Züchter aus Leidenschaft
Erwin Rebele aus dem Harburger Stadtteil Hoppingen kümmert sich um rund 160 Brieftauben. Dem Hobby geht er seit mehr als 30 Jahren nach. Warum der Leistungsdruck für die Vögel groß und der Zeitaufwand für ihn immens ist
Harburg Hoppingen Wenn Erwin Rebele über sein Hobby spricht, spürt man förmlich die Leidenschaft. Seit über 30 Jahren züchtet der 67-Jährige Brieftauben, von Anfang an auch mit Erfolg, wie er stolz sagt. Entweder ganz, oder gar nicht, lautet sein Motto. „Nur mitfliegen, ohne Erfolge zu feiern, das ist nicht mein Ding“, sagt Rebele. Angefangen hat damals alles, als er von einem Bekannten Tauben geschenkt bekommen hatte und zusätzlich noch Jungtiere dazu gekauft hat. „Ich habe mich schon immer für Tauben interessiert, gemeinsam mit einem Bekannten aus dem Dorf haben wir dann mit dem Züchten begonnen“, erinnert sich Rebele.
Das vergangene Jahr war das wohl erfolgreichste in der ZüchterLaufbahn des Hoppingers. In der Reisevereinigung Donauwörth, in der insgesamt etwas über 60 Züchter als Mitglieder verzeichnet sind, sahnte er in gleich fünf Disziplinen Auszeichnungen ab. Im übergeordneten Regionalverband DonauLech, der sieben Reisevereinigungen umfasst und sich über 6500 Quadratkilometer erstreckt, gewann er die Titel in der Hauptkategorie und bei den „jährigen Tauben“. Zusätzlich hatte er in beiden Organisationen das beste jährige Weibchen am Start. Überhaupt konnte er in den vergangenen fünf Jahren im Regionalverband sehr gute Platzierungen vorweisen. „Ich war viermal unter den besten zehn“, sagt er. Ausschlaggebend für die Endplatzierung sind die gewonnenen Preise seiner Tauben. Um einen solchen einzuheimsen, muss der Vogel im vorderen Drittel aller teilnehmenden Tauben landen.
Von Anfang Mai bis Mitte August läuft die Wettkampfsaison, an jedem Wochenende findet ein Bewerb statt. Ein Reiseplan, von wo aus die Tauben losfliegen sollen, wird im Vorfeld erstellt. 13 Wettkämpfe haben die Züchter im vergangenen Jahr absolviert. „Wir starteten in den letzten Jahren in nord-westlicher Richtung“, erklärt Rebele. In sogenannten Kabinenexpressen werden die Vögel zu den Auflassorten gefahren, am Wettkampftag nimmt der Fahrer dann zum Flugleiter in der Heimat Kontakt auf. „Der hat aktuelle Wetterdaten, da wird dann entschieden, ob gestartet werden kann oder nicht“, erläutert der Züchter das Prozedere. Mit einem Griff öffnen sich dann die Klappen des Wagens und die Tauben können losfliegen. Mittels eines elektronischen Rings, der am Fuß angebracht ist, wird genau registriert, wann der heimische Schlag erreicht wird. Früher, in der vordigitalen Zeit, wurde die Ankunft noch mit einer Konstatieruhr dokumentiert. „Man hat den Tieren den Gummiring abgenommen, in die Uhr gelegt, den Hebel gedreht und die genaue Zeit wurde festgehalten“, erklärt der 67-Jährige.
Weil ja die Vögel unterschiedliche Ziele ansteuern, „die einen fliegen nach Hoppingen, die anderen weiter bis Bayerdilling“, wird die Zeit mit den geflogenen Kilometern in Relation gesetzt, um herauszufinden, welche Taube am schnellsten war.
Doch wie schaffen die Vögel es, wieder nach Hause zu finden? Das ist den Tieren angeboren, sagt der Fachmann. Gerade die Jungen, die dort geboren wurden, zieht es in die gewohnten, heimischen Gefilde zurück. Mithilfe des Erdmagnetfeldes, so erläutert es Rebele, gelingt es den Tauben, die richtige Richtung auszuloten. „Bei Gewitter ist das Magnetfeld gestört, da tun sie sich dann schwer“, sagt der Züchter. Und dann gibt es noch eine ganz besondere Motivation, um auch schnell wieder zuhause anzukommen. „Wir fliegen in Witwerschaft“, verrät Rebele. Das bedeutet, während der Flugsaison sind die Vögel vom Partner getrennt. „Von Januar bis März findet die Anpaarung der Tauben statt, jedes Männchen bekommt ein Weibchen, die teilen sich dann eine Box im Schlag“, beschreibt es der Züchter. Wenn dann die Wettbewerbsphase beginnt, kommen die weiblichen Vögel in einen anderen Schlag. Nach absolviertem Flug dürfen sie sich dann gemeinsam erholen. „Bei einem kurzen Flug, wenn sie nicht so erschöpft sind, sind sie ein paar Stunden zusammen. War es ein anstrengender Wettkampf, dürfen sie auch mal über Nacht beisammen bleiben.“
80 bis 100 Tauben hat Rebele über den Winter, im Frühjahr kommen dann ungefähr 70 Jungtiere dazu. Zu Verlusten komme es natürlich auch, witterungsbedingt oder durch Raubvögel. Gerade der Habicht sei ein großer Feind der Tauben. Deswegen gibt es für Rebeles Vögel von Oktober bis März auch keinen Ausflug, zu gefährlich sei die Situation. Außerdem steht in dieser Zeit die Mauser an, also das Abwerfen und Nachwachsen des Gefieders. Für Rebele ist das ein guter Hinweisgeber auf den Gesundheitszustand seiner Tiere: „Wächst es nur langsam und nicht vollständig zu, stimmt etwas nicht.“Überhaupt seien Züchter sehr geschickt, wenn es um Krankheiten bei den Vögeln geht. „Man erkennt vieles selbst“, so Rebele. Dann kann man sich an den Verband wenden, der ein entsprechendes Mittel schickt. Auch eine Kotprobe gebe Aufschluss, ob das Tier gesund ist. Damit könne man viel ausschließen. Eine solche Probe ist vor der Saison Pflicht, ebenso eine Impfung für die Vögel.
Während die Saison läuft, hat Erwin Rebele keine Zeit für Urlaub, zu zeitaufwendig ist sein Hobby. Zweimal täglich muss er seine Tiere aus dem Taubenschlag lassen, am besten morgens und abends. Auch das gezielte Training ist unerlässlich. Da fährt Rebele mit seinen Tauben mindestens 30 Kilometer weit weg von Hoppingen, lässt sie dann frei, damit diese nach Hause fliegen. Gerade bei Jungtieren sind diese Übungen wichtig. Sie tasten sich nach und nach weiter weg von Rebeles Haus. Angefangen auf dem Dach, fliegen sie auf das des Nachbars, schon bald seien sie eine Dreiviertelstunde nicht mehr zu sehen, berichtet der Taubenzüchter. Das gehöre zur Entwicklung dazu, ansonsten wäre etwas faul. Wenn sie mit ins Auto gepackt werden, sind sie spätestens beim dritten Ausflug schneller wieder in Hoppingen als ihr Besitzer, sagt Rebele und lacht.
Bis zu fünf Jahre setzt er seine Tauben bei Wettbewerben ein. Doch das Leistungsprinzip ist hart, ähnlich wie bei Sportlern auch. „Wenn ich sehe, dass Zwei- oder Dreijährige nur wenige Preise holen, werden sie aussortiert“, ist Rebele knallhart. Eine Taube müsse auch nach Hause kommen wollen, müsse sich durchbeißen, betont er. „Ein Marathonläufer, der eine fünfminütige Trinkpause macht, wird nicht mehr gewinnen. Ähnlich ist es bei den Tauben, wenn da eine den Sinkflug ansetzt, um Wasser zu suchen, wird es mit dem Sieg auch nichts mehr.“Um dem entgegenzuwirken, ist natürlich die Ernährung, wie beim Menschen auch, ein wichtiges Thema. Rebele selbst bestellt sich das Futter beim Lieferanten und mischt es dann aber noch mit anderen Zutaten. Mit welchen, das will er nicht verraten. Da seien alle Taubenzüchter gleich, sagt er. „Beim Futterkauf will jeder für sich sein, damit ja kein anderer das Geheimnis erfahren kann“, sagt der Züchter und lacht.