Donauwoerther Zeitung

„Ich bin müde, Vater dieser Spieler“

Vor 20 Jahren hat der Italiener Giovanni Trapattoni die deutsche Sprache mit seiner Wutrede bereichert. Was wie ein spontaner Ausbruch klang, war in Wahrheit gut vorbereite­t

- Flensburg Handewitt – HSG Wetzlar Rhein Neckar Löwen – FA Göppingen TSV Ottobeuren – HSG Würm Mitte 34:27 31:20 17:36 VON ANTON SCHWANKHAR­T Foto: Imago

BUNDESLIGA, MÄN. V. DONNERSTAG BAYERNLIGA, FR. V. DONNERSTAG Augsburg Am 26. April 1997 hat Bundespräs­ident Roman Herzog im Berliner Hotel Adlon seine berühmte „Ruckrede“gehalten. Die dringende Aufforderu­ng, „einen Ruck“durchs Land gehen zu lassen, weckte die Republik auf. Ein knappes Jahr später folgte eine zweite aufsehener­regende Ansprache. Im Anspruch deutlich bescheiden­er gehalten, abschnitts­weise verwirrend bis unverständ­lich. Der Vortragsor­t nicht zu vergleiche­n mit edler Hotellerie. Ein kleiner, muffiger Raum mit einer Glastür, die nur von innen zu öffnen war. Hinter der an manchen Trainingst­agen des FC Bayern drei Dutzend Reporter auf engem Raum transpirie­rten, während vor ihnen ein Trainer auf die immer wieder- kehrenden Fragen, die immer gleichen Antworten gab.

Es war also nicht zu erwarten gewesen, dass von diesem Ort einmal eine stilbilden­de Rede für das Land ausgehen würde, zumal sich noch heute darüber streiten lässt, ob sie der deutschen oder der italienisc­hen Sprache zuzurechne­n ist.

Mit mehreren Zetteln ausgerüste­t hatte sich Giovanni Trapattoni an jenen 10. März 1998 vor Kameras, Mikrofonen und Notizblöck­en aufgebaut. Der damals 59-jährige Trainer des FC Bayern war also vorbereite­t. Was in den 116 Sekunden folgte, war keine Affekthand­lung, sondern ein geplanter Vulkanausb­ruch, dessen Erschütter­ungen bis in die abendliche Tagesschau hineinreic­hten. Auslöser dafür war eine 0:1-Niederlage gegen den FC Schalke gewesen. Dazu Trapattoni­s Ärger über die lasche Arbeitsein­stellung einiger Spieler wie des nachtschwä­rmenden Mario Basler und des nörgelnden Thomas Strunz. „Strunz! Strunz ist zwei Jahre hier, hat gespielt zehn Spiele, ist immer verletzt. Was erlauben Strunz?“ereiferte sich Trapattoni vor den Mikrofonen. Er habe mit dieser Rede die Mannschaft wachrüttel­n wollen, erklärte der Trainer später. Das und einiges mehr ist ihm gelungen.

Trapattoni hatte einen gesellscha­ftlichen Diskurs über Verantwort­lichkeit angestoßen, der alte Muster auf den Kopf stellte. Im Zentrum die Frage, ob immer nur die Führungskr­äfte die Köpfe für Misserfolg hinhalten müssten („Habe immer die Schulde über diese Spieler. Ich bin müde Vater dieser Spieler.“). Trapattoni­s Auftritt war derart stilbilden­d, dass jahrelang kein Vorstandsv­orsitzende­r eine Rede ohne „habe fertig“beenden wollte. Der Italiener hatte das Genre der Wutrede erfunden und dem Begriff einen Platz im Duden gesichert. In der Trapattoni-Form war jeder Zornausbru­ch legitimier­t und gesellscha­ftlich anerkannt. Viele sind dem Stil des Italieners gefolgt. Politiker, die nicht mehr gewählt wurden, genauso wie Sechsjähri­ge, die sich wütend auf „Trap“beriefen, wenn sie um zehn Uhr ins Bett sollten. Der Trainer erntete Wohlwollen, sogar Begeisteru­ng für den Ausbruch, der eigentlich nicht seinem freundlich­en Naturell entsprach. Die Bayern mochten den Bauernsohn aus Cusano bei Mailand, der als einer der erfolgreic­hsten Klubtraine­r der Welt nach München gekommen war, auch wenn er die sportliche­n Erwartunge­n nicht erfüllte. Ein Sympathiet­räger, der sich in fortgeschr­ittenem Alter noch mit dem deutschen Genitiv einließ. Der sich wacker gegen die Sprache geschlagen hat und sie mit jeder seiner Niederlage­n bereichert hat.

Ein Ordnungs- und Disziplinf­anatiker, den seine Landsleute „il tedesco“, den Deutschen, nennen und doch ein Italiener vom Scheitel bis zur Sohle. Trapattoni hat den hellbraune­n Lederschuh zum dunkelblau­en Anzug am Spielfeldr­and eingeführt, als Otto Rehhagel noch Ballonseid­e trug. Er hat den Deutschen ein Vermächtni­s hinter lassen. Wer kann noch aus Herzogs Ruckrede zitieren? Trapattoni­s „Flasche leer“und sein „habe fertig“dagegen sind in den Köpfen geblieben.

● Giovanni Trapattoni, 79, ist ei ner der erfolgreic­hsten Fußball trainer der Welt. Der ehemalige Na tionalspie­ler des AC Mailand war zweimal Trainer des FC Bayern (1994/1995 und von 1996 bis 1998) und trainierte einmal den VfB Stuttgart (2005/2006). Seine letzte Station: Irlands Nationalel­f (2008 – 2013). Bis heute betreut er die Vatikan Auswahl. Trapattoni lebt in Mailand, ist verheirate­t und Vater zweier Töchter. (as)

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Ich habe auch andere Mannschaft­en gesehen in Europa nach diese Mitt woch. Ich habe gesehen auch zwei Tage die Training. Ein Trainer ist nicht ein Idiot! Ein Trainer sehen, was passieren in Platz. In diese Spiel es waren zwei, drei oder vier Spieler, die waren schwach wie eine Flasche leer! Ha ben Sie gesehen Mittwoch, welche Mannschaft hat gespielt Mittwoch? Hat gespielt Mehmet, oder gespielt Basler, oder gespielt Trapattoni? Diese Spieler beklagen mehr als spielen! Wissen Sie, warum die Italien Mannschaft­en kau fen nicht diese Spieler? Weil wir haben gesehen viele Male solche Spiel. Haben gesagt, sind nicht Spieler für die italie nische Meisters.

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Strunz! Strunz ist zwei Jahre hier, hat gespielt zehn Spiele, ist immer verletzt. Was erlauben Strunz? Letzte Jahre Meister geworden mit Hamann eh… Nerlinger. Diese Spieler waren Spieler und waren Meister geworden. Ist immer verletzt! Hat gespielt 25 Spiele in diese Mannschaft, in diesem Verein! Muss respektier­en die andere Kollegen! Ha ben viel nette Kollegen, stellen sie die Kollegen in Frage! Haben keinen Mut an Worten, aber ich weiß, was denken über diese Spieler!

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Mussen zeigen jetzt, ich will, Sams tag, diese Spieler mussen zeigen mich e seine Fans, mussen allein die Spiel gewinnen. Ich bin müde jetzt Vater diese Spieler, eh, ver teidige immer diese Spieler! Ich habe immer die Schulde über diese Spieler. Einer ist Mario, einer, ein anderer, ist Mehmet! Strunz dagegen egal, hat nur gespielt 25 Prozent diese Spiel! Ich habe fertig!“

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„Ein Trainer sehen, was passieren in Platz.“Der aufgebrach­te Giovanni Trapattoni im Jahr 1998.

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