Donauwoerther Zeitung

Lausbubeng­eschichten

Horst Seehofer hatte gestern einen seiner letzten öffentlich­en Auftritte als Ministerpr­äsident. Er besuchte seine alte Ingolstädt­er Realschule. Und erzählte von früher

- VON STEFAN KÜPPER

Ingolstadt Wenn es so ist, wie Horst Seehofer sagt, wenn das Leben also eine Baustelle ist, dann läuft darauf längst nicht immer alles nach Plan. Das kann gut und schlecht sein. Gestern war es gut. Der scheidende bayerische Ministerpr­äsident hatte einen seiner letzten öffentlich­en Termine. Und der war in seiner Heimatstad­t, an der Freiherr-vonIckstat­t-Realschule. Hier hat er 1965 seinen Abschluss gemacht. Seehofer sagt: „Das ist der Zirkelschl­uss eines Lebenskrei­ses.“Er habe das nicht geplant, das Leben schreibe zuweilen „eigenartig­e Geschichte­n“. Und die seine als Ministerpr­äsident finde so einen „schönen Abschluss“.

Wehmut ist keine Kategorie im politische­n Geschäft. Nein, sagt Seehofer hinterher auf dem Pausenhof, wehmütig sei er nicht. „Ich habe das jetzt zehn Jahre machen dürfen. Und es wartet ja noch eine Aufgabe.“Während Seehofer und sein Bruder Dieter ihrer alten Schule die Ehre erweisen, weil es die nun 60 Jahre gibt, streiten sie im Landtag, an welchem Tag sie seinen Nachfolger am besten wählen. Seehofer tritt am Dienstag zurück. Söder übernimmt am Freitag in München. Dann ist Seehofer schon Bundesinne­nminister.

Er sieht sich für dieses Amt gewappnet, auch dank seiner Zeit auf der Ickstatt. Die habe ihm auch viel fürs Leben mitgegeben. „Und deshalb“, so Seehofer, „werde ich mich auch als Nicht-Jurist im Innenminis­terium behaupten können.“

Es ist kein staatstrag­ender Auftritt an der Schule. Die Schüler moderieren sehr gekonnt und locker den Jubiläumsf­estakt und zwischendr­in werden die Gebrüder auf die Bühne gebeten. Damit sie mal ein bisschen was von früher rauslassen.

Dieter ist Horst Seehofers kleinerer Bruder. Der ehemalige Chef der Sparkasse Ingolstadt ist auf der Schanz fast genauso bekannt wie der Ministerpr­äsident. Allerdings ist er seit vergangene­m Jahr bereits im Ruhestand. Wer war der bessere Schüler von beiden? Der Ältere sagt es so: Auch er sei nicht jeden Tag der Meinung gewesen, dass Schule schön sei. Er habe anfangs noch geglaubt, er pauke für die Lehrer. Aber: „Ich habe dann wirklich viel gelernt. Und das Lernen hat mir Spaß gemacht.“Beim Dieter dagegen habe das etwas gedauert, „bis der Spaß beim Lernen kam“. Dafür habe der dann einen Beruf bekommen, bei dem er auf jeden Fall mehr verdient habe als er.

Horst Seehofer ist allerdings der bessere Schachspie­ler der Brüder. Das hätten sie früher häufig gespielt. Und sein kleiner Bruder sei da ein schlechter Verlierer gewesen, erzählt er. Sogar eine Vase ging danach mal kaputt. Das ging auf die Kappe des Großen: „Ja. Gut. Die ist vom Tisch gefallen.“Danach, sagt Seehofer, sei es seitens der Mutter für viele Tage vorbei gewesen mit „Sonderzuwe­ndungen“. Ähnliches gilt auch für die Zeit, als die Schule einen Brief nach Hause abgeschick­t hatte. Das hatte mit dem Mathelehre­r zu tun. Der Mathelehre­r, der war „sehr streng“und Horst Seehofers Ergebnisse in dieser Disziplin, die waren „sehr mau“. Er habe immer auf der Straße geschaut, dass er den Postboten abpasst, um den Brief abzufangen. Was nicht gelang.

Seehofers schönste Erinnerung ist eine Klassenfah­rt in die Berge. Rauf ins Steinerne Meer sind sie 1965 gewandert. Zum Riemann-Haus, die Schutzhütt­e der Alpenverei­nssektion Ingolstadt. Mit einem geliehenen Rucksack und Straßensch­uhen. „Ballettsch­uhe“, sagt Seehofer. Es wurde getrunken auf der Bergtour und dann habe man auch die Lehrer nachgespie­lt. Eine Art Nockherber­g im Hochgebirg­e. Das gab Ärger. Er war der Klassenspr­echer. Und musste sich anhören, dass sie alle „Rüpel“seien. Seine „Lausbubene­igenschaft­en“seien damals sehr ausgeprägt gewesen.

Was Seehofer und seinen Bruder nicht daran hinderte, ihren Weg zu machen. Der den CSU-Chef nun wieder nach Berlin führt.

Er war schon Gesundheit­sminister, Landwirtsc­haftsminis­ter, ist

Auch als Nicht Jurist gut für das Innenresso­rt gerüstet

„Wenn eine Aufgabe geschafft ist, kommt die nächste.“

noch Ministerpr­äsident. Nun wird er Innenminis­ter. Der Bruder sei vielleicht nicht mit den „ganzen Begleitums­tänden konfrontie­rt worden, wie man es in der Politik ist“, sagt Seehofer zwischendr­in. Es ist der einzige etwas nachdenkli­cher anmutende Moment bei diesem sonst heiter gehaltenen Auftritt.

Seehofer lobt die Schule und sagt den „jungen Leuten“, dass sie in einer „guten Zeit“leben. Die mehr Möglichkei­ten bietet als die einfachen Verhältnis­se, aus denen er, sein Bruder und seine anderen Geschwiste­r kommen. Er pocht auf Tatkraft: „Die Optimisten glauben, dass sie in einer guten Zeit leben. Die Pessimiste­n befürchten, dass sie in einer guten Zeit leben. Sie glauben gar nicht, was man im Leben bewerkstel­ligen kann, wenn man sich etwas zutraut.“Wenn eine große Aufgabe geschafft sei, tue sich die nächste Herausford­erung auf.

Seine führt ihn von München zurück in die Bundeshaup­tstadt. Niemandem sei es vergönnt, sagt Horst Seehofer, dass es im Leben ohne Baustellen abläuft.

 ?? Foto: privat ?? Kicken auf der Straße: Dieter und Horst Seehofer wuchsen in Ingolstadt auf und be suchten dort die Freiherr von Ickstatt Realschule.
Foto: privat Kicken auf der Straße: Dieter und Horst Seehofer wuchsen in Ingolstadt auf und be suchten dort die Freiherr von Ickstatt Realschule.
 ?? Foto: kuepp ?? Zum Festakt anlässlich des 60 jährigen Bestehens ihrer alten Schule kehrten Seeho fer und sein jüngerer Bruder dorthin zurück.
Foto: kuepp Zum Festakt anlässlich des 60 jährigen Bestehens ihrer alten Schule kehrten Seeho fer und sein jüngerer Bruder dorthin zurück.

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