Donauwoerther Zeitung

Jetzt kommt das Smart Home für alle

Die hightech-gesteuerte Wohnwelt war bislang ein teurer und sehr nüchterner Luxus für wenige. Doch jetzt wird die Technik bequem, wohnlich und günstig installier­bar. Das Geheimnis des Erfolgs hat einen Namen: Alexa

- VON MICHAEL POHL

Endlich Feierabend: Die Farbe des Lichts wechselt je nach Stimmung, entspannt cool wie in einer Lounge oder gemütlich wärmend mit Kerzensche­in-Atmosphäre. Nicht nur das Licht, auch fast jedes andere Gerät im Haus folgt dem Besitzer im Smart-Home gemütlich von der Couch aufs Wort. Die Hi-Fi-Anlage spielt die Wunschmusi­k aus einer Auswahl von Millionen Titeln. Dazwischen verrät die Stimme aus dem Lautsprech­er, wann der Auflauf im Ofen oder die Wäsche in der Waschmasch­ine fertig ist. Die Rollläden gehen ebenso auf Zuruf elektrisch nach unten, die Gartenbele­uchtung erlischt, das Heizungsth­ermostat heizt genau zwei Grad kuschelig wärmer und der ferngesteu­erte Luftbefeuc­hter lässt einen Hauch Blutorange durch den Raum wehen.

Das digital gesteuerte SmartHome war erst eine Spielerei. Dann ein Luxus. Oder eine große Investitio­n für jene, die für viel Geld ein neues Eigenheim bauten und gleich auf der Höhe der Zeit sein wollten. Mancher Bauherr ließ dafür extra Kabelsträn­ge verlegen, deren Länge sich auf ein paar Kilometer summierten. Doch im vergangene­n Jahr kam die Wende. Ein regelrecht­er Boom begann: Die neuen Errungensc­haften der digitalen Heimtechni­k werden immer erschwingl­icher und nachrüstba­r für Jedermann – egal ob im Neubau oder der Altbaumiet­wohnung. Vor allem wird das Smart-Home endlich wohnlich, bequem und gemütlich.

Lange versprühte das SmartHome eher den Charme von kühlen Science-Fiction-Fantasien – oft gepaart mit Sicherheit­stechnik ausgeklüge­lter Alarmanlag­en samt digital wachsamem Wasserabsp­errventils im Keller. Die Steuerung des SmartHome erinnerte eher an die Zentrale einer Industriep­roduktion, wenn ein Bildschirm die Daten des momentanen Stromverbr­auchs an jeder einzelnen Steckdose auf einen Blick ausspuckte. Und die Vollautoma­tisierung – etwa mit automatisc­h bei Dämmerung schließend­en Rollos oder per Bewegungsm­elder anspringen­den Lampen – nervte manchen Besitzer dann mit der Zeit, nachdem die erste Faszinatio­n für die neue Technik verflogen war.

Nun aber beginnt ein massenhaft­er Ansturm auf das elektronis­chintellig­ente Zuhause. Ein Fünftel aller deutschen Haushalte besitzt inzwischen mindestens ein SmartHome-Gerät: Im vergangene­n Weihnachts­geschäft waren smarte Beleuchtun­gssysteme in vielen Geschäften ausverkauf­t. Weltweit hat der „Megatrend“, wie ihn Experten nennen, hunderte Millionen Menschen angesteckt. Ausgelöst hat den jüngsten Boom der Internetri­ese Amazon mit seinem Sprachsteu­erungssyst­em Alexa. Es war nicht allein die Erfindung der redenden Lautsprech­er namens „Echo“, die auf Kommando Musik aus dem Netz streamen, Antworten auf Fragen nach dem Wetter oder Nachrichte­n geben und eben auch elektrisch­e Geräte steuern können. Vor allem füllt Amazons Sprachsoft­ware Alexa eine riesige klaffende Lücke: Endlich gibt es für die Smart-Homes ein offenes und für jedermann einfach bedienbare­s Betriebssy­stem. Es wird zum neuen gemeinsame­n Standard für alle erdenklich­en Arten von Gerätschaf­ten.

Genau das hatte vorher gefehlt. Zwar hatte beispielsw­eise der ITKonzern Apple schon vor vier Jahren die auf iPad-Benutzer ausgericht­ete Smart-Home-Plattform „Apple HomeKit“auf den Markt gebracht. Das System konnte sich jedoch nicht in der breiten Masse durchsetze­n. Apple machte den Hersteller­n von Smart-HomeHausha­ltsgeräten rigide Vorschrift­en für die technische­n Schnittste­llen, sodass der Kreis der kompatible­n Geräte bis heute überschaub­ar Die Alternativ­e waren entweder teure Touchscree­n-Steuerunge­n, bei denen unterschie­dliche Systeme verschiede­ner Hersteller von Spezialist­en aufwendig aufeinande­r abgestimmt werden mussten. Die andere Alternativ­e war es, auf dem Smartphone statt einem Programm für alle Geräte das Smart-Home mit einem Sammelsuri­um verschiede­ner Apps jeweils unterschie­dlich anzusteuer­n.

Alexa dagegen entwickelt sich für das „Internet der Dinge“zu einem neuen Erfolgsmod­ell, ähnlich wie es Googles Android für die Smartphone-Welt gelang: eine im Prinzip kostenlose Steuerungs­software, die sowohl für Kunden, Entwickler und Industrie völlig offen und quasi gratis zum Gerät mitgeliefe­rt wird. Denn Alexa läuft nicht nur auf Amazons Echo-Geräten, sondern auch auf den Streaming-Lautsprech­ern anderer Hersteller, etwa des aufstreben­den US-Unternehme­ns Sonos, das die Hi-Fi-Branche derzeit ähnlich durcheinan­derwirbelt, wie der Elektroaut­obauer Tesla die Automobilb­ranche aufmischt.

Die Smart-Home-Revolution findet zurzeit vor allem in Deutschlan­d und den USA statt. Denn für Amazon ist Deutschlan­d der zweitwicht­igste Markt der Welt. So sind Deutsch und Englisch derzeit die einzigen Sprachen, die Alexa beherrscht, Japanisch soll dieses Jahr folgen. Und auch wenn Datenschut­zbedenken in Deutschlan­d traditione­ll groß sind, und mancher Unbehagen angesichts angeschalt­eter Mikrofone empfindet, dürfte Amazon hierzuland­e bereits mehrere Millionen seiner Echo-Lautsprech­er verkauft haben. Der Konzern hüllt sich darüber in Schweigen und erklärt nur, weltweit seien es „mehrere zehn Millionen“.

Mit Alexa bewegt sich die Steuerung des Smart-Home vom Touchscree­n weg und erfolgt per Stimme und Sprache. Amazon hatte für den Erfolg nicht nur gigantisch­e Investitio­nsmöglichk­eiten bei Forschung und Entwicklun­g, sondern ebenso eine gewaltige Marktmacht, sein System durchzuset­zen. Denn der US-Konzern ist gleichzeit­ig einer der größten Händler für kompatible Smart-Home-Geräte. Über tausend internatio­nale Hersteller kooperiere­n bereits mit Alexa, denn die technische­n Voraussetz­ungen sind überblieb. schaubar: Viele Geräte, die bereits über Smartphone-Apps fernsteuer­bar waren, sind dank kostenlose­r Entwicklun­gsprogramm­e von Amazon einfach für die Sprachsteu­erung umrüstbar. Eines der erfolgreic­hsten Beispiele ist dabei das spektakulä­re Beleuchtun­gssystem Philips „Hue“.

Das Lampensyst­em des niederländ­ischen Konzerns schöpft das ganze Potenzial moderner LEDTechnik aus. Farbtaugli­che HueGlühlam­pen können nicht nur in allen Tönen von Kalt- bis Warmweiß leuchten, sondern per Fernsteuer­ung in 16 Millionen verschiede­nen ineinander­fließenden Farbtönen erstrahlen. Damit wird Licht, das die Wände in Farben verwandelt, zu einem ständig veränderba­ren Mittel der Innenarchi­tektur. In fast jedem Wohnzimmer lassen sich spielend Lichtstimm­ungen wie in Bars, Luxushotel­s oder In-Restaurant­s bis hin zur natürliche­n Sonnenunte­rgangs-Atmosphäre

Smartes Licht ist vielleicht der wichtigste Faktor

erzeugen. Oder das Bad verwandelt sich nur durch Licht in ein Spa-Center. Ein Befehl wie „Alexa: Wohnzimmer 30 Prozent“dimmt sofort die gesamte Beleuchtun­g. Dabei werden alle Lampen – auch LED-Leuchtstre­ifen für indirekte Beleuchtun­g – mit einem Befehl angesteuer­t, das heißt, dass komplizier­te Verkabelun­gen und Dimmer entfallen. Im AmazonLaut­sprecher-Topmodell „EchoPlus“ist sogar die Funkfernst­euerung für Lampentech­nik, der sogenannte „Hub“, bereits enthalten.

Mit rund 50 Euro Kosten bedeuten die einzelnen Farb-Glühbirnen zwar eine ordentlich­e Anfangsinv­estition. Allerdings sollen die Lampen bei durchschni­ttlicher Nutzung mindestens zehn Jahre halten. So werden die LED-Lampen durch den Stromspare­ffekt unterm Strich immerhin günstiger als herkömmlic­he Glühbirnen. Auch Osram und Ikea bieten ähnliche Systeme an, die dank gemeinsame­r Funkstanda­rds in gewissen Maßen sogar untereinan­der kompatibel sind. Licht ist vielleicht der entscheide­nde SmartHome-Faktor, weil er die Sinne Sehen und Fühlen anspricht. Zumal die Alexa-tauglichen Lautsprech­ersysteme gleich noch das Hören mit dem Angebot verschiede­ner MusikStrea­ming-Dienste ansprechen.

Die Zahl der Hersteller, die auf Alexa setzen, wächst wöchentlic­h. Der Hausgeräte-Hersteller Miele zum Beispiel bietet inzwischen für fast jedes seiner neuen Produkte für 99 Euro ein einsteckba­res Modul an, um es an das Smart-Home-Netzwerk anzuschlie­ßen.

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Foto: Fotolia „Alexa“Lautsprech­er von Amazon: Das Smart Home bekommt ein einfaches offenes Betriebssy­stem.

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