerichte bundesweit tendenziell eher zu Lasten von Volkswagen. „Es ist schon außergewöhnlich, dass sich so viele verschiedene Gerichte so einig sind“, sagt er. In einigen sei sogar von Betrug die Rede. Für Anwalt Leitz ist das eine „schallende Ohrfeige“für den VW-Konzern. Ein rechtskräftiges Urteil einer höheren Instanz, also von einem Oberlandesgericht, gibt es bislang nicht. Leitz vermutet, dass Volkswagen bestehende Urteile bewusst nicht anficht, weil ein entsprechender Richterspruch einer übergeordneten Instanz noch mehr Dieselkäufer zu einer Klage ermutigen würde.
In den Vereinigten Staaten können mehrere Geschädigte mit einer Sammelklage stellvertretend für alle Betroffenen vor Gericht ziehen. In Deutschland muss jeder Betroffene selbst klagen. Der Rechtsdienstleister My Right bietet Verbrauchern allerdings eine ähnliche Möglichkeit, zu ihrem Recht zu kommen. Jeder Geschädigte kann dem Unternehmen seine Forderung abtreten. Das wiederum fasst ähnliche Ansprüche dann zu einer Klage zusammen. 35 000 Dieselkunden haben sich nach Angaben des Unternehmens bereits an My Right gewandt, für 15000 davon habe man schon Ansprüche vor Gericht durchgesetzt.