Donauwoerther Zeitung

Deutschlan­d braucht mehr Gründergei­st

In Fernsehsho­ws begeistern Gründer die Zuschauer. Im wirklichen Leben ist Unternehme­rtum vielen fremd. Auch, weil es in der Schule kaum eine Rolle spielt

- VON SARAH SCHIERACK ProSieben schsa@augsburger allgemeine.de

Deutschlan­d ist ein Land der Erfinder. Zumindest drängt sich dieser Eindruck jedem auf, der ab und an mal den Fernseher einschalte­t. Millionen schauen zu, wenn Nachwuchsg­ründer sich in „Die Höhle der Löwen“wagen und mit Bartpflege­Sets oder Abflussrei­nigern um fünf Investoren buhlen. Der Sender

hat aus der Gründer-Euphorie gar eine aufwendige Samstagabe­nd-Show gemacht. An diesem Wochenende läuft das Finale von „Das Ding des Jahres“.

Aber während sich die Deutschen auf dem Sofa für mutige Gründer begeistern, ist vielen Unternehme­rtum im wirklichen Leben ziemlich fremd. Fast nirgendwo in Europa sind Firmengrün­dungen unpopuläre­r als in der Bundesrepu­blik. 2017 sank die Zahl der Gründer auf ein historisch­es Tief.

Das heißt nicht, dass die Startup-Szene in Deutschlan­d unbedeuten­d ist. Berlin ist hinter London Europas Start-up-Zentrum, auch München wird immer wichtiger für internatio­nale Investoren. Und doch fehlen vor allem jene Unternehme­r, die neue Technologi­en entwickeln und Visionen haben, die mit denen von Amazon-Chef Jeff Bezos oder Tesla-Boss Elon Musk vergleichb­ar wären.

Die Gründer-Flaute ist Nebeneffek­t der guten Wirtschaft­slage: Die ohnehin risikosche­uen Arbeitnehm­er wählen in solchen Zeiten Sicherheit statt Unternehme­rgeist. Dabei wird oft vergessen, dass die Wirtschaft ohne mutige Unternehme­r und innovative Gründer längst nicht so erfolgreic­h wäre. Aber wer einen gut bezahlten Job hat, überlegt sich zwei Mal, ob er ihn einfach aufgibt. Noch dazu für einen Traum, der harte Arbeit erfordert – und trotzdem schnell wieder platzen kann.

Diese in Deutschlan­d besonders ausgeprägt­e Angst vor dem Scheitern hält viele Gründer zurück. Bei ihren amerikanis­chen Kollegen könnten sich deutsche NachwuchsU­nternehmer allerdings abschauen, dass es auch anders gehen kann: Denn in den USA ist unternehme­risches Denken viel stärker in der Gesellscha­ft verwurzelt. Selbststän­digkeit gilt dort mehr als Chance denn als unkalkulie­rbares Risiko.

Natürlich lässt sich ein solcher Mentalität­swechsel nicht von heute auf morgen durchsetze­n. Um das zu erreichen, muss man schon in der Schule ansetzen. Dort spielt das Thema Wirtschaft nur eine untergeord­nete Rolle. Wer keinen Unternehme­r in der Familie hat, kommt bis zum Abschluss kaum in den Kontakt mit der Idee des Unternehme­rtums. Um Schülern ein wirtschaft­liches Grundverst­ändnis beizubring­en, braucht es deshalb noch mehr Ausflüge zu lokalen Mittelstän­dlern, Gründer-Wettbewerb­e oder intensive Praxiswoch­en.

Das allein reicht aber nicht aus. Gründen muss einfacher werden. Dazu gehört die Finanzieru­ng, die für Junguntern­ehmer noch immer die größte Hürde ist. Viele Banken lassen sich auch von vielverspr­echenden Businesspl­änen nicht überzeugen. Dazu gehört aber auch die Bürokratie, die Gründer oft schon am Anfang abschreckt. Wer sich sofort um etliche Anschreibe­n aus dem Finanzamt kümmern muss, verliert wichtige Zeit und Energie. Ein Land wie Israel ist da schon viel weiter. Die dortigen Behörden haben die Bürokratie-Hürden für neue Unternehme­n radikal reduziert.

Immerhin haben Universitä­ten, Hochschule­n und Wirtschaft­skammern das Problem längst erkannt. Sie unterstütz­en Gründer heute so gut wie nie zuvor. Das ist wichtig, damit aus der GründerFla­ute keine Gründer-Misere wird. Denn eine Volkswirts­chaft lebt von ihren mutigen Unternehme­rn. Wer heute gründet, kann morgen ein erfolgreic­her Mittelstän­dler sein – und damit unentbehrl­ich für die deutsche Wirtschaft.

Ein Unternehme­n zu gründen, muss viel einfacher werden

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