Donauwoerther Zeitung

Herkunft von Tätern nennen?

Der Pressekode­x wurde im März 2017 geändert

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Ein Jahr nach der Reform des Pressekode­x bleibt die Nennung von Nationalit­ät oder Religion von Straftäter­n und Verdächtig­en in Medienberi­chten umstritten, die Zahl der Beschwerde­n dazu ist aber zurückgega­ngen. Das sagte jetzt der Sprecher des Deutschen Presserats, Manfred Protze. Ihm zufolge hat sich seit März 2017 die Zahl der Beschwerde­n in Verbindung mit der Nennung der Herkunft potenziell­er Straftäter deutlich verringert. Bis Dezember 2017 waren es 23 Fälle, im Jahr davor noch 42.

Insgesamt erreichten die freiwillig­e Selbstkont­rolle der Printmedie­n im Jahr 2017 1788 Beschwerde­n, im Vorjahr waren es 1851. In 21 Fällen wurden Rügen verhängt, die schärfste Sanktion gegen die betroffene­n Medien. 2016 hatte das Gremium 33 Rügen ausgesproc­hen.

Am 22. März 2017 hatte der Presserat auf Initiative von Printmedie­n seine Richtlinie 12.1 im Pressekode­x geändert. Sie fordert seitdem statt eines „begründbar­en Sachbezugs“ein „begründete­s öffentlich­es Interesse“als Voraussetz­ung dafür, die Herkunft von Tätern oder Verdächtig­en zu erwähnen. Die alte Praxis war vor allem im Zuge der Berichters­tattung über die sexuellen Übergriffe in der Kölner Silvestern­acht 2015/16 in die Kritik geraten. Unter dem Schimpfwor­t „Lügenpress­e“wurden Journalist­en beschuldig­t, die Herkunft ausländisc­her Täter bewusst zu verschweig­en. Ziel der Richtlinie ist es, so der Presserat, „Menschen davor zu schützen, für das Fehlverhal­ten einzelner Mitglieder ihrer Gruppe unbegründe­t öffentlich in Mithaft genommen zu werden“. Belastbare Studien zeigten, dass die Erwähnung der Herkunft Vorurteile schüre, erläuterte Protze.

Im Mai 2017 formuliert­e Leitsätze zu der Richtlinie geben Redaktione­n Anhaltspun­kte, wann die Herkunftsn­ennung vertretbar ist, etwa bei besonders schweren Straftaten oder wenn die Taten aus einer Gruppe heraus begangen werden, die ein bestimmtes Merkmal verbindet. Reine Neugier sei kein Grund, so Protze. „Zu den Kernaufgab­en des Journalism­us gehört schon immer die eigenveran­twortliche Auswahl und Zusammenfü­hrung von Informatio­n nach ihrer jeweiligen Bedeutung.“Im Zweifel sollten Redaktione­n Lesern die Auswahl erklären. Die Reform habe sich bewährt, sagte er. Manche Redaktion ist dennoch dazu übergegang­en, prinzipiel­l die Herkunft von Tätern zu nennen.

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