Gabriel muss gehen, Maas übernimmt
Wie der populäre Außenminister den wochenlangen Poker um seinen Job verlor
Augsburg Der Tag, an dem Sigmar Gabriels Karriere endet, beginnt mit einer Twitter-Nachricht. „Ich werde der neuen Bundesregierung nicht mehr angehören“, schreibt der Noch-Außenminister. Es ist der Schlusspunkt eines wochenlangen Pokers, den der langjährige SPDChef nicht gewinnen konnte. Mit ihm am Tisch saßen zwei Spieler mit besseren Karten: Der ÜbergangsParteichef Olaf Scholz und die BaldParteichefin Andrea Nahles stehen für die Zukunft der SPD, Sigmar Gabriel steht für die Vergangenheit. Und so wird der 58-Jährige nicht mehr dabei sein, wenn in der kommenden Woche die Minister der neuen Großen Koalition vereidigt werden. Seinen Posten im Auswärtigen Amt bekommt der bisherige Justizminister Heiko Maas.
Nachdem Nahles und Scholz ihm mitgeteilt haben, dass er nicht mehr gebraucht wird, setzt sich Gabriel hin und tippt eine kurze Bilanz seiner zwei Jahrzehnte als Spitzenpolitiker. Er betont, wie dankbar er für diese „spannende und ereignisreiche Zeit“ist – und zählt seine größten Momente auf. Wie er 10 000 Jobs bei Tengelmann gerettet und zwei Bundespräsidenten ins Amt verholfen hat. Und wie er dazu beitragen konnte, Deutsche „aus ungerechtfertigter Haft im Ausland“zu befreien. Gabriels Twitter-Nachricht klingt wie ein zu spät abgeschicktes Bewerbungsschreiben in eigener Sache. Zumindest zwischen den Zeilen steckt auch Bitterkeit. Schließlich wird der Politiker in einem Moment abserviert, als die Deutschen gerade gelernt haben, ihn zu mögen.
Der impulsive Mann aus Goslar ist nicht nur so angesehen wie nie – er ist auch beliebter als alle anderen Führungsfiguren seiner Partei. Deshalb musste Nahles befürchten, dass ihr Vorgänger eine Art SchattenSPD-Chef bleiben könnte. Abwegig ist der Gedanke nicht, schließlich belastete Gabriel schon im Sommer den Wahlkampf von Kanzlerkandidat Martin Schulz mit Wortmeldungen aus der zweiten Reihe. Und doch schien es bis zuletzt nicht ausgeschlossen, dass er sich als Außenminister halten kann. Schließlich gibt es in der SPD höchstens eine Handvoll Politiker seines Formats. Den entscheidenden Trumpf legte Gabriel seinen Pokerpartnern dann selbst in die Hand – mit einer polemischen Attacke auf Schulz machte er sich untragbar.
Wenigstens überlassen es ihm die Genossen, sein Aus selbst zu verkünden. Erst ein paar Stunden nach seiner Twitter-Nachricht sickert durch, dass Heiko Maas Außenminister werden soll. Immerhin damit kann Gabriel offenbar gut leben: „Er wird das exzellent machen“, sagt er über seinen Nachfolger. Als dann auch noch Umweltministerin Barbara Hendricks bekannt gibt, dass für sie Schluss ist, kommt Bewegung
Auch für Umweltministerin Hendricks ist Schluss
ins Personalkarussell: Neben Maas sind drei weitere SPDLeute gesetzt. Olaf Scholz bekommt das mächtige Finanzressort, Katarina Barley ist Favoritin auf den Chefposten im Arbeits- und Sozialministerium. Ihren bisherigen Job als Familienministerin soll die Bürgermeisterin des Berliner Problembezirks Berlin-Neukölln, Franziska Giffey, übernehmen. Damit bleiben noch Justiz und Umwelt. Im Gespräch dafür sind SPD-Vorstandsmitglied Matthias Miersch und die nordrhein-westfälische Generalsekretärin Svenja Schulze. Heute wollen die Sozialdemokraten ihr Personal offiziell bekannt geben.
Im Kommentar befasst sich Bernhard Junginger mit Gabriels Erbe. Im Porträt erfahren Sie mehr über die Überraschungsministerin Franziska Giffey. Und in der Politik blicken wir auf die Karrieren von Sigmar Gabriel und Heiko Maas.