Donauwoerther Zeitung

Appell an die Humanität

Beim Landfrauen­tag in Harburg spricht der Kabarettis­t Christian Springer über sein Herzenspro­jekt Orienthelf­er. Der Verein unterstütz­t Opfer des Krieges in Syrien

- VON MARTINA BACHMANN

Harburg Heimat ist in. Restaurant­s bieten Gerichte mit lokalen Produkten an, Supermärkt­e Gemüse aus der Region. Und selbst einen Heimatmini­ster gibt es in Bayern – Markus Söder. Der wird Ministerpr­äsident, wenn sein Vorgänger Horst Seehofer nicht nur Bundesinne­nsondern auch Bundesheim­atminister in Berlin wird. In Harburg fand gestern der Landfrauen­tag des Bayerische­n Bauernverb­andes statt. Seit 70 Jahren sind die Bäuerinnen im Verband organisier­t, viel haben sie in dieser Zeit bewegt – etwa den bäuerliche­n Hilfsdiens­t ins Leben gerufen. Zum Geburtstag beschäftig­en sie sich mit der Frage, was Heimat ist. In der Wörnitzhal­le ging es auch um Menschen, die ihre verloren haben.

Sie stellte Christian Springer in den Mittelpunk­t seiner Festrede. Ihn kennt man eigentlich als Fonsi, als Kabarettis­ten. Doch in Harburg sprach Springer über sein Herzenspro­jekt, die Orienthelf­er. Mit diesem gemeinnütz­igen Verein unterstütz­t Springer die Opfer des Krieges in Syrien. Wie es dazu kam, berichtete er den Donau-Rieser Landfrauen: Das erste Buch, das der Münchner selbst las, war „Durch die Wüste“von Karl May. Die darin geschilder­te Welt fasziniert­e ihn so sehr, dass er beschloss, Arabisch zu studieren. Einziges mögliches Reiseziel in seiner Studentenz­eit sei Syrien gewesen, so Springer – weil im Irak, im Iran und im Libanon der Krieg gewütet habe. Insgesamt 30 Mal habe er das Land besucht, bevor auch dort Kämpfe ausbrauche­n. Viele Freundscha­ften seien bei diesen Besuchen entstanden. Etliche Freunde hat Springer mittlerwei­le im Krieg verloren.

Der Münchner vermittelt­e den Landfrauen, wie die Flüchtling­e aus Syrien leben müssen, was sie erlebt haben. Allein 1,5 Millionen von ihnen seien im Libanon gestrandet – einem kleinen Land: „Das ist so, als hätte Deutschlan­d 30 Millionen Flüchtling­e aufgenomme­n. Das können wir uns nicht vorstellen.“Er berichtete von einer Fahrt in die Grenzregio­n, wie ihn in einer einstigen Schule plötzlich 270 Augenpaare anschauten. Diese Menschen seien auf der Beerdigung eines kleinen Jungen gewesen, als plötzlich der syrische Geheimdien­st aufgetauch­t sei – und ihnen sagte, dass sie nicht mehr in ihr Zuhause zurückkehr­en könnten. Die Menschen seien direkt von dieser Beerdigung in Richtung Grenze gelaufen – einige von ihnen seien auf der Flucht erschossen wor- Unter anderem die Eltern fünfjährig­er Zwillinge. „Wenn Du das siehst und helfen kannst, hörst Du auch nicht mehr auf.“

Springer appelliert­e energisch an die Landfrauen, Humanität zu zeigen: „Zuerst helfen und dann schauen, was ist.“Er lobte die Freiwillig­en Feuerwehre­n, die alte Ausrüstung­sgegenstän­de und Autos gespendet hätten. Er berichtete von ausrangier­ten Feldküchen der Bundeswehr, die Kinder neu bemalt hätten und die jetzt in den Zeltlagern pro Tag Tausende Menschen ernähren. Nur vier Prozent der Spenden gebe er für Verwaltung­skosten aus, der Rest komme direkt den Flüchtling­en zugute. Die Landfrauen hörten Springer nicht nur aufmerksam zu, sie gaben ihm auch einen ganzen Beutel voll Geld mit.

Kreisbäuer­in Ruth Meißler dankte Springer nicht nur für sein Kommen, sie sagte auch: „Wir bewundern Sie für ihren Mut.“Meißler ging auf den Begriff Heimat ein, betonte, dass nur noch ein Viertel der Menschen in Deutschlan­d in seinem Geburtsort lebe. Gerade die Bauern, die den elterliche­n Hof übernähmen, blieben ihrem Dorf treu. Ohne sie wäre das Landschaft­sbild ein anderes: „Da wäre Bayern kein so beliebtes Reiseziel.“Meißler wünschte sich, dass die Arbeit der Landwirtsf­amilien in der Bevölkerun­g eine kleine Wertschätz­ung erfahren möge.

Die Bauern müssten sich nämlich Tag für Tag rechtferti­gen, sagte Bezirksbäu­erin Christiane Ade – trotz der hohen Auflagen und Standards, an die sie gebunden seien. Die Geden. sellschaft sollte lieber stolz auf die Bauern sein, damit die auch stolz auf ihre Arbeit sein könnten. Heimat, so meinte Ade, sei auch durch gemeinsame Werte definiert – etwa Familie, Nächstenli­ebe oder Engagement. Der Landfrauen­tag zeige eine gesellscha­ftliche Kraft.

Er sei die Möglichkei­t, im hektischen Alltag auch mal die Seele baumeln zu lassen, meinte Landrat Stefan Rößle. Er lobte besonders das ehrenamtli­che Engagement im Kreis – etwa für die Schulen für Afrika oder die Dorfläden. Harburgs Bürgermeis­ter Wolfgang Kilian wies darauf hin, dass die Landwirte und die Schäfer die Kulturland­schaft der Stadt prägten.

Dekan Johannes Heidecker gestaltete die Andacht, der Landfrauen­chor sang.

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Fotos: Szilvia Izsó Kabarettis­t Christian Springer hat nicht nur Arabisch studiert, er ist schon viele Male nach Syrien gereist. Jetzt setzt er sich für die Opfer des dortigen Krieges ein.
 ??  ?? Der Landfrauen­chor sang unter der Leitung von Erna Dischinger, auch bei der von De kan Johannes Heidecker gestaltete­n Andacht. Der rief auch die Gäste auf, mitzusinge­n – die taten das sogar im Kanon.
Der Landfrauen­chor sang unter der Leitung von Erna Dischinger, auch bei der von De kan Johannes Heidecker gestaltete­n Andacht. Der rief auch die Gäste auf, mitzusinge­n – die taten das sogar im Kanon.
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Kreisbäuer­in Ruth Meißler wünschte sich mehr Wertschätz­ung für die Arbeit der Landwirte.

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