Hohe Anerkennung für eine „Unbequeme“
Die Donauwörtherin Beate Probst setzt sich seit Jahren für behinderte Menschen und deren Rechte ein. Das hat viel mit ihrer eigenen Geschichte zu tun, die oft ein Leidensweg war
Beate Probst aus Donauwörth setzt sich seit Jahrzehnten für Menschen mit Behinderungen ein. Das war nicht immer leicht.
Donauwörth Der Anruf der Regierung hat Beate Probst dann doch völlig überrascht. Ausgerechnet sie – eine „Unbequeme“, wie sie selbst sagt – sollte das Ehrenzeichen des Bayerischen Ministerpräsidenten bekommen. Ausgerechnet sie, die sich jahrelang mit den Behörden herumschlug, nur um ihrem Sohn ein normales Leben zu ermöglichen.
Um zu verstehen, was die Donauwörtherin Beate Probst antreibt, sich so beherzt für die Inklusion behinderter Menschen einzusetzen, der muss ihre Biografie kennen. Es begann im Jahr 1983 mit der Geburt ihres zweiten Sohnes Daniel im Donauwörther Krankenhaus. Schnell wurde Probst klar, dass etwas mit Daniels Füßen nicht stimmte. Eine Behinderung wurde diagnostiziert, doch ansonsten habe man sie ziemlich allein gelassen, sowohl in Donauwörth als auch in Augsburg: „Keiner hat zugehört in den Kliniken. Man hat mich nicht für voll genommen.“Als ihr eine Ärztin zu Operationen riet, die Beate Probst nicht akzeptieren wollte, habe die Medizinerin geätzt: „Wir machen das. Sie sind bloß die Mutter.“
Der Satz blieb hängen, indirekt bekam sie ihn auf ihrem weiteren Weg des Öfteren zu hören. Fortan pendelte sie mit Daniel, dem eine sprachliche, geistige und motorische Behinderung attestiert worden war, nach München in das Kinderzentrum. Dort habe ein anderes Klima geherrscht als sie es aus den Kliniken bis dahin gewohnt war. Man habe zugehört, sich gekümmert, in den Therapien gemeinsam gearbeitet und Ziele formuliert. Und auch die Zeit im Riedlinger Kindergarten St. Martin habe sie aufgebaut, Beate Probst schwärmt noch heute davon. Die Leitung habe ihr nicht die Türe vor der Nase zugeschlagen, man habe Daniel langsam – Schritt für Schritt – in die Gruppe integriert.
Doch der Frieden sollte mit dem Schuleintritt enden. Probst verweigerte sich der staatlich angeordneten Schuleingangsuntersuchung – sie befürchtete, dass Daniel ein Stempel aufgedrückt werden sollte. „Er wäre doch damals nicht mehr rausgekommen aus der Sonderschule.“Die Mutter wollte allerdings keine „Abschottung“ihres Kindes, wie sie sagt. Sie forderte einen Weg für Daniel, den er mit den anderen Kindern aus der Nachbarschaft und aus dem Kindergarten teilen konnte. Es ist genau das, was Probst noch heute in ihrem Verein „gemeinsam leben – gemeinsam lernen“motiviert. Gedroht hätten ihr die Ämter damals, sie müsse mit ihrem Kind bei einer Schulpsychologin vorstellig werden, sonst ... ja, es sei bis zur Androhung gekommen, man könne ihr Daniel auch wegnehmen. Irgendwann wagte Probst dann doch den Weg zur Schulpsychologin. Gott sei Dank sei dies eine Frau gewesen, die ihr zuhörte, sie wirklich ernst nahm. Daniel wurde die Schuleignung bescheinigt. Es hätte anders laufen können, wenn eine andere sogenannte Expertin das Urteil gefällt hätte. Auch darum geht es der mittlerweile 64-Jährigen: Der Weg der Kinder hänge zu sehr am Urteil von Einzelpersonen. Je nachdem, an wen man gerate, ernte man Erfolg oder Niederlage. Gerecht könne das nicht sein, meint Probst. Der Schulsprengelzwang, Tests, Druck, letztlich auch das Damoklesschwert der Justiz. Probst schaffte es, ihr Kind in einer privat geführten Grundschule in Lauingen anzumelden, später in einer privaten Hauptschule in Wertingen. Hier habe Daniel lernen können, „und zwar in seinem Tempo“. Die Mutter selbst betreute in dieser Zeit im Rahmen der Unterrichtsstunden Kinder, bastelte, packte mit an – und beriet Eltern, die vor ähnlichen Hürden standen, wie sie selbst.
All diese Wege und Umwege meisterte sie, wenngleich sie manchmal zu verzweifeln drohte. Ihr christlicher Glaube habe sie immer aufgefangen – ohne ihn hätte sie es nicht geschafft, betont Probst. Sie habe gebetet, gebibbert und gebettelt. Bei aller Anstrengung hätten sich auch immer wieder Türen geöffnet – wie jene des damaligen Berufsschulleiters Bernd Lerch, der Daniel aufnahm. Die Berufsschulzeit sei „super“gewesen: „Es war die erste Zeit nach Jahren, in der ich mich fallen lassen konnte.“Parallel baute die Familie den Kerzenladen auf, der heute in der Reichsstraße ist und in dem Daniel nach wie vor tagtäglich arbeitet. So könnte die Geschichte enden, die zum Teil ein Leidensweg war. Doch sie tut es nicht. Beate Probst weiß um den Preis ihres Einsatzes: Hätte Daniel in einer Werkstatt gearbeitet, wäre eine Rente für ihn später kein Problem, sagt Probst. Auch sie habe nicht viel an finanziellem Lohn zu erwarten. Sie sei für Daniel immer zu Hause geblieben, oder besser: an seiner Seite. Es ist auch ihre Hoffnung, dass ein Ministerpräsident Söder Familien wie ihrer Respekt erweist – und das eben nicht nur in Form einer Urkunde. Diese wolle sie positiv als Auszeichnung für alle Eltern von Kindern mit Behinderungen verstanden wissen.
Bei der Übergabe der Auszeichnung habe sie angekündigt, nicht ruhiger zu werden – bis es gerechter zugehe. Denn noch immer litten Eltern wie Kinder unter einem all zu oft unnötigen Druck der Behörden.