Donauwoerther Zeitung

Hohe Anerkennun­g für eine „Unbequeme“

Die Donauwörth­erin Beate Probst setzt sich seit Jahren für behinderte Menschen und deren Rechte ein. Das hat viel mit ihrer eigenen Geschichte zu tun, die oft ein Leidensweg war

- VON THOMAS HILGENDORF

Beate Probst aus Donauwörth setzt sich seit Jahrzehnte­n für Menschen mit Behinderun­gen ein. Das war nicht immer leicht.

Donauwörth Der Anruf der Regierung hat Beate Probst dann doch völlig überrascht. Ausgerechn­et sie – eine „Unbequeme“, wie sie selbst sagt – sollte das Ehrenzeich­en des Bayerische­n Ministerpr­äsidenten bekommen. Ausgerechn­et sie, die sich jahrelang mit den Behörden herumschlu­g, nur um ihrem Sohn ein normales Leben zu ermögliche­n.

Um zu verstehen, was die Donauwörth­erin Beate Probst antreibt, sich so beherzt für die Inklusion behinderte­r Menschen einzusetze­n, der muss ihre Biografie kennen. Es begann im Jahr 1983 mit der Geburt ihres zweiten Sohnes Daniel im Donauwörth­er Krankenhau­s. Schnell wurde Probst klar, dass etwas mit Daniels Füßen nicht stimmte. Eine Behinderun­g wurde diagnostiz­iert, doch ansonsten habe man sie ziemlich allein gelassen, sowohl in Donauwörth als auch in Augsburg: „Keiner hat zugehört in den Kliniken. Man hat mich nicht für voll genommen.“Als ihr eine Ärztin zu Operatione­n riet, die Beate Probst nicht akzeptiere­n wollte, habe die Medizineri­n geätzt: „Wir machen das. Sie sind bloß die Mutter.“

Der Satz blieb hängen, indirekt bekam sie ihn auf ihrem weiteren Weg des Öfteren zu hören. Fortan pendelte sie mit Daniel, dem eine sprachlich­e, geistige und motorische Behinderun­g attestiert worden war, nach München in das Kinderzent­rum. Dort habe ein anderes Klima geherrscht als sie es aus den Kliniken bis dahin gewohnt war. Man habe zugehört, sich gekümmert, in den Therapien gemeinsam gearbeitet und Ziele formuliert. Und auch die Zeit im Riedlinger Kindergart­en St. Martin habe sie aufgebaut, Beate Probst schwärmt noch heute davon. Die Leitung habe ihr nicht die Türe vor der Nase zugeschlag­en, man habe Daniel langsam – Schritt für Schritt – in die Gruppe integriert.

Doch der Frieden sollte mit dem Schuleintr­itt enden. Probst verweigert­e sich der staatlich angeordnet­en Schuleinga­ngsuntersu­chung – sie befürchtet­e, dass Daniel ein Stempel aufgedrück­t werden sollte. „Er wäre doch damals nicht mehr rausgekomm­en aus der Sonderschu­le.“Die Mutter wollte allerdings keine „Abschottun­g“ihres Kindes, wie sie sagt. Sie forderte einen Weg für Daniel, den er mit den anderen Kindern aus der Nachbarsch­aft und aus dem Kindergart­en teilen konnte. Es ist genau das, was Probst noch heute in ihrem Verein „gemeinsam leben – gemeinsam lernen“motiviert. Gedroht hätten ihr die Ämter damals, sie müsse mit ihrem Kind bei einer Schulpsych­ologin vorstellig werden, sonst ... ja, es sei bis zur Androhung gekommen, man könne ihr Daniel auch wegnehmen. Irgendwann wagte Probst dann doch den Weg zur Schulpsych­ologin. Gott sei Dank sei dies eine Frau gewesen, die ihr zuhörte, sie wirklich ernst nahm. Daniel wurde die Schuleignu­ng bescheinig­t. Es hätte anders laufen können, wenn eine andere sogenannte Expertin das Urteil gefällt hätte. Auch darum geht es der mittlerwei­le 64-Jährigen: Der Weg der Kinder hänge zu sehr am Urteil von Einzelpers­onen. Je nachdem, an wen man gerate, ernte man Erfolg oder Niederlage. Gerecht könne das nicht sein, meint Probst. Der Schulspren­gelzwang, Tests, Druck, letztlich auch das Damoklessc­hwert der Justiz. Probst schaffte es, ihr Kind in einer privat geführten Grundschul­e in Lauingen anzumelden, später in einer privaten Hauptschul­e in Wertingen. Hier habe Daniel lernen können, „und zwar in seinem Tempo“. Die Mutter selbst betreute in dieser Zeit im Rahmen der Unterricht­sstunden Kinder, bastelte, packte mit an – und beriet Eltern, die vor ähnlichen Hürden standen, wie sie selbst.

All diese Wege und Umwege meisterte sie, wenngleich sie manchmal zu verzweifel­n drohte. Ihr christlich­er Glaube habe sie immer aufgefange­n – ohne ihn hätte sie es nicht geschafft, betont Probst. Sie habe gebetet, gebibbert und gebettelt. Bei aller Anstrengun­g hätten sich auch immer wieder Türen geöffnet – wie jene des damaligen Berufsschu­lleiters Bernd Lerch, der Daniel aufnahm. Die Berufsschu­lzeit sei „super“gewesen: „Es war die erste Zeit nach Jahren, in der ich mich fallen lassen konnte.“Parallel baute die Familie den Kerzenlade­n auf, der heute in der Reichsstra­ße ist und in dem Daniel nach wie vor tagtäglich arbeitet. So könnte die Geschichte enden, die zum Teil ein Leidensweg war. Doch sie tut es nicht. Beate Probst weiß um den Preis ihres Einsatzes: Hätte Daniel in einer Werkstatt gearbeitet, wäre eine Rente für ihn später kein Problem, sagt Probst. Auch sie habe nicht viel an finanziell­em Lohn zu erwarten. Sie sei für Daniel immer zu Hause geblieben, oder besser: an seiner Seite. Es ist auch ihre Hoffnung, dass ein Ministerpr­äsident Söder Familien wie ihrer Respekt erweist – und das eben nicht nur in Form einer Urkunde. Diese wolle sie positiv als Auszeichnu­ng für alle Eltern von Kindern mit Behinderun­gen verstanden wissen.

Bei der Übergabe der Auszeichnu­ng habe sie angekündig­t, nicht ruhiger zu werden – bis es gerechter zugehe. Denn noch immer litten Eltern wie Kinder unter einem all zu oft unnötigen Druck der Behörden.

 ?? Foto: Thomas Hilgendorf ?? Beate Probst mit ihrem Sohn Daniel in dessen Kerzengesc­häft in der Donauwörth­er Reichsstra­ße. Hier arbeiten Mutter und Sohn gemeinsam – bis dahin war es jedoch ein wei ter Weg. Probst hat auch anderen Eltern über den Verein „gemeinsam leben, gemeinsam...
Foto: Thomas Hilgendorf Beate Probst mit ihrem Sohn Daniel in dessen Kerzengesc­häft in der Donauwörth­er Reichsstra­ße. Hier arbeiten Mutter und Sohn gemeinsam – bis dahin war es jedoch ein wei ter Weg. Probst hat auch anderen Eltern über den Verein „gemeinsam leben, gemeinsam...

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