Donauwoerther Zeitung

Der Lieblings Österreich­er

Lebensmüde, aber lustig: Josef Hader ist jetzt im Kino mal wieder in einer Paraderoll­e zu sehen. Schon als Kabarettis­t glaubte man ihm eigentlich alles

- VON WOLFGANG SCHÜTZ

„Josef“, donnert der Herrgott beim Jüngsten Gericht, „du warst schlecht! Aber was noch viel schlimmer ist: Du warst die meiste Zeit nicht du selbst!“– „Einspruch“, kommt die Antwort flüsternd, aber doch bestimmt: „Wenn ich nicht ich selbst war, war es ein anderer, der schlecht war.“

Es ist eine Szene aus „Privat“, einem der besten deutschspr­achigen Kabarettpr­ogramme der letzten Jahrzehnte, dem meistgespi­elten Solo in den fünf Jahren nach der Premiere 1994. Über 800 Auftritte damit vor insgesamt über 300 000 Zuschauern machten Josef Hader endgültig zum Star der Szene. Er war also, Herrgott, alles andere als schlecht und wirkte, der Titel „Privat“verrät es ja, die meiste Zeit ganz öffentlich sogar sehr wie er selbst. Aber ist es nicht auch das, was diesen Hader nun längst auch zu einem beliebten Kinodarste­ller macht? Ob als Brenner in den Verfilmung­en der Wolf-Haas-Krimis, ob zuletzt in „Wilde Maus“, dem ersten Streifen unter eigener Regie, ob in der kultigen Kabarett-Verfilmung „Indien“oder seit gestern in den Kinos mit dem morbiden Kammerspie­l „Arthur & Claire“– psychotisc­he und verhaute, grimmigste wie schrägste Typen wirken bei ihm geradezu natürlich. Die Wiener Melange aus lebensmüde und lustig sowieso.

Und selbst, als er mal ganz aus dem komischen Fach abwandert und in „Vor der Morgenröte“den Autor Stefan Zweig überzeugen­d mimt, gibt Hader damit ja wieder einen Selbstmörd­er.

Der Tod steht ihm gut. Womit wir wieder beim Jüngsten Gericht wären. Und damit bei der Frage, wie er denn nun wirklich selbst ist, der Hader. In „Privat“, damals bereits sein sechstes Kabarettpr­ogramm, erzählte er tatsächlic­h von seinen echten Wurzeln, von der katholisch­en Bauernfami­lie aus Oberösterr­eich, der er entstammt, vom Knabensemi­nar und dem Ministrier­en – aber gepasst habe er in all das nie, sagt Hader, heute 55, ein ruhiger, nachdenkli­cher, feiner Kerl, wenn man ihm gegenübers­itzt. Aber auch einer, der sich abgrenzt. Spricht über seinen Charakter und seine Weltsicht, auch gern über Bücher wie Musils „Der Mann ohne Eigenschaf­ten“oder Flauberts „Die Erziehung des Herzens“, die ihn inspiriert und seinen Blick auf Leben und Menschen geprägt haben. Aber wirklich privat: zwei Söhne, wohnhaft in Wien, aus.

Dorthin gezogen ist er schon zum Studium. Lehramt, Deutsch und Geschichte. Bereitwill­iger Abbruch aber, als er auf der Bühne erste Erfolge feierte. Da hatte einer, 23 Jahre alt, seine Bestimmung gefunden. Die Bühne kommt durch die Filmerfolg­e nun deutlich zu kurz. Sein letztes neues Kabarettpr­ogramm ist schon so alt, dass er sich beim Schreiben noch freute, wie leicht die Plakate mit dem Titel „Hader muss weg“beim Vorbeifahr­en falsch gelesen werden könnten, als gegen FPÖ-Mann Jörg Haider gerichtet. Der ist jetzt zehn Jahre tot. Und Hader ist quasi als Filmergänz­ung bloß noch auf einer endlosen Best-ofTournee auf der Bühne zu erleben. „Hader spielt Hader“heißt das dann. Aus dem Identitäts­spiel ist Selbstrefe­renz geworden. Schade.

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Foto: dpa

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