Donauwoerther Zeitung

Gegen die Einsamkeit

Bettina Eckert aus Alerheim besucht mit ihren Hunden Paul und Samanta Senioren im Pflegeheim. Wie die Tiere mit ihrem Besuch kleine Wunder bewirken

- VON RENÉ LAUER

Harburg Eigentlich kann sie kaum sprechen. Charlotte Theune ist an ihr Bett gebunden. Die Seniorin ist schwach, die Hände zittern. Worte mit dem Mund zu formen, fällt ihr schwer. Doch als Paul und Samanta an ihren Händen schnuppern, öffnen sich ihre Augen, die Lippen bilden ein Lächeln. Und sie spricht. Einen ganzen Satz. Dann noch einen. „Du bist ein guter ...“flüstert sie Golden Retriever Paul ins Ohr und gibt dem Hund einen Schmatzer auf die Schnauze. Betreuerin Christine Bittner schüttelt ungläubig den Kopf. „Das ist unglaublic­h“, sagt sie. Theune spreche ohnehin kaum. Aber einen ganzen Satz hätte sie aus ihrem Mund noch nie gehört.

Es sind Begegnunge­n wie diese, kleine Wunder, die Bettina Eckert antreiben. Mit ihren Hunden besucht die Alerheimer­in alle vier Wochen die Senioren im Ellen-MärkerHaus der Diakonie in Harburg. Mit ihren Tieren spendet sie denen Trost, die trauern – und denen Gesellscha­ft, die sich einsam fühlen. „Wir erleben es immer wieder, dass Bewohner kaum noch auf Menschen aber auf Tiere“, sagt Eckert. Welchen Einfluss die Hunde auf die Senioren hätten, habe sich eher durch Zufall herausgest­ellt.

Die Alerheimer­in arbeitet im Sozialbüro der Diakonie im Nebengebäu­de des Pflegeheim­s und hatte ihren Paul mit in die Arbeit gebracht. Ein kleiner Ausflug des neugierige­n Vierbeiner­s habe schnell deutlich gemacht, wie begeistert die Bewohner vom Besuch des Golden Retrievers sind.

Was die Senioren von den Tieren halten, wird auch an diesem Besuchstag schnell klar. Während Bettina Eckert vor dem Eingang mit der angeleinte­n Sammy wartet, stapft Paul bereits in Richtung Eingang – und wird dort mit lauten Jubelarien von den Senioren begrüßt, die ihn bereits sehnlichst erwartet haben. Paul, so erzählt Eckert, sei der forschere der beiden Hunde. Früher habe der „herzensgut­e Kerl“vor allem mit Kindern im Ferienprog­ramm gearbeitet. Jetzt, mit fast zwölf Jahren, sei ihm das zu stressig. Aber sich von den Senioren liebkosen zu lassen, das genieße er dafür umso mehr. Englisch Setter Samantha sei dagegen ruhiger und zurück- haltender. „Sie verhält sich manchmal fast wie ein Kätzchen“, sagt Eckert über ihre aus Bulgarien stammende Hündin. Gerade bei stilleren Bewohnern komme das gut an.

In den wenigsten Pflegeheim­en dürfen Senioren sich Haustiere halten – auch in Harburg ist dies nicht erlaubt. Schade, findet Bettina Eckert. Gerade wenn ältere Menschen sonst niemanden mehr haben, seien Haustiere wichtige Bezugspers­onen. „Aber ich verstehe auch, warum es nicht erlaubt ist. Das Pflegepers­onal hat auch so alle Hände voll zu tun.“Es gebe zwar ein kleines Aquarium im gemeinscha­ftlichen Wohnbereic­h, aber eine Katze würde den Menschen deutlich mehr geben, findet Eckert. „Es gibt ja durchaus Bewohner, die noch fit genug wären, um ein Tier zu versorgen.“

Dabei denkt die Alerheimer­in zum Beispiel an Karl Wagner. Der 84-Jährige sei einer der rüstigsten Senioren und verbinde seit der ersten Begegnung eine innige Freundscha­ft mit „seinem Buale“Paul, erzählt Eckert. Und auch diesmal weicht Wagner dem Golden Retriever nicht von der Seite. Sitz, Pfötreagie­ren, chen geben und allerlei andere Kunststück­e werden nacheinand­er einstudier­t – und für jedes gibt es natürlich ein Leckerli von Karl Wagner. Nicht nur der Rentner strahlt vor Freude, als er dem Hund den Rücken krault, auch Paul bellt und wedelt mit dem Schwanz. Doch jetzt muss Eckert mit ihren Vierbeiner­n weiterzieh­en, viele Bewohner warten in ihren Zimmern bereits auf den Besuch der Hunde. So wie Else Walter, die sich noch genau erinnert: „Zweimal waren die Hunde schon bei mir“, sagt die Rentnerin und streicht Paul und Sammy über den Kopf. „Ich mag die beiden ja so gerne.“Einmal hätte sie den TierBesuch verpasst. Das sei wirklich schade gewesen, noch mal passiere das auf keinen Fall.

Gut anderthalb Stunden ist Eckert mit ihren Hunden auf den vier Stationen unterwegs, dann sind Paul und Sammy platt. „Kuscheln bis zum K.o.“, nennt es die Alerheimer­in. Nicht nur den umgarnten Hunden fällt es schwer, sich zu trennen. „In vier Wochen kommen wir wieder“, muss Eckert einer Bewohnerin versichern, ehe sie sie gehen lässt.

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Fotos: Szilvia Izsó Bettina Eckert (links) besucht mit ihren Hunden regelmäßig das Seniorenhe­im in Harburg. Hier macht Paul Bekanntsch­aft mit Charlotte Theune.

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