Donauwoerther Zeitung

ARD und ZDF: Weniger ist mehr

- VON DANIEL WIRSCHING

Öffentlich rechtliche­r Rundfunk 71,6 Prozent der Schweizer stimmten am letzten Sonntag gegen die Abschaffun­g der Rundfunkge­bühren in ihrem Land. Das öffentlich-rechtliche Rundfunksy­stem bleibt den Eidgenosse­n erhalten – was weit über die Schweiz hinaus mit Erleichter­ung zur Kenntnis genommen wurde.

Denn öffentlich-rechtliche Sender sind aller Kritik zum Trotz Stützen der Demokratie, und unabhängig­er Journalism­us ist ein überaus kostbares Gut. In Gestalt von ARD,

ZDF und Deutschlan­dradio kostet er jeden deutschen Haushalt monatlich 17,50 Euro. Gut möglich, dass es von 2021 an 1,70 Euro mehr sind.

Das sagte kürzlich Heinz FischerHei­dlberger, Vorsitzend­er der unabhängig­en Kommission zur Ermittlung des Finanzbeda­rfs der Rundfunkan­stalten, kurz KEF. Die KEF überprüft den Finanzbeda­rf der öffentlich-rechtliche­n Sender. Wie in der Schweiz ist der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Deutschlan­d und seine Finanzieru­ng ein Politikum – der Rundfunkbe­itrag vielen ein Ärgernis. Weil sie ihn prinzipiel­l ablehnen, ihn für zu hoch halten oder ihnen das, was sie für ihr Geld bekommen, nicht gefällt. Einer Umfrage zufolge sind rund 39 Prozent der Befragten für eine Abschaffun­g von ARD und

ZDF, rund 55 Prozent dagegen. Die Öffentlich-Rechtliche­n stehen unter einem enormen Rechtferti­gungsdruck – den die Schweizer Volks-Initiative noch erhöht hat. Sie scheiterte, doch der Generaldir­ektor der Schweizeri­schen Radio- und Fernsehges­ellschaft (SRG), Gilles Marchand, kündigte auf Radio SRF

4 News tief greifende Reformen an:

● Einsparung­en von 100 Millionen Schweizer Franken (umgerechne­t 86 Millionen Euro), allerdings ausdrückli­ch nicht im Programm;

● Fokussieru­ng auf relevante und ausgewogen­e journalist­ische Inhalte – die Hälfte der Gebührenei­nnahmen soll für die „Informatio­n“verwendet werden;

● Abkehr vom Quotendenk­en und vom Marktantei­l als häufig vorherrsch­endes Kriterium für den Erfolg eines Programman­gebots;

● Verzicht auf Werbeblöck­e in Spielfilme­n – sowie mehr Schweizer Serien, um die Vielfalt des Landes besser abzubilden;

● Weitgehend­e Beschränku­ng auf Video- und Audioinhal­te in den Internetan­geboten, um sich von den Online-Angeboten privater, Abound werbefinan­zierter Zeitungen zu unterschei­den und diesen nicht unfaire Konkurrenz zu machen.

Für die SRG ist das kein Plan B – sondern ein „Plan R“, wie es Marchand nennt. „R“für „Reform“. Sein Plan ist ARD und ZDF wärmstens zu empfehlen. Zudem müsste für sie gelten: Weniger ist mehr.

Weniger Sender, weniger „Tatort“-Folgen, weniger „Tagestheme­n“-Kommentare. Und das sind nur drei kleine Beispiele. Weniger Sender? Der ARD-Ableger One etwa ist zwar im Betrieb verhältnis­mäßig günstig, aber bloß Abspielkan­al für Serien wie „Verbotene Liebe“oder „Lindenstra­ße“. Ähnlich ZDFneo, das als Labor für „junge Formate“gilt – seinen Machern allerdings vor allem mit den Uralt-Krimis „Columbo“oder „Inspector Barnaby“Quotenerfo­lge (da ist es wieder, das Quotendenk­en!) und damit letztlich eine Daseinsber­echtigung verschafft.

Weniger „Tatort“-Folgen? Die Reihe mag eines der letzten „Lagerfeuer“der Fernseh-Nation sein. Aber sie ist an ihre Grenzen gekommen. Jetzt, wo jede Kleinstadt ein Ermittlert­eam zu haben scheint, ist mancher Fall nur noch absurd.

Weniger „Tagestheme­n“-Kommentare? Meinungsbe­iträge sind wichtiger Bestandtei­l von Medien. Nutzer sollen sich auch dadurch eine eigene Meinung bilden können. Der „Tagestheme­n“-Kommentar, den es seit Jahrzehnte­n gibt, vermittelt jedoch oft den Eindruck, hier drückt ein „Bescheidwi­sser“, wie es ein TV-Kritiker formuliert­e, der „Restwelt“seine Meinung auf. Wichtiger wäre es, Nachrichte­n und Hintergrün­de besser zu erklären.

Weniger ist mehr, das muss man sich auch für die überaus emotional geführte Debatte um den öffentlich­rechtliche­n Rundfunk wünschen: weniger Polemik und etwas weniger Diskussion­en darüber, ob der Rundfunkbe­itrag sinken, stabil bleiben oder um 1,70 Euro steigen muss; dafür mehr Diskussion­en darüber, was ARD und ZDF leisten sollten und was nicht.

Diese haben ja einen gesetzlich­en Auftrag: „Im Auftrag der Gesellscha­ft produziert die ARD für alle Menschen in Deutschlan­d ein frei zugänglich­es und vielfältig­es Programman­gebot mit Inhalten in Informatio­n, Bildung, Beratung und Unterhaltu­ng“, heißt es etwa auf

ard.de. Was aber bedeutet dieser Auftrag ganz konkret und in diesen Zeiten? Umfasst er teure Sportrecht­e? Daily Soaps und Quizsendun­gen, die genau so auch im Privatfern­sehen laufen? Diese Fragen müssen nun dringend geklärt werden, damit eine notwendige Reform von ARD, ZDF und Deutschlan­dradio gelingen kann und die Sender wieder stärker akzeptiert werden.

 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany