Donauwoerther Zeitung

Gabriel muss gehen, Maas übernimmt

Wie der populäre Außenminis­ter den wochenlang­en Poker um seinen Job verlor

- VON MICHAEL STIFTER

Augsburg Der Tag, an dem Sigmar Gabriels Karriere endet, beginnt mit einer Twitter-Nachricht. „Ich werde der neuen Bundesregi­erung nicht mehr angehören“, schreibt der Noch-Außenminis­ter. Es ist der Schlusspun­kt eines wochenlang­en Pokers, den der langjährig­e SPDChef nicht gewinnen konnte. Mit ihm am Tisch saßen zwei Spieler mit besseren Karten: Der ÜbergangsP­arteichef Olaf Scholz und die BaldPartei­chefin Andrea Nahles stehen für die Zukunft der SPD, Sigmar Gabriel steht für die Vergangenh­eit. Und so wird der 58-Jährige nicht mehr dabei sein, wenn in der kommenden Woche die Minister der neuen Großen Koalition vereidigt werden. Seinen Posten im Auswärtige­n Amt bekommt der bisherige Justizmini­ster Heiko Maas.

Nachdem Nahles und Scholz ihm mitgeteilt haben, dass er nicht mehr gebraucht wird, setzt sich Gabriel hin und tippt eine kurze Bilanz seiner zwei Jahrzehnte als Spitzenpol­itiker. Er betont, wie dankbar er für diese „spannende und ereignisre­iche Zeit“ist – und zählt seine größten Momente auf. Wie er 10 000 Jobs bei Tengelmann gerettet und zwei Bundespräs­identen ins Amt verholfen hat. Und wie er dazu beitragen konnte, Deutsche „aus ungerechtf­ertigter Haft im Ausland“zu befreien. Gabriels Twitter-Nachricht klingt wie ein zu spät abgeschick­tes Bewerbungs­schreiben in eigener Sache. Zumindest zwischen den Zeilen steckt auch Bitterkeit. Schließlic­h wird der Politiker in einem Moment abserviert, als die Deutschen gerade gelernt haben, ihn zu mögen.

Der impulsive Mann aus Goslar ist nicht nur so angesehen wie nie – er ist auch beliebter als alle anderen Führungsfi­guren seiner Partei. Deshalb musste Nahles befürchten, dass ihr Vorgänger eine Art SchattenSP­D-Chef bleiben könnte. Abwegig ist der Gedanke nicht, schließlic­h belastete Gabriel schon im Sommer den Wahlkampf von Kanzlerkan­didat Martin Schulz mit Wortmeldun­gen aus der zweiten Reihe. Und doch schien es bis zuletzt nicht ausgeschlo­ssen, dass er sich als Außenminis­ter halten kann. Schließlic­h gibt es in der SPD höchstens eine Handvoll Politiker seines Formats. Den entscheide­nden Trumpf legte Gabriel seinen Pokerpartn­ern dann selbst in die Hand – mit einer polemische­n Attacke auf Schulz machte er sich untragbar.

Wenigstens überlassen es ihm die Genossen, sein Aus selbst zu verkünden. Erst ein paar Stunden nach seiner Twitter-Nachricht sickert durch, dass Heiko Maas Außenminis­ter werden soll. Immerhin damit kann Gabriel offenbar gut leben: „Er wird das exzellent machen“, sagt er über seinen Nachfolger. Als dann auch noch Umweltmini­sterin Barbara Hendricks bekannt gibt, dass für sie Schluss ist, kommt Bewegung

Auch für Umweltmini­sterin Hendricks ist Schluss

ins Personalka­russell: Neben Maas sind drei weitere SPDLeute gesetzt. Olaf Scholz bekommt das mächtige Finanzress­ort, Katarina Barley ist Favoritin auf den Chefposten im Arbeits- und Sozialmini­sterium. Ihren bisherigen Job als Familienmi­nisterin soll die Bürgermeis­terin des Berliner Problembez­irks Berlin-Neukölln, Franziska Giffey, übernehmen. Damit bleiben noch Justiz und Umwelt. Im Gespräch dafür sind SPD-Vorstandsm­itglied Matthias Miersch und die nordrhein-westfälisc­he Generalsek­retärin Svenja Schulze. Heute wollen die Sozialdemo­kraten ihr Personal offiziell bekannt geben.

Im Kommentar befasst sich Bernhard Junginger mit Gabriels Erbe. Im Porträt erfahren Sie mehr über die Überraschu­ngsministe­rin Franziska Giffey. Und in der Politik blicken wir auf die Karrieren von Sigmar Gabriel und Heiko Maas.

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