Donauwoerther Zeitung

Was wird aus Diesel Autos?

Hunderttau­sende gebrauchte Fahrzeuge sind in den letzten Monaten von deutschen Straßen verschwund­en – wegen der Umweltpräm­ie. Was passiert eigentlich mit diesen Wagen? Warum ein Schrotthän­dler genervt ist und welche Sorgen derzeit Autohändle­r haben

- VON FABIAN KLUGE

Hunderttau­sende gebrauchte Fahrzeuge sind in den vergangene­n Monaten von deutschen Straßen verschwund­en – dank der Umweltpräm­ie. Was passiert eigentlich mit diesen Autos?

Augsburg Irgendwo müssen sie doch sein, all die Autos. Bei Ayo Olaletan sind sie jedenfalls nicht. Fast nicht. Ganze zwei Dieselfahr­zeuge stehen auf seinem Schrottpla­tz im Augsburger Stadtteil Oberhausen – abseits der anderen Karossen. Sie stehen dort und warten darauf, geschlacht­et, gepresst und verschrott­et zu werden. Sie warten darauf zu sterben, wie Olaletan es nennt. „Dabei ist das doch eigentlich zu schade“, sagt er. Zu schade für den letzten Gang zum Autoverwer­ter.

Immer wieder blickt der Mann auf den schwarzen Alfa Romeo Kombi, Baujahr 2010. Kaum Kratzer oder Schrammen. Und StartStopp-Automatik hat er auch. Steht doch gut da, der Wagen, so auf den ersten Blick. Aber er ist halt ein Diesel, in der Systematik der derzeitige­n Debatte ein alter Diesel. Wie so viele seiner Art landet er nun auf dem Schrottpla­tz – wegen der Umweltpräm­ie. Allein 150 000 Autos der Volkswagen-Marken VW, Audi, Skoda und Seat haben zuletzt ein solches Ende genommen.

Wie viele Wagen auf welchem Schrottpla­tz landen, ist schwer zu sagen. Die Recherche gestaltet sich zäh. Die Branche ist verschwieg­en. Viele Schrotthän­dler sagen am Telefon nur, keine Dieselfahr­zeuge auf dem Hof zu haben, und legen gleich wieder auf. Diejenigen, die welche haben, wollen nicht mit der Zeitung reden. Nur Ayo Olaletan zeigt sich gesprächsb­ereit. Stellt sich die Frage: Landen wirklich alle alten Diesel beim Verwerter?

Die großen Autokonzer­ne haben im vergangene­n Sommer im Zuge des Diesel-Skandals Prämien ausgelobt. Wer seinen alten Selbstzünd­er hergibt und dafür beim Händler ein neues, umweltfreu­ndlicheres Modell kauft, sollte finanziell belohnt werden. Nun erhalten Fahrer je nach Modell und Marke bis zu 10000 Euro für ihr altes Auto. Zunächst sollte die Prämie bis Ende 2017 laufen. Fast alle Konzerne aber haben den Bonus verlängert – Volkswagen und Opel beispielsw­eise bis Ende März.

Diese Marken verlangen eine Verschrott­ung. Die Halter müssen sich von einem zertifizie­rten Autoverwer­ter bestätigen lassen, dass sie ihren Wagen abgemeldet und verschrott­et haben lassen. Gibt es keinen Nachweis, gibt es kein Geld. Die Prämie – das bestätigen sowohl Volkswagen als auch Opel auf Nachfrage unserer Zeitung – fließt im Regelfall von den Hersteller­n direkt an die Kunden.

Der Handel mit Dieselfahr­zeugen ist ja grundsätzl­ich schwierig geworden. Auf dem Hof von Helmut Spengler, Geschäftsf­ührer von AAC Opel-Sigg und Haas in Augsburg, beispielsw­eise steht ein schwarzer Opel Corsa, 75 PS, Erstzulass­ung 2014, neben einem silberfarb­enen Opel Astra, 110 PS, ein Jahr älter. „Manchen Kunden merkt man die Kaufzurück­haltung an, der Absatz ist ein wenig zurückgega­ngen“, sagt Derzeit sind 25 Prozent seines Bestandes Dieselfahr­zeuge. Die Verunsiche­rung unter den Kunden hat auch Auswirkung­en auf die Preise. Diese seien in den vergangene­n Monaten gesunken, so Spengler. Seine Filialen bedienen überwiegen­d den Augsburger Markt. Er wisse aber, dass andere Großhändle­r ihre Dieselfahr­zeuge nach Osteuropa verkaufen. „Irgendwo müssen sie ja hin, wenn sie keinen Abnehmer finden.“Trotz der Diesel-Affäre bleibt Spengler ruhig: „Man darf nicht nervös werden, wenn ein Auto mal vier Wochen länger steht als sonst.“Außerdem: „Vielfahrer werden weiterhin Diesel kaufen – schließlic­h profitiere­n sie aktuell von vielen Rabatten.“

die Autos lange herumstehe­n, bevor mit ihnen etwas passiert, kennt auch Schrotthän­dler Ayo Olaletan. Für ihn ist das ein Problem: „Jeder Stellplatz auf meinem Hof kostet 30 Euro im Monat, viele Wagen stehen über ein Jahr herum. Dadurch ist mit diesen Autos nicht mehr viel verdient.“Es braucht schon Zeit, bis ein Fahrzeug entgegenge­nommen, erfasst und trockengel­egt ist. Im Schnitt kann der 53-Jährige 60 Prozent eines alten Diesels verwerten und weiterverk­aufen. Das Wertvollst­e am Wagen sei der Motor. „Deshalb bringen Autos, die älter als 13 Jahre sind, kaum noch Geld.“Vom schwarzen Alfa Romeo verspricht sich Olaletan 1000 bis 1500 Euro. Sind die Ersatzer. teile einmal ausgebaut, bietet er sie im Internet an. „Hin und wieder kommt auch ein Ersatzteil­e-Händler“, sagt er und zeigt auf einen Renault, der gerade auf den Hof fährt.

Von der Umweltpräm­ie, sagt der Mann, habe er bislang nur minimal profitiert. Zu umkämpft sei der Markt. „Manchmal kommen Leute zu mir, geben ihren alten Diesel ab und wollen noch Geld dafür. Sie verlangen 1000 Euro und wollen damit doppelt profitiere­n“, sagt Olaletan. Er gestikulie­rt wild mit den Armen, seine Stimme wird lauter. Das Geschäft, es ist seit Beginn der Diesel-Affäre noch härter geworden. Der Schrotthän­dler findet, dass die Stadt und der Staat in die Pflicht genommen werden müssen. Sie müssDass ten Regeln aufstellen, „damit die Leute verstehen, dass sie kein Geld vom Autoverwer­ter bekommen“.

Bleibt die Frage, wer überhaupt von der Prämie profitiert. Die Umwelt etwa – der Bonus heißt ja „Umweltpräm­ie“? Nur bedingt, sagt der umweltpoli­tische Sprecher des ADAC, Alexander Kreipl: „Eine strengere Auslegung am Stickoxida­usstoß wäre wünschensw­ert gewesen, da die ersten Euro-6-Diesel nicht unbedingt besser sind als Euro-5-Fahrzeuge. Außerdem wäre eine Koppelung an den Kauf alternativ­er Antriebsfo­rmen wie Erdgasoder Elektrofah­rzeuge zielführen­d gewesen.“Auch der Automobil-Experte Ferdinand Dudenhöffe­r, Professor an der Universitä­t DuisburgEs­sen, sieht die Folgen für die Umwelt eher kritisch: „Verschrott­ungsaktion­en von 500000 Schmutzdie­seln wären lediglich ein Tropfen auf den heißen Stein, die gerade mal vier Prozent der alten Diesel von der Straße nehmen würden.“12,4 Millionen deutsche Diesel gehören den Euro-Klassen eins bis vier an.

Wenn schon nicht die Umwelt profitiert, dann wenigstens die Verbrauche­r? Sie sind es ja, die von den Hersteller­n getäuscht worden sind. „Volkswagen und seine Marken haben es mit der Prämie geschafft, in einer schwierige­n Zeit Verkäufe von Neuwagen anzustoßen. Das war sicher erfolgreic­h“, bilanziert Dudenhöffe­r. Davon haben die Hersteller was, nicht aber die Verbrauche­r. Auch sonst fällt sein Fazit nüchtern aus: „Die Umweltpräm­ien sind Verkaufspr­ämien. Umwelt steht eigentlich nur drauf. Drin steckt Neuwagenve­rkauf.“

Zumal manche Hersteller ihren Bonus anders geregelt haben. Bei dieser Umtauschpr­ämie bekommen Kunden Geld, wenn sie ihren alten Diesel zurückgebe­n. Das klingt zunächst nicht anders als bei der Umweltpräm­ie. Doch diese Variante ermöglicht es, Gebrauchtw­agen, die in

Gibt es keinen Nachweis, gibt es auch kein Geld

Der Mann aus Afrika hat eine Idee

Deutschlan­d keinen Abnehmer mehr finden, weiterzuve­rkaufen, beispielsw­eise in osteuropäi­sche Länder – wie andere Gebrauchte abseits von Prämien auch.

Die Wirtschaft­swoche berichtet unter Berufung auf das Statistisc­he Bundesamt, dass die Zahl der ins Ausland ausgeführt­en gebrauchte­n Diesel 2017 um 18 Prozent auf rund 233000 gestiegen ist. Die Ukraine etwa hat in etwa doppelt so viele Diesel-Gebrauchtw­agen importiert wie im Vorjahr.

Bei der Umweltpräm­ie ist ein Weiterverk­auf von ausrangier­ten Autos nicht vorgesehen. Nicht gut, sagt Schrotthän­dler Olaletan. Der Mann mit den afrikanisc­hen Wurzeln findet es viel sinnvoller, wenn andere Staaten von solchen Fahrzeugen profitiere­n: „In Ländern aus der Dritten Welt ist die Umwelt viel grüner. Die könnte den StickoxidA­usstoß besser ausgleiche­n. Die Leute dort brauchen Autos, um sich fortzubewe­gen.“Eine sehr eigene Sicht auf die Dinge. Eine, die Umweltexpe­rten so wahrschein­lich nicht teilen würden.

Glaubt man dem Restwert-Experten Maarten Baljet vom Marktforsc­hungsinsti­tut BF Forecasts, ist die Zeit der Diesel vorerst abgelaufen. „Es wird immer schwierige­r für den Diesel. Es gibt weniger Interessen­ten, einige Autos im Kleinwagen­segment gibt es schon gar nicht mehr als Diesel“, hat er festgestel­lt. „Wir vermuten, dass er in mehreren Segmenten nach und nach vom Markt verschwind­et.“

Und wann verschwind­et der schwarze Alfa Romeo vom Hof? Acht Wochen steht er nun schon bei der Autoverwer­tung von Ayo Olaletan. Macht Kosten von 60 Euro für den Schrotthän­dler. Wann genau der Alfa „sterben“wird, wie er das nennt – wer weiß das schon?

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Fotos: Ulrich Wagner Ab auf den Schrott: eine Autoverwer­tung in der Region.

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