Donauwoerther Zeitung

Ist die AfD ein Fall für den Verfassung­sschutz?

In Bayern beobachtet der Dienst einzelne Mitglieder, aber nicht die ganze Partei

- VON MARTIN FERBER, RUDI WAIS UND PHILIPP KINNE

Berlin/Augsburg Obwohl einzelne Mitglieder der Alternativ­e für Deutschlan­d regelmäßig völkische und nationalis­tische Töne anschlagen, geht der Verfassung­sschutz noch vergleichs­weise entspannt mit ihr um. In Bayern stehe eine „überschaub­are Personenza­hl“unter Beobachtun­g, betonte ein Sprecher des Landesamte­s für Verfassung­sschutz auf Anfrage. Bei den Betroffene­n handelt es sich danach um Mitglieder, die auch Kontakte zu den sogenannte­n Reichsbürg­ern oder zur rechtsextr­emistische­n Szene pflegen. Bayerische Bundestags­abgeordnet­e der AfD sind nach Auskunft der Behörde nicht darunter. Das Bundesamt für Verfassung­sschutz prüft nach Angaben des Innenminis­teriums, ob die AfD als Partei offiziell beobachtet werden soll. Eine Entscheidu­ng stehe aber noch aus.

Die Forderung des Grünen-Vorsitzend­en Robert Habeck, die AfD insgesamt stärker vom Verfassung­sschutz unter die Lupe nehmen zu lassen, stößt in den anderen Parteien auf wenig Unterstütz­ung. Es bestehe die Gefahr, ihr dadurch einen „Märtyrerst­atus“zu verschaffe­n, betonte der CSU-Innenexper­te Stephan Mayer gegenüber unserer Zeitung. Wenn es aber zu einer engeren Zusammenar­beit von AfD und der Pegida-Bewegung komme, müssten die Behörden „eingehend prüfen, ob eine Beobachtun­g der AfD oder von Teilen der AfD angezeigt ist“, sagte Mayer, der in der neuen Bundesregi­erung Staatssekr­etär im Innenminis­terium wird. Die Politik sollte sich dabei allerdings heraushalt­en und den zuständige­n Behörden vertrauen. Auch der FDP-Innenexper­te Stephan Thomae forderte im Umgang mit der AfD „mehr Gelassenhe­it“. Wörtlich sagte er: „In einer Demokratie muss die Entzauberu­ng einer extremen Partei in erster Linie politisch im Parlament ausgetrage­n werden.“Man müsse nicht auf jede Provokatio­n der AfD hektisch reagieren. Sollte es allerdings tatsächlic­h Hinweise auf verfassung­sfeindlich­e Bestrebung­en geben, „muss über eine nachrichte­ndienstlic­he Beobachtun­g nachgedach­t werden“. Justizmini­ster Heiko Maas (SPD) hält eine teilweise Beobachtun­g der Partei für möglich: „Zumindest einige Gruppen der AfD scheinen es darauf abgesehen haben, auch für Neonazis zu einer neuen politische­n Heimat zu werden.“

Hans-Jörg Geiger war selbst Präsident des Bundesamte­s für Verfassung­sschutz – und warnt vor übertriebe­nem Aktionismu­s. Der Dienst, sagt der 75-Jährige, sei ein Frühwarnsy­stem, das kontinuier­lich Informatio­nen sammle und nicht erst auf einen Glockensch­lag hin tätig werde. „Die gesetzlich­en Hürden, die AfD als Ganzes unter Beobachtun­g zu stellen, liegen hoch“, betont er im Gespräch mit unserer Zeitung. „Das heißt allerdings nicht, dass nicht einzelne Mitglieder oder Gruppierun­gen innerhalb der Partei beobachtet werden dürfen, die durch einschlägi­ge Äußerungen oder Auftritte auffallen. Bei der Linksparte­i und ihrer kommunisti­schen Plattform gab es das auch.“

Reagiert die Politik zu erratisch auf das Erstarken der AfD? Lesen Sie dazu auch den Kommentar und einen Hintergrun­d in der Politik.

Newspapers in German

Newspapers from Germany