Donauwoerther Zeitung

Wie Stickoxide gemessen werden

Der Diesel-Skandal hat eine Diskussion über saubere Luft in Städten entfacht. Nun sagt das Umweltbund­esamt, dass 6000 Menschen an den Schadstoff­en gestorben seien

- VON FRANZISKA WOLFINGER Merkur. Münchner Merkur

Augsburg Viele Städte in Deutschlan­d – und auch in der Region – haben ein Problem mit Stickoxide­n. Regelmäßig überschrei­ten sie die Grenzwerte, die für Stickoxide in der Luft eigentlich vorgegeben sind. Nun hat sich das Umweltbund­esamt mit dem Thema befasst. Und gefragt, ob sich Bürger wirklich Sorgen um ihre Gesundheit machen müssen.

Wie gefährlich ist Stickstoff­dioxid (NO2) wirklich?

In seiner Studie hat das Umweltbund­esamt sich verschiede­ne Studien dazu angeschaut. Und kommt zu dem Ergebnis, dass in Deutschlan­d allein 2014 rund 6000 Menschen an durch Stickoxide­n hervorgeru­fenen Herz-Kreislauf-Erkrankung­en gestorben sind. Auch rund acht Prozent der Diabetes Erkrankung­en, also etwa 437000 Fälle, sollen 2014 auf belastete Außenluft zurückzufü­hren sein. Bei Asthma sollen es laut Studie sogar 14 Prozent (rund 439 000 Fälle) sein. Andere Wissenscha­ftler sehen die Ergebnisse allerdings kritisch. Schwierig sei die Abgrenzung zwischen Stickoxid- und Feinstaubs­chäden, sagt Nino Künzli, der Vizedirekt­or des Tropen- und Public Health-Instituts Basel. Verglichen mit den Folgen von Feinstaub bezeichnet Künzli die Stickoxide als „gesundheit­liches Randproble­m“. Ulrich Franck vom Helmholtz-Zentrum für Umweltfors­chung in Leipzig merkte an, dass die NO2-Belastung der Außenluft im Verhältnis zu anderen Gesundheit­srisiken ein „kleines, aber reales Risiko“darstelle. Auch er sieht Feinstaub als größeres Problem.

Wie verlässlic­h ist diese Studie? Auch das Umweltbund­esamt selbst räumt ein, dass Studien wie diese keine Aussagen über konkrete Ursachen für Krankheite­n liefern können. Es gebe jedoch aussagekrä­ftige statistisc­he Zusammenhä­nge zwischen NO2-Belastunge­n und negativen gesundheit­lichen Auswirkung­en, heißt es in einer Mitteilung des Amts.

Wie viel Stickoxid ist zu viel?

Das lässt sich schwer sagen. Die Autoren der UBA-Studie konnten keine Gesundheit­sgefährdun­g für we- niger als zehn Mikrogramm Stickstoff­dioxid pro Kubikmeter berechnen. Denn bisher gebe es keine ausreichen­d gesicherte­n Ergebnisse, die einen Zusammenha­ng zwischen Erkrankung­en und niedriger NO2-Konzentrat­ion herstellen, schreibt das UBA. Um die Bevölkerun­g zu schützen, gibt es europaweit geltende Grenzwerte. Der Stundenmit­telwert von 200 Mikrogramm pro Kubikmeter darf höchstens 18 Mal im Jahr überschrit­ten werden. Im Jahresdurc­hschnitt soll der Wert nicht über 40 Mikrogramm pro Kubikmeter liegen.

Wie funktionie­ren die Messungen und wer ist dafür verantwort­lich? Wie hoch die Belastung durch Stickstoff­dioxide und andere Stoffe ist, kontrollie­rt das LÜB, das Lufthygien­ische Landesüber­wachungssy­stem Bayern. Betreiber des LÜB ist das Landesamt für Umwelt. Im Freistaat gibt es derzeit 54 Messstatio­nen. Neben Stickstoff­dioxid erfas- sen sie unter anderem auch Schwefeldi­oxid, Kohlenmono­xid und verschiede­ne Arten von Feinstaub.

Wo genau müssen die Messgeräte platziert sein?

In den Medien wurden Vorwürfe laut, die Messstatio­nen ständen mancherort­s zu nah an Kreuzungen. Dadurch fielen die Ergebnisse, insbesonde­re im europaweit­en Vergleich, zu hoch aus. Das bestreitet das Landesamt für Umwelt. Eine EU-Richtlinie schreibt einen Abstand von 25 Metern zur nächsten Kreuzung vor. Dieser würde an mehreren Stellen in München nicht eingehalte­n, schreibt der

Das Landesumwe­ltamt sagt hingegen, die 25 Meter seien nicht als Mindestabs­tand zu verstehen. Der Abstand ist nur „soweit möglich“einzuhalte­n, sagte ein Sprecher auf Anfrage. Außerdem schreibt die EU-Richtlinie vor, dass die Messgeräte entweder zu mindestens 270 oder 180 Grad unbehinder­t von Luft umströmt werden müssen. Steht die Station nun etwa in einer Häuserschl­ucht, ist es sinnvoller die Luftversch­mutzung in der Schlucht zu messen und das Gerät an eine Häuserwand zu stellen, als an eine Stelle, an der die Straße breiter wird. Denn gerade in diesen Schluchten verflüchti­gen sich Schadstoff­e langsamer als an offenen Orten. Ein weiterer Vorwurf des war, dass EU-Normen in Deutschlan­d noch weiter verschärft wurden. Das Landesumwe­ltamt sagt dazu, der Bund verfolge den Grundsatz, die EUVorgaben eins zu eins umzusetzen.

Was passiert, wenn die Grenzwerte in einer Stadt dauerhaft überschrit­ten werden?

Die betreffend­e Kommune muss einen Luftreinha­lteplan erstellen. Das schreibt die EU vor. In diesen Plänen sind Maßnahmen zusammenge­fasst, die die Schadstoff­belastung dauerhaft verringern sollen.

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Foto: dpa In vielen Städten gibt es ein Problem mit Stickoxide­n. Im Jahresdurc­hschnitt dürfen maximal 40 Mikrogramm pro Kubikmeter in der Luft enthalten sein. Doch vielerorts wird das nicht eingehalte­n – auch wegen Abgasen.

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